Ob ihr's glaubt oder nicht, selbst ich nerv mich oft über Menschen wie mich und ihre Nachhaltigkeitstipps. Der Grund ist einfach. Wir können einander noch lang und breit erklären:
Und dann kehren wir alle wieder ins richtige Leben zurück. In die Hektik, den Familienstress, die Arbeit, die krampfhaften Versuche, zu entspannen.
Zum Glück helfen uns Gewohnheiten, unseren extrem komplexen und oftmals hektischen Alltag zu strukturieren. Im Extremfall steuern sie als Autopilot unser Handeln, während wir in unseren Gedanken schon das nächste vermeintliche Problem lösen. Deshalb werden wir sie auch kaum los – egal, ob gut oder schlecht. Ich mein, stellt euch mal vor, ihr müsstet jeden Morgen beim Aufstehen wieder von vorne überlegen, in welcher Reihenfolge und wie ihr was macht.
So. Nun kommt so jemand wie ich und erzählt euch so was wie: «Schmeiss nicht immer so viel Essen weg», «Iss doch öfter mal was Fleischloses», «Jetzt nimm halt mal das Velo». Mein Gschmüsi könnte euch ein Lied singen, wie nervig ich bei solchen Sachen manchmal sein kann. Aber er gibt sich viel Mühe, auch wenn ich bei seiner Produktion an Food Waste manchmal innerlich ausflippe. Und ja, wir haben uns trotzdem lieb.
Die grosse Frage lautet also: Wie machen wir umwelt- und klimafreundliche Handlungen zu neuen Gewohnheiten?
Bevor ich gleich zu den offiziellen Tipps zweier Psychologen komme, gibt's noch kurz ein bisschen Stammtisch-Psychologie mit einem persönlichen Beispiel.
Also aus meiner Erfahrung braucht es zuerst mal den Willen, etwas zu ändern, bevor wir Gewohnheiten «umprogrammieren» können. Mir hilft es zudem, wenn ich mir die Vorteile einer Verhaltensänderung bewusst mache. Ich hab ja vor einigen Wochen mit Rauchen aufgehört, zwar gab's natürlich auch den ein oder anderen Rückschlag, aber letztlich hat es doch viel besser funktioniert, als ich erwartet habe.
Erstens wollte ich ja wirklich aufhören und zweitens habe ich mir alle Vorteile des Rauchstopps bewusst gemacht. Vor allem jene für meine Gesundheit. Ich hab sogar wieder angefangen zu joggen, nur damit ich merke, dass meine Lungen wieder fitter sind. Und dann sind da natürlich das gesparte Geld oder Kleider, die nicht mehr nach Rauch stinken.
Wie gesagt, nerve ich mich also manchmal über solche Nachhaltigkeitstipps-Spreader, die einem nicht sagen, wie man denn das alles in den Alltag integrieren und umsetzen soll. Deshalb habe ich zum Thema Gewohnheiten ein bisschen recherchiert und bin auf den Sozialpsychologen Bas Verplanken gestossen.
Er spricht von einem ganzen Kontext, in den eine Gewohnheit eingebettet ist. Dazu gehören etwa Ort, Tageszeit, Emotion oder das soziale Umfeld. Sie sind auch noch alle miteinander zu einem Setting verwurstelt. Beispiel: Immer um 10 Uhr morgens machen meine Arbeitskollegin und ich im Büro eine Pause und trinken einen Kaffee. Anderes Beispiel: Wenn ich Stress habe oder frustriert bin, gönne ich mir eine Online-Shopping-Eskapade (also ein fiktives Ich, nicht mein Ich, das hier schreibt).
Frag dich, warum du eine gewisse Handlung immer wieder so machst. Allenfalls kommst du auf Antworten wie: Das mache ich halt immer so / das passiert automatisch / es wäre anstrengender, es anders oder nicht zu tun.
Überkommt dich die Gewohnheit an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Tageszeit? Ist sie an eine Emotion gebunden oder hat sie einen gesellschaftlichen Kontext? Beispiele: Zur Arbeit nehme ich immer das Auto, weil ich morgens einfach nicht laufen oder Rad fahren mag. Abends wird genetflixt und dazu gibt's Schoggi. Wenn ich etwas Warmes koche, gehört Fleisch dazu.
Schaff neue, gute Auslöser, eliminiere schlechte Auslöser, ändere das Setting.
Soll die Schokolade beim Streaming-Abend weg, kannst du den Vorrat aufheben (schlechter Auslöser) und stattdessen frische Früchte oder gedörrte Apfelschnitze bereitstellen – oder einfach zu einem Stressball greifen (neuer Auslöser). Willst du weniger Fleisch essen, kannst du dir online schon mal vegetarische Rezepte oder Fleischersatzprodukte raussuchen, die du ausprobieren willst (neuer Auslöser) und im Geschäft einen weiten Bogen um die Fleischabteilung machen (schlechter Auslöser).
Statt frustriert am Handy Kleider zu shoppen, leg dir ein gutes Buch bereit oder such dir ein paar Filme, die du sehen willst, und heb sie dir für solche Frustmomente auf (neuer Auslöser). Oder mach nach einem harten Tag einen Spaziergang, statt direkt nach Hause zu gehen (anderes Setting).
Einen wichtigen Input liefert auch der Psychologe Peter Gollwitzer: Mach dir Wenn-Dann-Pläne und schreib sie auf. Zum Beispiel: Wenn ich beim Einkaufen bin, dann gehe ich zum Regal mit den Fleischersatzprodukten statt zur Fleischtheke; wenn ich abends einen Film schaue, dann schnipple ich mir vorher ein paar Gemüsesticks.
Verwende für deine Wenn-Dann-Pläne nur positive Formulierungen. Unser Hirn kommt schlecht zurecht mit den abstrakten Begriffen «nicht» und «kein».
Wichtig bei der Geschichte: Mach dir deine Erfolge bewusst und belohne dich dafür. Geh mit Freunden gediegen essen oder ins Kino. Auch eine coole Belohnung: Mach einen richtig schönen Gammeltag.
Geht es um grössere Veränderungen wie etwa möglichst oft vegan zu essen oder ab sofort das Fahrrad zur Arbeit zu nehmen, bezieh dein Umfeld mit ein und suche Gleichgesinnte, damit ihr euch gegenseitig motiviert.
Und jetzt noch der Standardsatz, den man bei solchen Texten immer schreibt, um dem Publikum den Druck zu nehmen und ein gutes Gefühl zu geben: Lass dich von Rückschlägen nicht unterkriegen, denn sie gehören dazu.
Das war's auch schon wieder. Ich geh jetzt joggen und schau mal, was meine Lunge so hergibt. Hebed üch Sorg, schmeisst nicht immer so viel Essen weg und nehmt halt mal das Velo. 😉