Meine liebste Sabine
Als mich Ihre Frage erreichte, sass ich beinahe heulend am Flughafen in Amsterdam. Ich hatte während 16 Stunden vor dem Abflug versucht, meinen Flug mit KLM umzubuchen, damit ich zwei Tage früher hätte heimreisen können. Nicht etwa, weil ich Amsterdam nicht liebe. Im Gegenteil. Ich bin verliebt in Amsterdam und ich denke ernsthaft darüber nach, die Stadt zu heiraten. Oder doch zumindest eine Wohnung dort, falls mir die Stadt das Jawort verweigern würde, was ich mir zwar nicht vorstellen kann, weil sie mich immer sehr lieb behandelt. Und obwohl ich dort nicht fotografieren kann (ich bin gänzlich blockiert, mein Abdrückfinger wird urplötzlich steif), fühle ich mich dort immer wahnsinnig wohl.
Doch leider sass ich die letzten Tage nicht in Amsterdam in einer schönen Ferienwohnung, sondern in Haarlem in einem ziemlich schrecklichen Hotel, dessen Küche geschlossen war wegen Umbau und vor dem Fenster ein Sturm und ein Platzregen, der jedes aus dem schrecklichen Hotel Fliehen sofort im Keim erstickte.
Dort sass ich fest mit einem hustenden Kind und einem Gefühl des Heimwehs und ich wollte einfach nur noch nach Hause. Drum schrieb ich der KLM eine Email, sie solle mich doch bitte auf den gleichen Flug um 18 Uhr einen Tag früher umbuchen und die Flugdokumente an meine Adresse mailen, was dann ordentlich schief lief. Sie buchte mich zwar um, aber auf einen Flug morgens um 07.05 und schickte die Mail an die falsche Adresse, weshalb ich um 9 Uhr noch nichts ahnend seelig meinen Flug verschlief. 4 Stunden und 15 Mails später buchte ich einen Flug mit Easyjet und nochmals anderthalb Stunden später sass ich in der Lounge A und wartete auf meinen Abflug.
Beinahe heulend, weil die Stunden davor so für die Katz gewesen waren, weil ich nun doppelt für Flüge bezahlen musste plus eine Umbuchungsgebühr für einen Flug, von dem ich nichts wusste und meine davor wunderbaren Ferien in Holland irgendwie davon verfärbt wurden. Aber ich hatte meinen Sohn dabei, meinen wunderschönen neuen Rollkoffer, den ich mir als verspätetes Geburtstagsgeschenk gekauft hatte und war kurz davor aus dem Tesla-Taxi gestiegen, was uns nach Schiphol gefahren hatte. Darum riss ich mich zusammen und plärrte nicht laut hinaus in die Lounge A. Aber ich war sehr nahe daran. Verdammt nahe. Das dürfen Sie mir ehrlich glauben.
Und da kam Ihre Mail, liebe Sabine. Und die Welt, sie war wieder in Ordnung! Die Querelen mit der vorschnell auf Facebook gelobten Airline waren vergessen und auch das Scheisshotel ohne Restaurant. Alles war weg und ich sah nur noch Sie und Ihre Dosen und einen Schiffscontainer voller Dosenöffner, made in Japan. Denn für einen Anlass dieser Güte ist nur das Beste gut genug und das kommt meiner Meinung nach immer aus Japan.
Ich sah Sie also da stehen. In einem weissen unaufgeregten Kleid. Das Haar in Ihrer unaufgeregten Art lässig bis nachlässig hochgesteckt und auf Ihrem wunderhübschen Gesicht ein schelmisches Lächeln. Daneben Ihr Mann, von dem ich mir kein Bild machen konnte, aber von dem ich wusste, dass er gerade jetzt der glücklichste seiner Art auf Erden war und dem ich in Gedanken einen kleinen Stups in die Rippen gab, als Zeichen meiner Anerkennung, dass er gerade eine sehr tolle und einzigartige Frau geheiratet hat. Ich sah Sie beide vor einem Standesamt, irgendwo in Skandinavien stehen und hoffte sehr, dass das Ganze vor dem bösen Sturm über die Bühne gegangen war und sich die Sonne hold über Ihr vermutlich blondes Haar ergossen hatte. (Sie werden mir die Fantastereien über den doch eher exotischen Ort der Trauung und die angedichtete Haarfarbe bitte nachsehen. Es waren die Bilder in meinem Kopf, die ich zu diesem Zeitpunkt einfach empfangen hatte und die ich weder steuern konnte noch wollte.)
In diese Bilder hinein drängten sich dann alsbald Ihre Fragen und als ich Sie da sah mit den Tomatenkonserven hantieren, da war mir zugleich auch schon klar, dass sich das sehr schlecht mit dem Weiss des Kleides vertragen würde. Denn wenn ich auch behaupte, dass man sein Hochzeitskleid niemals später wieder tragen wird – und sei es auch noch so informell und easy auch an einer Party tragbar – so denke ich doch, dass man sich über Tomatenflecken sehr ärgern würde, den lieben langen Tag über. Und das wäre die Sache dann doch nicht wert. Darum würde ich Ihnen dringend zu den Karotten und Erbsen raten, die Sie eventuell auf einen Spiess stecken und als Beilage zu einem veganen Salat Ihren Gästen servieren könnten, falls denn welche vorhanden waren. Oder immerhin den imaginären, wie zum Beispiel meiner Wenigkeit. Sie hätten das Aufspiessen der Erbsen als lustiges Spiel für die imaginären Gäste inszenieren können, ach, welch wunderbarer Hochzeitsklamauk!
Das Problem mit dem Öffner könnten Sie dadurch umgehen, dass Sie von Anfang an auf Konserven setzen, die einen Deckel haben, der sich an einer Lasche mit dem Zeigefinger aufrollen lässt. Allerdings würde ich auch in diesem Falle mit einer Errorrate von 25% rechnen, haben meine eigenen Erfahrungen doch gezeigt, dass bei einem Viertel dieser Dosen die Lasche abbricht und die Dose schlussendlich mit gröberem Werkzeug geöffnet werden muss. Was uns unweigerlich auf die Menge der Dosen bringt. Diese würde ich wiederum vom Auto abhängig machen, an welches sie gehängt werden, aber darüber schweigen Sie sich leider vollkommen aus. Was wirklich schade ist, da ich ja ein grosser Autofan bin und Ihnen auch zu diesem Thema so einiges hätte raten können.
An Ihrer Stelle hätte ich 16 Dosen angehängt, was mich unweigerlich an die Änny erinnert, die im Juni in der Sendung Shopping Queen mitgemacht hatte und in deren 40 m2 Wohnung sagenhafte 200 mit Swarovski-Steinen und anderem Gemülle dekorierte Dosen standen und ich frage mich, ob die einen Verlust von 16 Stück überhaupt bemerken würde und ob sie sich nach Ihrem Ableben würde einäschern und dann in eine Dose würde abfüllen lassen. Was aber natürlich nicht hierhin passt, da es schliesslich um eine Hochzeit geht und da hat der Tod nichts verloren!
Auf dass weder der Tod noch andere Gründe sie jemals scheiden wird. Auf dass Sie beide eine inspirierende Zukunft zusammen erleben, voller Begeisterung und Herzblut. Voller Wärme und Empathie. Mit Konflikten, an denen Sie beide wachsen mögen und Streitereien, welche die Reibung zwischen Ihnen nur noch mehr erhöht.
Sie haben meine Stunden auf AMS erhellt. Lassen Sie es mich bitte wissen, falls ich Ihnen jemals etwas Erhellendes tun kann. Bis dahin küsse ich Sie auf die verheiratete Stirn.
Was das mit dem Gebacken auf sich hat, kann ich auch nur erahnen. Vielleicht ist es ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass der Backofen eingeheizt bleiben soll. Und was in dessen Rohr so alles passieren kann, brauche ich Ihnen beiden hoffentlich nicht erklären.
Mit ganz viel Liebe. Ihre Kafi.