«Schick mir ihr Nacktfoto»: Schweizer tauschen im Internet heimlich Bilder ihrer Ehefrauen
In der umfangreichen Erotik-Rubrik auf Schweizer Kleinanzeigenportalen häufen sich derzeit auffällige Inserate. Die Verfasser fordern darin Bilder von den Partnerinnen anderer Männer. «Wenn es dich erregt, dass ein Fremder deine Frau anschaut, schick mir ihr Nacktfoto», schreibt ein Nutzer. Ein anderer erklärt:
Manchmal gehen diese Angebote in die entgegengesetzte Richtung – oder beinhalten eine Art Gegenseitigkeit. So schlägt ein Nutzer etwa vor, man könne sich «auf das Foto seiner Freundin einen runterholen», während ein anderer anbietet, «Fotos unserer Frauen auszutauschen». «Jeder erzählt, was er gerne mit der Frau des anderen machen würde», erklärt er. Ein Wunsch, der in zahlreichen Inseraten zum Ausdruck kommt:
Diese Inserate, meist verfasst von Männern, die sich als verheiratet ausgeben, haben eines gemeinsam: Das Einverständnis der betroffenen Frauen wird nie erwähnt. Mitunter wird sogar betont, dass sie nichts davon wissen. «Wenn ich in Stimmung bin, antworte ich dir, und wir organisieren das Treffen, ohne dass sie es merkt», schreibt etwa ein Nutzer.
Auch wenn es schwierig ist, von einem Trend zu sprechen, sind diese Nachrichten auffällig. Zum einen wegen ihrer Anzahl – innert weniger Tage konnte ein gutes Dutzend solcher Inserate gefunden werden. Zum anderen erinnern sie unmittelbar an zwei Fälle, die im vergangenen August in Italien für Aufsehen sorgten: Im Abstand von nur wenigen Tagen wurde dort bekannt, dass es zwei (inzwischen geschlossene) Internetplattformen gab, auf denen sich Tausende Männer Fotos von Frauen ohne deren Einverständnis zusandten.
Auf einer dieser beiden Plattformen, genannt «Phica.net», veröffentlichten und tauschten Männer Bilder ihrer Partnerinnen, von Prominenten oder einfach von Frauen, die heimlich auf der Strasse fotografiert wurden – und kommentierten diese auf sehr gewalttätige und erniedrigende Weise. Teilweise wurden die Frauen mithilfe künstlicher Intelligenz «entkleidet». Die Seite existierte seit 2005 und hatte zum Zeitpunkt ihrer Schliessung 12'000 Nutzer.
Der zweite Skandal betraf eine Facebook-Gruppe namens «Mia Moglie» («Meine Ehefrau»), deren Mitglieder sich ähnlichen Aktivitäten hingaben. Auch hier war die Zahl der Teilnehmer sehr hoch: Über 30'000 Männer waren in dieser Gruppe dabei.
Laut Coline de Senarclens, Direktorin von empowr und Expertin für Genderfragen, sind all diese Fälle Ausdruck desselben Phänomens: der Aneignung des weiblichen Körpers. Mehr noch als ein Zeichen eines «Patriarchats in der Krise», wie es einige italienische Forscherinnen sehen, erkennt sie darin eine Kontinuität tief verwurzelter Praktiken.
«Männer haben den Körper der Frauen schon immer geteilt», erklärt sie, wobei sie sich unter anderem auf Claude Lévi-Strauss’ Theorie zum Inzest und die Forschungen der Anthropologin Paola Tabet stützt. In beiden Fällen zeigt sich derselbe Grundbefund: Den Körper der Frauen sowohl den eigenen Angehörigen als auch anderen Familien zur Verfügung zu stellen, war in vielen Kulturen eine gängige Praxis. Solche Dynamiken sind laut der Expertin auch heute noch präsent:
Ein medial besonders präsentes Beispiel für dieses Phänomen ist der Fall Pelicot, der in diesem Jahr Frankreich erschütterte. Die Verbrechen von Dominique Pelicot, unter anderem das Posten oder Austauschen von Bildern der eigenen Frau im Internet, gehören demselben «Kontinuum der Gewalt» an, sagt de Senarclens.
Dieser Fall habe zudem gezeigt, dass «Männer, die solche Gewalt ausüben, nicht immer wissen, dass sie Unrecht tun», fährt Coline de Senarclens fort. «Das bedeutet, dass sie glaubten, im Recht zu sein, weil die Gesellschaft derartige Verhaltensweisen legitimiert.»
Aus diesem Grund handle es sich nicht um etwas Neues, fügt sie hinzu. «Dieses Verhalten hat es schon immer gegeben. Es ist unser Blick darauf, der sich verändert, ebenso wie die Sichtbarmachung und das Anprangern dieses Phänomens», betont die Expertin.
Klar ist: Das Teilen von Bildern ohne das Einverständnis der abgebildeten Person ist in der Schweiz verboten. «Dieser Tatbestand wird durch Artikel 179 des Strafgesetzbuchs geahndet», erklärt Camille Perrier Depeursinge, Professorin für Strafrecht an der Universität Lausanne.
«Damit dieser Artikel greift, muss der betreffende Inhalt nicht zwingend sexueller Natur sein», fügt sie hinzu. «Es reicht, dass die Person ohne ihre Zustimmung oder ohne ihr Wissen im privaten Kontext fotografiert oder gefilmt wurde.»
Hinzu kommt ein neuer Straftatbestand, der ausdrücklich das Teilen sexueller Bilder betrifft. Seit Juli 2024 wird dies durch Artikel 197 geahndet. «Dieser greift sogar, wenn die Inhalte ursprünglich mit Zustimmung der abgebildeten Personen aufgenommen wurden», erklärt Camille Perrier Depeursinge.
Fallen damit die eingangs erwähnten Inserate bereits unter diesen Strafbestimmungen? «Das Fordern solcher Bilder kann eine Anstiftung zur Straftat darstellen, wird aber erst dann strafbar, wenn die andere Person beginnt, die Tat auszuführen, oder eindeutig ankündigt, dies zu tun», erklärt die Professorin. In ähnlicher Weise ist das Empfangen solcher Inhalte nur strafbar, wenn der Empfänger sie aufbewahrt.
Das grösste Problem bei diesen Delikten liegt jedoch woanders, betont Camille Perrier Depeursinge. Tatsächlich werden diese beiden Straftaten nur auf Anzeige verfolgt.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass diese Inhalte, wenn sie mal geteilt wurden, nicht mehr vollständig gelöscht werden können. «Die Täter mögen bestraft worden sein, aber das Opfer weiss, dass Bilder von ihr weiterhin im Internet kursieren oder auf den Handys von Fremden gespeichert sind», erläutert sie.
Wie können diese Probleme also gelöst werden? Für Coline de Senarclens ist der Weg noch lang. «Jedes Jahr kommt ein Polizist in die Klasse meines Sohnes, um die Schüler für die Gefahren im Strassenverkehr zu sensibilisieren», erläutert sie. «Man müsste die Zahlen vergleichen, aber ich bin überzeugt, dass es klar mehr sexuelle Gewalt gibt als Kinder, die von Autos überfahren werden.»
«Ich denke, dass die Prioritäten in der Politik nicht die richtigen sind», fährt die Expertin fort, und fordert zugleich, «dringend und in grossem Umfang den Fokus auf Fragen des Einverständnisses zu legen».
Und das sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. «Ich habe den Eindruck, dass die öffentliche Debatte momentan sehr auf die Jugendlichen fokussiert ist, was als Vorwand dienen kann, nicht über Erwachsene zu sprechen», sagt sie. Und sie schliesst: «Dabei müssen die Massnahmen, die wir ergreifen, alle betreffen.»
