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Warum wir uns Gott als Magier in menschlicher Gestalt vorstellen

Zauberer Holzschnitt
Bild: shutterstock.com
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Warum wir uns Gott als Magier in menschlicher Gestalt vorstellen

Wir Menschen können nicht anders, als uns Gott als liebenden Vater zu denken.
20.01.2020, 09:37
Hugo Stamm
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Auch wenn sich die Kirchen leeren und viele nicht mehr an ihn glauben, so ist und bleibt der christliche Gott bei uns omnipräsent. Hunderte von Gotteshäusern im Land erinnern uns an ihn, vor allem wenn ihre Glocken läuten.

Auch ältere Leute machen mehrfach täglich mit ihrem «Grüess Gott» auf ihn aufmerksam. Das Schweizer Fernsehen beglückt uns wöchentlich mit dem «Wort zum Sonntag» und dem «Fenster zum Sonntag». Bei diesen Sendungen geht es fast immer um Gott. Und das Schweizer Radio lässt gern Kirchenglocken läuten – eine akustische Hommage an Gott.

Der monotheistische Gott prägt bis heute unsere Kultur und scheint sich in unseren Genen eingenistet zu haben. Während Kirchen offensichtlich eine Halbwertszeit haben, thront Gott weiterhin sicher auf seinem himmlischen Sessel.

Wie plausibel ist die Idee von einem allmächtigen und gütigen Gott?

Wir Menschen sind zerbrechliche Wesen und brauchen eine Vaterfigur. Unsere Fantasie sucht einen Ausweg aus dem Jammertal. Die beste Flucht aus dem Leid ist der Glaube an eine allmächtige Führungsgestalt, die ein Erlösungsrezept in der Hinterhand hält. Ein Magier, der Wunder bewirken und uns ein Leben nach dem Tod bescheren kann.

Die Vision von Gott soll uns Hoffnung, Zuversicht und Trost spenden. Vor allem in Zeiten von Leid und Not. Doch wie plausibel ist die Idee von einem allmächtigen und gütigen Gott? Hält die Vorstellung vom himmlischen Vater dem Faktencheck stand?

Zuerst stellt sich die Frage, weshalb Gott eine menschliche Gestalt aufweist. Zur Erinnerung: In der Bibel steht, Gott habe den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Ausserdem zeigt der Schöpfer menschliche Gefühle, wie die Bibel ebenfalls dokumentiert. Gefühle, die von Zorn und Aggressionen bis zur Zuneigung reichen.

Wir Menschen können Phänomene nur mit Worten und Begriffen beschreiben, die wir kennen. Das gilt auch für Ideen, die aus dem Reich des Übersinnlichen stammen.

Die Antwort ist ganz einfach: Wir Menschen können gar nicht anders, als uns Gott in menschlicher Gestalt vorzustellen. Unsere Fantasie zwingt uns dazu. Da wir Gott nicht hautnah erleben und nicht (be-) greifen können, müssen wir die Fantasie zu Hilfe nehmen. Weil wir seine Existenz weder wissenschaftlich noch empirisch nachweisen können, sind wir gezwungen, an ihn zu glauben. Glauben bedeutet denn auch, etwas für wahr zu halten.

Wir Menschen können Phänomene nur mit Worten und Begriffen beschreiben, die wir kennen. Das gilt auch für Ideen, die aus dem Reich der Fantasie oder des Übersinnlichen stammen. Und da wir das geistig höchstentwickelte Wesen sind, können wir nicht anders, als uns Gott in menschlicher Gestalt und mit menschlichen Wesenszügen vorzustellen.

Eine Predigt über Gott als liebenden Vater:

Ein Beispiel zur Veranschaulichung. Ich kann behaupten, dass das, was Gläubige als Gott bezeichnen, in Wahrheit Albradastoramilosanto ist. Das ist mindestens so plausibel wie der Glaube an einen göttlichen Vater in Menschengestalt. Wahrscheinlich sogar noch plausibler.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Gott eine menschliche Gestalt aufweist

Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass Gott – falls er existiert – eine menschliche Gestalt aufweist. Warum kommen wir nicht von Gott mit dem Rauschebart auf den Wolken los? Weil wir Menschen in Bildern und mit Vergleichen denken. Deshalb sind wir unfähig, uns einen allmächtigen Gott vorzustellen, der anders aussieht, anders «denkt», anders «fühlt», anders «handelt» als alles, was wir kennen.

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Ein göttliches Wesen übersteigt unsere Vorstellungskraft himmelweit. Deshalb können wir es nicht beschreiben. Deshalb ist mein «Gott» Albradastoramilosanto mindestens so «realitätsnah» wie der monotheistische Gott der Buchreligionen.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon Luther hat die Bilder aus der Kirche verbannt, weil die Gläubigen sich kein Bild von Gott machen sollen. Ähnlich verhält es sich beim Islam und Judentum. Die Juden sprechen sogar Gottes Namen nicht aus. Doch das sind nutzlose Dogmen oder eine Selbstüberlistung, weil wir eben nicht anders können, als uns Gott in menschlicher Gestalt vorzustellen.

Wenn Rinder einen Gott malen würden, hätte er Hufe

Dieses Dilemma kennt die Philosophie schon lang. Der griechische Philosoph Xenophanes hat es vor 2500 Jahren so formuliert: «Wenn aber die Rinder und Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke schaffen wie Menschen, so würden die Pferde die Götter abbilden und malen in der Gestalt von Pferden, die Rinder mit der Figur von Rindern. Sie würden solche Statuen meisseln, die ihrer eigenen Körpergestalt entsprechen.»

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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347 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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irgendwie so:
18.01.2020 08:08registriert Oktober 2016
Mir geht nach dem Lesen dieses Artikels vor allem eine Frage nicht mehr aus dem Kopf?

Weshalb wird die "Erfindung" (?) Gott auf ein Defizit zurückgeführt? Es gibt Menschen die glauben aus schierer Begeisterung für das Leben, für die Schöpfung an einen Gott, wollen irgendwo hin mit ihrer Freude, mit ihrer Dankbarkeit. Da kann Gott auch eine Antwort sein (muss nicht, aber kann).

Und man darf sich auch die Frage stellen, was für ein Menschenbild dahinter steckt, wenn man die Frage nach Gott mit einem Defizit begründet.
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Denverclan
18.01.2020 16:19registriert September 2016
Fakt ist, dass wir alle geboren werden, ob wir das wollen oder nicht. Fakt ist, dass wir alle sterben werden, ob wir das wollen oder nicht. Dazwischen ist das Leben. Fakt ist, keiner weiss wieso...Jedenfalls sind wir dieser Tatsache ausgeliefert, mit oder ohne Gott. Wir alle werden in diesem Leben nie eine absolute Gewissheit haben, wer und was sowie warum wir sind. Wir zerbrechen uns vergeblich über etwas den Kopf was wir nicht beeinflussen können, anstatt über Sachen die wir korrigieren könnten! Krone der Schöpfung ? Nein, niemals...
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Rene Goeckel
18.01.2020 16:02registriert Juni 2017
Ich habe einen anderen Verdacht. Der Mensch, wie alle Säugetiere, lebt in der Hierarchie. Priester, die in Gottes Namen (!) verkünden, erheben sich damit über das Fussvolk. Schliesslich stehen sie dem Chef ja näher als die Schäfchen. Somit ist ein Gott nichts anderes als ein Instrument der Selbsterhöhung. Was auch die Existenz der Kirche an sich erklärt. Wozu bräuchte ein existierender Gott Kirchen?
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Fuck you, Finn!
Valentina ist verliebt. Nicht in mich. In Finn. Der Loser der Situation: ich.

Valentina war endlich wieder Single. Also, sie war immer Single, aber eine Weile gab's ja neben mir noch einen anderen Typen, Marcel. Dass es Marcel gab, fand ich nicht gut, aber ich durfte es natürlich nicht «nicht gut» finden, weil, Valentina und ich haben ja keine monogame Beziehung, wir haben gar keine Beziehung, was wir beide gut finden, aber wir haben auch nicht nichts, was auch gut ist, aber wenn dann da noch so ein Horst, respektive Marcel, ist, dann ist, was wir haben, natürlich bisschen weniger gut. Aus verschiedenen Gründen. Sie war öfter, wenn ich sie treffen wollte, «busy». Was sie machte, sagte sie nie, musste sie auch nicht, wusste ich eh: Marcel. Sie war auch eher mal «zu müde». Warum, war mir ebenfalls klar. Ich fand die Situation, je länger sie gedauert hat, nicht besser, aber ich habe mich damit abgefunden.

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