Schweiz
Wirtschaft

Initiative für eine Zukunft der Juso: Warum ist die Wirtschaft nervös?

Eine Abstimmung der FDP Delegierten ueber die JUSO Initiative, anlaesslich der Delegiertenversammlung der FDP Schweiz vom Samstag, 28. Juni 2025 in Hergiswil im Kanton Nidwalden. (KEYSTONE/Urs Flueele ...
Die FDP-Delegierten sagten im Juni einstimmig Nein zur Juso-Initiative. Bild: keystone
Analyse

Die Juso-Initiative ist chancenlos: Warum die Wirtschaft trotzdem «zittert»

Die «Initiative für eine Zukunft» der Juso dürfte eine Abfuhr erleben. Dennoch sind die Gegner nervös, denn selbst eine Niederlage könnte ein unerwünschtes Signal aussenden.
11.11.2025, 17:1111.11.2025, 17:11

Die politische Schweiz erlebt gerade ein eigenartiges Schauspiel. Am 30. November kommt eine Volksinitiative zur Abstimmung, die nach menschlichem Ermessen chancenlos ist. Und doch sind die Gegner vor allem aus der Wirtschaft besorgt. Sie führen eine Kampagne mit Millionenbudget und malen für den Fall eines Ja den Teufel an die Wand.

Gemeint ist die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» der Jungsozialisten (Juso). Sie fordert eine Erbschafts- und Schenkungssteuer von 50 Prozent auf Vermögen über 50 Millionen Franken. Die Einnahmen sollen zur «sozial gerechten» Bekämpfung der Klimakrise verwendet werden.

Peter Spuhler, Verwaltungsratspraesident der Stadler Rail waehrend einer gemeinsamen Praesentation der SBB, Thurbo und RegionAlps von neuen Flirt Evo Zuegen der Stadler Rail, in der Instandhaltungsanl ...
Seit Peter Spuhlers Wegzugsdrohung ist Feuer im Dach.Bild: keystone

Anfangs wurde die Initiative kaum beachtet. Doch seit Peter Spuhler, der Inhaber von Stadler Rail, im Sommer 2024 bei einer Annahme mit Wegzug ins Ausland drohte, ist Feuer im Dach. Weitere Unternehmer schlossen sich an, zuletzt Ipsomed-Gründer Willy Michel, der eine Erbschaftsteuer grundsätzlich befürwortet, solange sie «moderat und gerecht» ist.

Populistischer Schnellschuss

Die betroffenen Wirtschaftsführer verweisen darauf, dass ihr Vermögen zum grössten Teil in der Firma steckt. Deren Existenz wäre durch die Juso-Initiative bedroht. Die Warnungen verfehlten ihre Wirkung nicht. In einer watson-Umfrage vom August 2024 lehnten 73 Prozent die Initiative ab, und auch die ersten Abstimmungsumfragen sind negativ.

Das erstaunt nicht, denn die Initiative ist ein populistischer Schnellschuss, eine moralische Empörungsschleuder. Sie basiert auf dem Klischee von Superreichen, die sich auf ihrer Jacht den Bauch mit Kaviar und Champagner vollschlagen. In der Realität wären häufig Unternehmer betroffen, und das scheint dem Stimmvolk einzuleuchten.

Bombe mit brennender Lunte

Dennoch ist die Nervosität gross. Wirtschaftsverbände warnen bei jeder Gelegenheit vor einer Annahme der Juso-Initiative. Der Industrieverband Swissmem, dessen Mitgliederfirmen mit einem schwachen Geschäftsgang zu kämpfen haben, verwendet als Sujet eine Bombe mit brennender Lunte. Das deklarierte Budget der Gegner beträgt 3,67 Millionen Franken.

Aktivistinnen der JUSO machen mit Plakaten von wohlhabenden Schweizer Erben Werbung fuer ihre Volksinitiative "Initiative fuer eine Zukunft", welche eine nationale Erbschaftssteuer fuer Erbs ...
Die Juso prangerte im März Superreiche an, doch sie sind kaum repräsentativ.Bild: keystone

Damit haben sie neunmal mehr Geld zur Verfügung als die Initianten. Es ist ein grosser Aufwand für den Kampf gegen ein Volksbegehren, dessen Ablehnung praktisch sicher ist. Daran werden auch ‹Rettungsversuche› der Mutterpartei SP, etwa das «Abstottern» der geschuldeten Erbschaftssteuer in jährlichen Raten, kaum etwas ändern.

Warum «zittert» die Wirtschaft trotzdem? Drei Gründe drängen sich auf:

Der Linksrutsch

Jahrzehntelang galt eine Art ungeschriebenes Gesetz: Das Volk stimmt im Sinne der Wirtschaft ab. «Ausreisser» wie die Alpeninitiative bestätigten die Regel. Das hat sich radikal geändert. Zwei Volksentscheide des letzten Jahres fuhren Bürgerlichen und Wirtschaft in die Knochen: das Ja zur 13. AHV-Rente und das Nein zum Autobahnausbau.

Ähnliche Resultate wären noch vor wenigen Jahren fast undenkbar gewesen. Auch andere Vorlagen waren aus Sicht der Wirtschaft alarmierend: Die Konzernverantwortungsinitiative scheiterte einzig am Ständemehr, und der Freihandel mit Indonesien wurde nur knapp angenommen. Kein Wunder, sorgt selbst die radikale Juso-Initiative für Unbehagen.

Die Psychologie

Ein weiterer Effekt konnte zuletzt beobachtet werden, der die Rechte beunruhigen muss. Ein drohendes Nein in den Umfragen mobilisiert das Ja-Lager. Das zeigte sich bei der 13. AHV-Rente, die am Ständemehr zu scheitern drohte, und im September bei der Abschaffung des Eigenmietwerts. Beide Vorlagen wurden deutlicher angenommen als erwartet.

Droht bei der Juso-Initiative ein ähnliches Szenario? Sie ist dafür wohl zu radikal, und es fehlt anders als bei den erwähnten Vorlagen die persönliche Betroffenheit. Eher könnte ein anderer Effekt spielen: Die Initiative wird ohnehin abgelehnt, also kann man mit einem Ja ein Zeichen setzen. Bei der Minarett-Initiative 2009 könnte dies eine Rolle gespielt haben.

Der Achtungserfolg

Eine Ablehnung bleibt das wahrscheinlichste Szenario am 30. November. Das allein aber genügt womöglich nicht. Schon ein Achtungserfolg, also ein Ja-Anteil über 40 Prozent, wäre aus Sicht von Bürgerlichen und Wirtschaft ein unerwünschtes Signal. Er könnte zumindest einzelne Superreiche aufschrecken und sie dennoch zur Abwanderung motivieren.

In der ersten SRG-Trendumfrage sagten immerhin 35 Prozent sicher oder eher Ja. Es erstaunt somit nicht, dass die Nein-Seite eine massive Kampagne fährt, denn für sie kommt nur eine deutliche Abfuhr infrage. Ob sie damit durchkommt, wird man in einer Woche erfahren. Dann werden die letzten Abstimmungsumfragen veröffentlicht.

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Die beliebtesten Kommentare
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insert_brain_here
11.11.2025 17:31registriert Oktober 2019
“Sie basiert auf dem Klischee von Superreichen, die sich auf ihrer Jacht den Bauch mit Kaviar und Champagner vollschlagen. In der Realität wären häufig Unternehmer betroffen, und das scheint dem Stimmvolk einzuleuchten.”

Möchte das nicht jemand aufschlüsseln? Wieviele Menschen in der Schweiz mit Vermögen von mehr als 50 Mio haben sich dieses denn selber aufgebaut und wieviele hatten einfach Glück bei der Geburt?
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Aya
11.11.2025 17:31registriert August 2019
Achtenswert wäre, wenn die zu erwartende Ablehnung der JUSO Initiative ähnliches auslösen würde wie die Ablehnung der Autobahninitative. Prüfe wo die reichen besteuert werden können! Schafft endlich mehr Steuergerechtigkeit und nehmt den Vermögenden etwas von ihrem Vermögen und verteilt es um, dass die Kaufkraft von vieöen wieder gestärkt wird. Nicht nur wenige viel sondern mehr für Alle! Wählt links!
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traegi
11.11.2025 17:19registriert September 2020
Die Grundidee der Initiative ist ja eigentlich sehr gut. In einem gemässigteren Steuersatz wäre die Initiative für die meisten sehr ansprechend und sinnvoll. Die JUSO hat es leider mit der Realitätsnähe nicht so...
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