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Raser auf Schweizer Strassen: Wer steckt dahinter?

Das Tempo ist hoch, die Bremsspuren dick. Immer wieder enden solche Situationen sogar tödlich. Auch in unserer Region kommt es regelmässig zu Raserdelikten. Was auffällt, es sind fast immer Männer am  ...
Das Tempo ist hoch, die Bremsspuren dick. Immer wieder enden solche Situationen sogar tödlich. Auch in unserer Region kommt es regelmässig zu Raserdelikten. Was auffällt, es sind fast immer Männer am Steuer. Wieso ist das so? Wir haben bei einem Verkehrspsychologen nachgefragt.

Raser auf Schweizer Strassen: Wer steckt dahinter?

Immer wieder hört man von Raserdelikten. Teilweise sind die Fahrer mehr als doppelt so schnell unterwegs, als eigentlich erlaubt wäre. Doch wer sind diese Raser eigentlich? Sitzen nur junge Männer hinter dem Lenkrad?
16.04.2024, 04:4516.04.2024, 13:53
David Kocher, Lara Aebi / ch media
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Am Samstagabend hat die Polizei beispielsweise in Matzendorf einen 27-jährigen Portugiesen innerorts mit 119 Kilometern pro Stunde erwischt. In Bellmund bretterte am Sonntagabend ein Töff mit 143 Kilometern pro Stunde durch die 80er-Zone. Der Polizei dürfte der Lagerschrank für beschlagnahmte Führerausweise definitiv bald zu klein werden. Meistens wird bei solchen Delikten vom «Raser» gesprochen. Doch sind die Täter tatsächlich immer männlich?

Seit 2013 gibt es den «Raserartikel»

Kürzlich veröffentliche die Kantonspolizei Bern ihre jährliche Kriminalstatistik. Bei den über 72'000 strafrechtlich relevanten Handlungen sind Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz SVG aber nicht aufgelistet. Einen Einblick geben hier aber die Daten des Bundesamtes für Statistik. Bis 2022 sind alle Verurteilungen für Vergehen nach Artikeln des SVGs erfasst. Hier sind nicht nur die Zahl der jährlichen Urteile zu sehen, sondern auch Geschlecht, Altersgruppen und Nationalität.

Seit 2013 gibt es Tatbestand «qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln» (im Unterschied zu «grobe Verletzung der Verkehrsegeln») – auch bekannt als sogenannter «Raserartikel». Dabei droht eine Gefängnisstrafe von bis zu vier Jahren.

Das sagen die Zahlen

2014 wurden schweizweit so 297 Personen verurteilt – 284 davon waren männlich, 13 davon weiblich. Die grösste Altersgruppe machten dabei die 20- bis 25-Jährigen (77 Personen) und 25- bis 29-Jährigen (64 Personen) aus.

Bei einem Blick ins Jahr 2022 wird klar, dass das nun über zehn Jahre alte Gesetz nicht unbedingt abschreckend gewirkt hat: Ganze 469 Verurteilungen sind registriert. Auch 2022 waren es deutlich mehr Männer (440) als Frauen.

Seit der Einführung bewegt sich dieser jährliche Wert zwischen 400 und 430 Verurteilungen. Mit einem deutlichen Ausreisser: 2021 waren es 525 Personen, davon 509 Männer und 16 Frauen.

In ausnahmslos jedem Jahr waren es ausserdem mehr Ausländer, die durch den «Raserartikel» verurteilt wurden, als Schweizer.

«Junge, männliche Personen mit tiefem sozio-demografischen Status»

Sind Raser also tatsächlich meistens junge Männer? «In der Regel haben wir mit jungen, männlichen Personen mit tiefem sozio-demografischen Status zu tun», bestätigt Rahel Bieri, Fachpsychologin für Rechtspsychologie und Verkehrspsychologie. Frauen oder ältere Menschen seien deutlich seltener dabei. Doch warum?

«Das ist eigentlich bei allen Delikten so – insbesondere aber bei Delikten, welche mit physischer Risikobereitschaft zu tun haben. In diesen Bereichen sind Männer sehr deutlich übervertreten.»

Dass Raserei eher ein Phänomen junger Menschen ist, erklärt Bieri folgendermassen: «Das sind insbesondere Motive, Interessen und Wertvorstellungen, welche in diesen Altersgruppen vorherrschen: die Suche nach Status, Spannung oder Anerkennung. In diesem Alter hat man relativ viel ungeregelte Freizeit und nicht so viele Verpflichtungen. Man lebt sich aus und ist viel unter Gleichaltrigen unterwegs. Das kann nicht nur zu Raser-, sondern auch zu verschiedenen anderen Delikten führen.» Mit zunehmendem Alter würden solche Verhaltensweisen abnehmen, da sich die Prioritäten verändern würden und man die Verhaltensweisen mehr abwiege.

Der eingeführte «Raserartikel» ist der Sicht von Rahel Bieri «durchaus ein wertvolles Instrument». Denn: «Personen, die in dieser Hinsicht auffällig werden, werden aus dem Verkehr gezogen. Der Fahrausweisentzug ist auf unbestimmte Zeit und gilt so lange, bis die Person nachweisen kann, dass sie wieder fahrgeeignet ist.»

Um Raserei einzudämmen, gäbe es aber auch noch einen anderen Aspekt, sagt die Verkehrspsychologin: «Es beginnt bereits in der Erziehung und Wertevermittlung: Rasen ist immer eine Priorisierung der eigenen Interessen und kurzfristigen Bedürfnisse gegenüber jenen von anderen und dem Einhalten von Regeln. So spielt es eine Rolle, inwiefern Leute in der Familie, dem Freundeskreis oder der Schule sensibilisiert werden, welche Konsequenzen das eigene Verhalten für sich selbst und andere hat.»

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