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Mein Mann und ich haben kürzlich ein Haus gekauft und eine House-Warming-Party gegeben. Das war soweit ganz nett, aber nun habe ich von meiner Schwiegermutter einen halben Hausrat von Alessi geschenkt bekommen!!! 

Mit dem Alessi Zahnseidenmännchen könnte man vermutlich auch Orangen schälen. Und kleine Jungs beschneiden. Was ich allerdings nie ausprobiert habe. Also beides, meine ich.    
Mit dem Alessi Zahnseidenmännchen könnte man vermutlich auch Orangen schälen. Und kleine Jungs beschneiden. Was ich allerdings nie ausprobiert habe. Also beides, meine ich.    Bild: Kafi Freitag
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Mein Mann und ich haben kürzlich ein Haus gekauft und eine House-Warming-Party gegeben. Das war soweit ganz nett, aber nun habe ich von meiner Schwiegermutter einen halben Hausrat von Alessi geschenkt bekommen!!! 

19.09.2014, 10:0619.09.2014, 16:58

Alles Dinge, die ich in der Küche aufstellen sollte. Mein Mann ist begeistert, ich überhaupt nicht. Ist Alessi nicht total untrendy? Hilfe! Maya, 38 

Kafi Freitag
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Liebe Maya

Erstmals herzliche Gratulation zum Hauskauf! Ja ja, ich sehe Ihr Problem. Geschenke sind keine einfache Angelegenheit. Für den Beschenkten noch weniger, als für den Schenkenden. Aber das wissen wir alle längst, darüber brauche ich nicht auch noch zu schreiben. In Ihrer Frage lauern einige Dinge, die reichlich Zündstoff bieten... Geschenk, Design, Schwiegermutter, Ehemann. Ich werde versuchen, das Thema systematisch anzugehen. Anfangen werde ich mit dem Design.

Alessi ist kein einfaches Thema. Aber das hat vielleicht auch viel mit mir selber zu tun. In der Provinz, wo ich herkomme, da gab es dreierlei Haushalte in meinem Umfeld. Es gab jene, in denen Design schlichtweg nicht existierte. In so einem wurde ich gross. Dann gab es andere, für die war Design gaaaanz wichtig, die wollten so richtig hip sein und bei denen musste man sein Frühstücksei aus keck geformten Alessi-Eierbechern essen und die Orangen über komische langbeinige Philippe Starck-Objekte quetschen, um Saft trinken zu können. Und dann gab es noch eine dritte Kategorie, die sich redlich bemühte, sich von der Zweiten abzuheben.

Bei denen musste alles vom Solothurner Designer Carlo Borer sein. Alles. Der Briefkasten. Die Kaffeemaschine. Der Kleiderschrank. Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was das alles mit ihrem Alessi-Problem zu tun hat und ich muss Ihnen antworten: Es war schon damals nicht einfach, sich in der Alessi-Kategorie zu bewegen. Ich persönlich mochte Alessi noch nie. Ich fand es schon immer seelenlos und furchtbar kommerziell. Und mir geht es noch heute so. 

Als ich vor ein paar Jahren einen Toaster kaufen wollte, haben sich mein damaliger Freund und ich im Geschäft fast getrennt. Wir hatten die Wahl zwischen einem Trisa «Panino» für CHF 39.90, einem «Design-ich-bin-aus-Stahl-und-habe-doch-keinen-Markennamen» für CHF 79.90 und einem superhipen Toaster einer Marke, die ich hier wirklich nicht namentlich nennen möchte, für knapp etwas unter CHF 300. Für mich war klar, dass es für die 3 mal Toasten pro Jahr das günstigste, wenn auch hässlichste Modell sein würde. Er wollte den teuersten, den mit Designer-Markennamen. Ich habe gedroht, laut zu schreien, wenn ein anderer als der Günstigste gekauft würde. Ich habe gewonnen. Seither wohnt er bei mir, der Panino. Ich benutze ihn sogar öfter, weil ich rohes Fleisch auf Toast gerne mag. Und ja, er ist hässlich. Sehr sogar. Manchmal, wenn ich Gäste habe, schäme ich mich etwas für ihn, dann muss ich innere Dialoge führen, um zu ihm zu stehen. Aber er gibt auch nicht vor, mehr zu sein, als er ist. Es ist ein sehr ehrlicher Toaster. Darum gehört er zu mir. Und darum mag ich Alessi nicht. Alessiprodukte sind für mich nicht ehrlich und bescheiden, sie wollen immer etwas mehr hermachen, als sie eigentlich sind. Ich finde das unsympathisch. Ich mag diesen Zug auch an Menschen nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Ob Alessi trendy ist oder nicht, das sollte Ihnen dabei herzlich egal sein. Ich mag das Wort schon nicht. Man kann sich sogar fragen, ob «trendy» noch trendy ist und wenn man sich das fragen kann, dann kann mit dem Wort per se schon was nicht stimmen. Verstehen Sie, was ich meine? Es gefällt Ihnen, oder es gefällt Ihnen nicht. Alles andere muss Sie nicht kümmern. Alessi gibt's schon ewig und scheint demzufolge einem Trend zu entsprechen, ob das für Sie wichtig ist, kann ich nicht entscheiden. Für mich ist es das nicht.

Aber nun zu Ihrem Mann und Ihrer Schwiegermutter. Ihr Mann ist also begeistert von den Dingen, die da nun neuerdings funkelnd und glänzend in der Küche stehen. Gut. Das ist doch schön, immerhin kommen sie von seiner Mutter und er kommt ja schliesslich auch von seiner Mutter und da ist eine sachliche Kritikfähigkeit vielleicht etwas gar viel verlangt. Nun haben Sie die Wahl. Sie können sich mit beiden anlegen und dann andere Eierbecher kaufen. In einem Haushaltswarengeschäft, in dezentem weiss oder bunt gemischt im Brocki. Ja, das können Sie tun. Es wird Sie fürs Leben abhärten, jeden Morgen den vorwurfsvollen Blicken ihres Mannes ausgeliefert zu sein und vom trendy Brunch am Wochenende mit den Schwiegereltern will ich gar nicht erst reden.

Ich war so drauf, ich ging früher keinem gepflegten Konflikt aus dem Weg. Darum auch der Panino. Heute würde ich anders handeln. Weil ich weiss, dass sich ein Streit über Eierbecher und Toaster eigentlich nicht lohnt. Es gibt durchaus Themen, über die es sich sehr wohl zu streiten lohnt und davon nicht zu knapp. Ich werde Ihnen gerne eine Liste zusammenstellen, wenn es sie vom Alessigate ablenkt. Aber ich rate Ihnen wirklich, sehen Sie grosszügig darüber hinweg. Lassen Sie mit der Zeit das ein oder andere unauffällig verschwinden. Seien Sie glücklich darüber, jetzt das Recht zu haben, sich etwas anzuschaffen, was ihrem Mann auch nicht so gefällt. Es muss ja nicht gleich eine Sphynx-Katze sein.

 Viel Spass im neuen Heim! Ihre Kafi.

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Kafi Freitag (39) beantwortet auf ihrem Blog www.FragFrauFreitag.ch Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.ch.



Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (www.FreitagCoaching.ch) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie ist verheiratet und Mutter eines zehnjährigen Sohnes.



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