In diesem Blog beobachte ich immer wieder ein Phänomen, das einen guten Einblick in die Gemütslage und Denkweise vieler Gläubigen gibt. Die gleichen Erfahrungen machte ich zuvor auch zehn Jahre lang bei meinem Blog beim Tages-Anzeiger. Man kann also schon fast von einer «Gesetzmässigkeit» sprechen.
Es geht um die Frage, wie manche Gläubige Skeptiker und Freigeister beurteilen und wie sie auf ihre Argumente reagieren. Wer die Kommentare hier regelmässig liest, kennt das Ritual: Wer religionskritische Kommentare abgibt, wird reflexartig als Atheist abgestempelt. Dabei schwingt der Unterton mit, Ungläubige seien geistig fehlgeleitet. Deshalb lohne es sich nicht, sie ernst zu nehmen oder ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.
Tatsächlich benutzen Strenggläubige den Begriff Atheismus als Schimpfwort. Kritiker oder Skeptiker sind in ihren Augen Gotteslästerer, denen ein ethisches oder moralisches Empfinden abgeht. Sie sind ausserdem von Satan verführt und wirken als Werkzeug des gefallenen Engels oder Fürsten der Dunkelheit.
Strenggläubige wagen es zwar selten, solche Gedanken öffentlich auszudrücken, doch wer sich in diesen religiösen Kreisen auskennt und ihre Denkweise und ihr Weltbild studiert, kommt zu diesem Schluss.
In ihren Augen ist allein schon Kritik an ihrem Glauben oder Gott Ketzerei. Statt sich auf eine Diskussion einzulassen und sachliche Argumente in die Diskussion zu werfen, wenden sie beleidigt ein, ihre religiösen Gefühle seien verletzt worden.
Sie glauben, dass ihre Umwelt ausnahmslos auf diese Gefühle Rücksicht nehmen müsse. Als sei das religiöse Empfinden ein besonderes Gut, das nicht angetastet werden dürfe.
Doch: Worin unterscheiden sich religiöse Gefühle vom säkularen oder alltäglichen Empfinden? Könnte beispielsweise ein Trump-Wähler nicht den gleichen «Gefühlsschutz» reklamieren, wenn sein Säulenheiliger massiv kritisiert oder beleidigend karikiert wird? Oder verteidigen fromme Christen ihre muslimischen Brüder, wenn diese wegen Mohamed-Karikaturen auf die Barrikaden gehen?
Die Dünnhäutigkeit vieler Gläubigen mutet eigenartig an. Im Alltag sind kritisches Denken und Vernunft absolut unabdingbar, um das Leben sinnvoll und verantwortungsbewusst gestalten zu können, denn Gutgläubige werden bekanntlich gern missbraucht oder über den Tisch gezogen. Deshalb gibt es Gesetze und Konsumentenschutz.
Beim Glauben soll hingegen alles anders sein, die alltäglichen Werte keine Gültigkeit mehr haben? Da werden kritisches Denken und logische Überlegungen als Kontrollinstanz oft als Sünde taxiert oder als Gotteslästerung empfunden. Als ob Gott es nicht aushalten würde, wenn er kritisiert wird.
Verräterisch ist diesbezüglich die Bibel, in der ein kindlicher Glaube propagiert wird. Man denke nur an die Aussage: «Selig sind die Armen im Geiste». Als hätten die Autoren der Bibel geahnt, dass die Menschen in 2000 Jahren die Widersprüche und Ungereimtheiten im Buch der Bücher einst analysieren könnten.
Dabei wäre ein kritischer Umgang mit religiösen Dogmen und Glaubensgemeinschaften besonders wichtig, weil es um hochsuggestive und sensible Bereiche geht, um das Höchste und Letzte. Nirgends ist nämlich die Gefahr der Manipulation, des Missbrauchs und der Indoktrination grösser.
Mit Gott und den vermeintlich heiligen Schriften wurde die Menschheit in der Geschichte zu oft drangsaliert und geknechtet. Und wird es teilweise heute noch. Man denke nur an die religiös legitimierten Kriege und Terroranschläge in der islamischen Welt.
Deshalb braucht es gerade im religiösen Milieu einen besonders kritischen Blick. Gottesbilder und Heilskonzepte müssen hinterfragt und zur Diskussion gestellt werden, um die Gefahr des Missbrauchs rechtzeitig zu erkennen.
Gläubige müssten kritischen Geistern und Skeptikern dankbar sein, dass sie den Finger auf die wunden Punkte legen und vor den Fallstricken warnen. Egal, ob sich die Warner als Theisten, Agnostiker, Skeptiker oder Atheisten verstehen.
Der Abwehrreflex bei vielen Gläubigen auf Kritik deutet darauf hin, dass sie selbst Glaubenszweifel haben und sich von diesen bedroht fühlen. Sie haben Angst, von kritischen Argumenten «verführt» und verunsichert werden. Deshalb wehren sie Kritik mit der Aussage ab, in ihren religiösen Gefühlen verletzt zu sein. Damit bauen sie sich selbst eine Falle.
Wenn ich die jahrelangen Aggressionen und teilweise den Hass betrachte, die mir in den letzten 40 Berufsjahren von Gläubigen aller Couleur entgegen geschlagen sind, frage ich mich, was es mit der sprichwörtlichen Gelassenheit auf sich hat, die ein tiefer Glaube bewirken soll.
Wer sich aber nur einen Moment mit der Entstehung der Bibel sowie deren pendants beschäftigt, die Entsehung von Leben, Evolution und das Entwickeln der Religionen studiert, der weiss leider bald, dass dies nur ein Luftschloss ist.. :/