Liebe Nora
Nike gehört verboten. Turnschuhe sowieso. Und alle Kleider, die unter erbärmlichen Bedingungen produziert werden, auch. Freue mich schon auf all die Nudistensiedlungen, die aus dieser Konsequenz heraus entstehen werden!
Obiges Sportlabel würde sich vermutlich schwer bei Ihnen bedanken für diese Werbetrommel, die Sie mit dieser Frage kräftig gerührt haben. Sie haben die Marke ganze vier Mal erwähnt, ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Sie demnächst eine Gratislieferung Sneakers vor der Haustür stehen haben.
Mir schon klar, dass Sie jetzt gerne hören würden, wie unmoralisch es ist, diese (ich nenn den Namen nicht nochmals, ich glaube es ist inzwischen jedem klar, dass wir nicht über Adidas reden, obwohl die mit ganz grosser Sicherheit keinen Deut besser sind) Turnschuhe zu tragen. Und ja, jeder weiss, unter welchen Bedingungen sie produziert werden.
Aber ich muss Ihnen trotzdem etwas sagen: Wenn Sie meine Freundin wären, Sie würden mir furchtbar auf die Nerven gehen. Sie führen sich als Moralapostel auf und sind dann aber noch nicht mal wirklich konsequent. Vermutlich tragen Sie, während Sie oben herab mit dem Zeigefinger vor den Nasen Ihrer Freundinnen herumfuchteln, eine schnittige Zara-Hose und ein lässiges Blazerli von H&M. Und das macht das Ganze noch schwieriger.
Denn nur weil der Brand nicht gross aufgedruckt ist, heisst es noch lange nicht, dass man mit dem Kauf dieser Ware keine schlechten Arbeitsbedingungen unterstützt. Das tut man nämlich beinahe immer, jedenfalls dann, wenn man Klamotten oder Schuhe kauft, die in China, Bangladesch oder Indien gefertigt worden sind. Und selbst ein «Made in Europe» garantiert noch lange keine guten Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung, was Sie dieser Analyse der Erklärung von Bern entnehmen können.
Jeder Erwachsene muss selber dafür Verantwortung übernehmen dürfen, wie er leben will. Wenn er es vorzieht, sauteuere unter miesen Bedingungen produzierte Nike-Schuhe zu tragen, statt saubillige unter ebenfalls miesen Bedingungen produzierte vom Kik-Diskont, dann soll er das dürfen. Und wenn er für sich entschieden hat, ein Stück tiefer in seine Tasche zu greifen um sich von Kopf bis Fuss in Hessnatur zu kleiden, ist das auch ok.
Mir persönlich hängt dieser heute sehr verbreitete Opportunismus, der getränkt ist mit einer moralinsauren Bleiche, extrem zum Halse raus. Fashionblogs schreiben heute über die unsäglichen Arbeitsbedingungen eines Herstellers und zeigen übermorgen dessen neuste Kollektion. Natürlich kann man jetzt sagen, dass es doch besser ist, zu informieren, als zu ignorieren. Aber dieses Doppelmoral-Wässerli, das da für andere gepredigt wird, während man zu Hause Wein säuft, ist wirklich ätzend.
Und Ihre Attitude ist es auch. Entweder wischen Sie vor der eigenen Haustür, kaufen Ihre Klamotten konsequent beim Fairtrade-Händler (und verzichten damit auch darauf, jedem Modetrend hinterherzurennen), oder Sie halten Ihre Klappe. Aber selber Dreck am Stecken haben und den von anderen bemängeln, geht für mich beim besten Willen nicht.
Mit bestem Gruss. Ihre Kafi.