Bald ist wieder Hochbetrieb in den Badis: Kleinkinder plantschen fröhlich im Wasser, grössere Kinder machen erste Schwimmversuche. Manchmal unter den wachsamen Augen Erwachsener. Manchmal aber tratscht der Vater mit seinen Freunden, die Mutter erledigt liegen gebliebene Mails, der Götti hängt am Handy. Sie alle strapazieren nicht nur die Nerven des Bademeisters. Passiert den Kleinen etwas, sind meist die Eltern oder die jeweilige Begleitperson verantwortlich. Moralisch, aber auch rechtlich.
Zwar ist die Betreiberin einer öffentlichen Badeanstalt verpflichtet, die Badegäste und deren Verhalten zu überwachen. Ein Bademeister muss unverzüglich eingreifen, wenn er eine gefährliche Situation oder eine Unregelmässigkeit sieht oder eine andere Person ihn auf eine solche aufmerksam macht. Er hat deswegen jederzeit in der Nähe des Schwimmbeckens zu sein und das Geschehen permanent aufmerksam zu beobachten.
Aber, so das Bundesgericht, diese «Pflicht zur Überwachung kann sich (…) vernünftigerweise nicht auf jegliche Handlung der Benützer erstrecken, selbst wenn sich diese im Wasser befinden. So muss sich der Bademeister nicht versichern, dass jeder Badende an der Wasseroberfläche verbleibt oder, wenn er untertaucht, rechtzeitig wieder aufsteigt». Diesen Ball gibt das Gericht weiter. Es ist der Schwimmer selbst oder eben die verantwortliche erwachsene Begleitperson, die das «mit der üblichen oder scheinbar normalen Benützung des Wassers verbundene Risiko trägt». Übersetzt müssen also Vater, Mutter oder Götti dafür sorgen, dass das Kind beim normalen Baden nicht ertrinkt.
Die Eltern oder die jeweilige Obhutsperson sind somit auch in der Badi für die Sicherheit des Kindes verantwortlich. Babys und Kleinkinder muss die Begleitperson in Griffnähe beaufsichtigen. Bei grösseren Kindern reicht es, je nach Kind und Schwimmkenntnissen, wenn die verantwortlichen Erwachsenen in Sichtweite sind. Wann Kinder ganz alleine ins Freibad dürfen, hängt von den Regeln der jeweiligen Badi ab. Auf der sicheren Seite ist, wer seinen Nachwuchs erst mit bestandenem Wassersicherheitscheck alleine baden lässt.
Klingt, als könne sich der Bademeister darauf beschränken, untergegangene Kinder rauszufischen, sofern er den Unfall rechtzeitig sieht? Ganz so einfach ist das nicht, wie die Betreiberin eines Strandbades vor Bundesgericht erfahren musste.
Ein Badegast stiess beim Sprung am Seeboden auf und war seitdem vom fünften Halswirbel abwärts gelähmt. Der Bademeister hatte im Vorfeld geduldet, dass Badegäste wiederholt vom Badesteg in den See sprangen, obwohl die Stelle gefährlich und weder abgesperrt noch sonstwie markiert war. Das Bundesgericht erinnerte daran, dass das Seebad zweifellos auch für Kinder gedacht war. Bei diesen bestehe die Gefahr einer zweckwidrigen Nutzung, die im konkreten Fall offensichtlich zu schweren Schädigungen führen könne.
Die Seegemeinde als Werkeigentümerin haftete entsprechend, wenn sich der verunfallte erwachsene Badegast auch ein erhebliches Selbstverschulden anrechnen lassen und eine Kürzung des Schadenersatzes hinnehmen musste.
Schwimmkurse für Kinder sind eine gute Sache. Sie gewöhnen schon Kleinkinder ans Wasser und lernen ihnen, sich selbst zu retten. Aber das Seepferdchen-Abzeichen ersetzt nicht die Aufsicht, genauso wenig wie die Schwimmflügel.