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Christliche Fundis wollen Schwule umpolen, nun formiert sich Widerstand

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Für Freikirchen und katholische Hardliner ist die Ehe für alle ein Graus. Sie würden die Homosexuellen lieber «therapieren».Bild: KEYSTONE
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Christliche Fundis wollen Schwule umpolen, doch nun formiert sich Widerstand

Die Assoziation der Schweizer Psychotherapeuten verurteilt die therapeutische Umpolung, der deutsche Gesundheitsminister will sie verbieten.
26.08.2019, 08:43
Hugo Stamm
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Die Bibel gibt in vielen religiösen und weltlichen Fragen den Tarif durch. Manche Anweisungen sind derart anachronistisch, dass selbst die Fundis sie nicht einhalten können, weil sie sich sonst strafbar machen würden. Wenn sie zum Beispiel eine Frau steinigen würden, die fremdgegangen ist, wie es im Buch Mose beschrieben wird. (Jesus «begnadigte» später zwar eine solche Frau, mahnte sie aber, nicht mehr zu sündigen.)

Auf eine solche «Begnadigung» können viele gläubige Homosexuelle aber nicht zählen. Für viele Freikirchen und katholische Fundis ist Homoerotik noch immer des Teufels. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie greifen bei homosexuellen Neigungen zwar nicht zum alttestamentarischen Mittel der Steinigung, rücken aber dem vermeintlichen Satan mit therapeutischen Rezepten zu Leibe. Kurz: Homosexuelle sollen mit Konversionstherapien («Umpolung») von ihrer «Abartigkeit» erlöst werden.

Entlarvung der Konversionstherapie.Video: YouTube/reporter

Gegen die Konversionstherapie regt sich nun «weltlicher» Widerstand. Psychologische Fachkreise ärgern sich, dass selbsternannte Therapeuten die Homosexualität als Krankheit deuten, die heilbar sei. Die Assoziation der Schweizer Psychotherapeuten (ASP) möchte die Therapien verbieten lassen, wie die NZZ kürzlich berichtete.

Die ASP schreibt, die betroffenen christlichen Kreise sollten dem «mittelalterlichen, religiös-dogmatischen Denken entsagen und anerkennen, dass Homosexualität keine Krankheit ist und also keiner Therapie bedarf».

Widerstand von der Politik

Widerstand kommt in Deutschland auch von der Politik. Gesundheitsminister Jens Spahn will die Konversionstherapien verbieten lassen.

Diese frommen «Therapeuten» vergewaltigen ihre homosexuellen Klienten psychisch und bringen die seriöse Psychotherapie in Verruf. Manche sind im frommen Verein Wüstenstrom engagiert, der in Deutschland und der Schweiz aktiv ist. Sie würden homosexuelle Gläubige am liebsten sexuell umpolen – und versuchen es auch. Die Schweizer Homepage ziert den bezeichnenden Titel: «Sexualität gestalten – Entscheidungen treffen».

Gesundheitsminister verlangt Therapieverbot gegen Homosexualität.Video: YouTube/tagesschau

Zum Thema «Beratung» schreibt Wüstenstrom: «Unser Ansatz fusst auf einem christlichen Menschenbild. Die selbständige Entfaltung der persönlichen Gottesbeziehung hat in der Beratung ihren Raum. [...] Basis unserer Arbeit ist ein auf therapeutischen und theologischen Grundlagen reflektierter Ansatz, der in Wüstenstrom Deutschland für den Bereich ‹Sexualität und Identität› entwickelt wurde.»

Ein Kapitel auf der Homepage trägt denn auch den Titel «Konversionstherapie». Es enthält viele Zitate aus Texten, die zu beweisen versuchen, dass die sexuelle Identität der Menschen nicht fixiert sei. Konkrete Therapieangebote werden aber nicht aufgeführt.

Früher homosexuell, nun Vater von zwei Kindern

Wüstenstrom Deutschland führt ihren Leiter und Theologen Rolf Rietmann als lebendes Beispiel für eine gelungene Konversion an. Er sei homosexuell gewesen und habe den Identitätswechsel geschafft. Heute sei er verheiratet und Vater zweier Kinder.

Dazu ist anzumerken, dass früher sehr viele Schwule aus gesellschaftlichen Gründen geheiratet und Kinder auf die Welt gestellt haben. Es ging ihnen meist darum, ihre Neigung zu verstecken und nicht ausgegrenzt und angefeindet zu werden.

Homosexuelle werden stigmatisiert

Die christlichen Fundis, die die Homosexualität aus religiöser Sicht interpretieren, stigmatisieren die betroffenen Gläubigen in mehrfacher Hinsicht. Sie suggerieren ihnen, sündig, von Gott abgefallen und vom Satan verführt zu sein. Dabei wird die Identitätsbildung gestört, und wenn alle Versuche scheitern, sie „umzupolen“ – was der Normalfall ist –, zerbrechen sie innerlich.

Die Liste der frommen Homosexuellen, die sich aus Angst und Verzweiflung das Leben genommen haben, ist lang. Mitschuldig sind all die frommen Christen, die an die Konversionstherapie glauben und in den Freikirchen diesen fatalen Mythos kultivieren.

Denn Homosexuelle, die die Konversion trotz allen Anstrengungen nicht schaffen, fühlen sich auf der ganzen Linie als Versager und von Gott fallengelassen. Dass sie im Gegensatz zu vielen Predigern, Pastoren und Vertretern von Wüstenstrom nicht verantwortlich für ihre sexuelle Neigung sind, konnten sie nicht erkennen.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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307 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Butschina
24.08.2019 09:29registriert August 2015
Eines vergessen viele Christen leider allzu oft. Es ist nicht ihre Aufgabe über etwas zu richten. Wieso ist es nur für viele so schwierig Homosexuelle Personen zu akzeptieren? Respekt, Akzeptanz und Liebe sind die wichtigsten Grundpfeiler miteinander zu leben.
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Ale Ice
24.08.2019 09:54registriert November 2017
Alles klar soweit?
Christliche Fundis wollen Schwule umpolen, doch nun formiert sich Widerstand
Alles klar soweit?
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Michele80
24.08.2019 08:41registriert April 2019
Irgendwie hab ich etwas Mühe mit dem verwendeten Begriff der "homosexuellen Neigungen". Eine Neigung steht meinem Verständnis nach entweder für "Vorliebe" oder für "Hang zu etwas haben". Beides find ich falsch im Bezug auf Homosexualität.
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