Darf sich Federer bald dafür bei Murray bedanken, dass er Djokovic vom Thron stösst? Bild: STEFAN WERMUTH/REUTERS
Schafft es Andy Murray als letzter Spieler der «Big Four» nach Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic die Nummer 1 zu werden? Die Vorzeichen scheinen günstig, denn während der Schotte derzeit von Erfolg zu Erfolg eilt, schwächelt Djokovic.
Eine Wachablösung steht vor der Tür. Novak Djokovic droht, nach zweieinhalb Jahren an der Spitze der Weltrangliste von Andy Murray überholt zu werden. Das grenzt an ein kleines Wunder.
Denn Anfang Sommer war Djokovics Welt noch perfekt. Er gewann die French Open und komplettierte in Paris seinen Karriere-Grand-Slam. Etwas, das vor ihm schon Roger Federer und Rafael Nadal geschafft hatten. Es war sein zwölfter Grand-Slam-Titel, womit er Nadal (14) und Federer (17) auf die Pelle rückte.
Nichts und niemand schien den «Djoker» stoppen zu können. Würde er gar den Grand Slam schaffen und alle vier Major-Turniere des Jahres gewinnen? Etwas erreichen, was weder Federer noch Nadal gelang? Sogar der Golden Slam mit dem Titel bei Olympia?
Die Antwort lautete: Nein. In Wimbledon schied Djokovic überraschend in der dritten Runde aus und an den US Open unterlag er im Final Stan Wawrinka. Dazwischen scheiterte die grosse Gold-Hoffnung Serbiens an den Olympischen Spielen in Rio sensationell bereits in der Startrunde. «Ich habe die Lust am Tennis verloren», gab Djokovic vor zwei Wochen zu Protokoll.
Nachdenklich: Novak Djokovic scheitert in Schanghai an Roberto Bautista Agut. Bild: ALY SONG/REUTERS
Vielleicht wird das Feuer in Djokovic bald wieder geweckt, weil ihm mit Andy Murray in den letzten Monaten ein starker Widersacher erwachsen ist. Die Weltnummer 2 – der «Schattenmann» des jahrelang dominierenden Quartetts mit Federer, Nadal und Djokovic – ist drauf und dran, sich auf den Tennisthron zu hieven. Zuletzt gewann Murray die Turniere in Peking und Schanghai.
Murray hat in der Jahreswertung nur noch 915 Punkte Rückstand auf Djokovic. Eine Marke, die ihn darauf hoffen lässt, dass er vielleicht dereinst tatsächlich die Nummer 1 der Welt sein kann. «Ich glaube definitiv daran, dass ich es schaffen kann», sagte der Schotte. Die letzten Monate hätten ihm gezeigt, dass das Erklimmen der Weltranglistenspitze für ihn möglich sei.
Der 29-jährige Murray ist sich bewusst, wie günstig die Ausgangslage derzeit ist. «Ich erhalte vielleicht nie wieder die Chance, die Nummer 1 zu werden. Deshalb muss ich weiterhin mein bestes Tennis spielen», sagte er der BBC.
Cooler Blick: Murray nach seinem jüngsten Turniersieg. Bild: ALY SONG/REUTERS
Drei Turniere stehen noch auf Murrays Programm in diesem Jahr. In Wien (500 Punkte), Paris-Bercy (1000) und beim ATP-Masters in London (1500) kann er noch maximal 3000 Punkte holen. Aber womöglich reichen ihm auch weniger Zähler, um Djokovic vom Thron zu verdrängen. Denn der Serbe muss aus dem Vorjahr mehr Punkte verteidigen als Murray. Dieser könnte nach Paris die Weltnummer 1 sein – wenn er in der österreichischen und der französischen Hauptstadt gewinnt und wenn Djokovic es in Paris nicht in den Final schafft. Bis dahin tritt er bei keinem Turnier an.
Andy Murray, der in Rio seinen Olympiasieg von 2012 wiederholen konnte, ist in den vergangenen Monaten so erfolgreich wie nie zuvor. Punkto Grand-Slam-Siege (bislang drei) wird er nicht mehr zu den anderen grossen drei der «Big Four» aufschliessen können. Dass er aber wie Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic auf Platz 1 der Weltrangliste vorstossen kann, ist realistischer denn je. Und das dürfte dafür sorgen, dass Roger Federers Rekord von 302 Wochen auf dem Tennis-Thron noch länger unangetastet bleibt.