Christoph Casetti, Bischofsvikar des Bistums Chur, ist vor einer Woche im Alter von 76 Jahren verstorben. Bekannt war der Geistliche nicht nur wegen seiner hohen Stellung in der konservativen Kirchenleitung, sondern auch wegen seinem Steckenpferd.
Casetti war nämlich das Aushängeschild unter den Schweizer Exorzisten. Als Gegenspieler des Satans focht er manchen Kampf gegen den Leibhaftigen aus. Statistiken gibt es nicht, doch er dürfte mehrere hundert Mal die Klinge mit dem Satan gekreuzt haben. Dabei kämpfte er nicht mit einem Samurai-Schwert, sondern mit dem Schwert des Glaubens.
Wie viele angeblich besessene Gläubige Casetti tatsächlich vom Satan befreit hat, wissen wir nicht. Hingegen ist klar, was für ein religiöses Weltbild der Geistliche pflegte. Denn wer exorzistisch unterwegs ist, muss an einen Dämon glauben, der auf der Erde sein Unwesen treibt, Gläubige verführt und im schlimmsten Fall in ihren Körper eindringt. Ein Horrorszenario aus dem Mittelalter, das bei Kindern traumatische Reaktionen auslösen kann.
Casetti spielte das Exorzismusritual gern herunter. Es handle sich vor allem um Segnungen und Gebete, sagte er. Nur: Der Vatikan hat das Ritual genau umschrieben. Es gibt den kleinen Exorzismus und für schwere Fälle den grossen. Diese dürfen nur Geistliche vollziehen, die die Ausbildung als Exorzist absolviert haben.
In Sachen Segnungen und Gebete sind alle Geistlichen ja bereits Experten. Deshalb müssen beim Exorzismus noch andere Aspekte eine Rolle spielen. Doch darüber schweigen die katholischen Exorzisten.
Casetti verriet in einem Interview immerhin, dass er den Besessenen und den offensichtlich anwesenden dämonischen Kräften das Kreuz zeige und diese auffordere, von den Bedrängten zu fliehen. Somit ist klar, dass die katholischen Exorzisten daran glauben, dass die teuflischen Mächte Besitz von uns Menschen ergreifen können. Und dies den angeblich Besessen glauben machen. Ein Irrsinn.
Der Satan war im Mittelalter das Synonym für das Böse. Er gab der Gier, der Aggression und dem Neid ein Gesicht. Die Geisteswissenschaften entlarvten inzwischen das Böse als psychologisches Phänomen, unter anderem hervorgerufen von Ängsten, strukturellen Zwängen und einem Machtdrang.
Das Böse entsteht also in unserer Mitte. Es fällt nicht von oben auf uns herab und steigt auch nicht aus der Hölle hoch. Psychologisch gesehen ist der Teufel eine Projektion.
Es ist fatal, psychische Probleme auf den Dämon zurückzuführen. Exorzismen können Ängste sogar verstärken und psychische Belastungen verschärfen. Bei Psychosen, vor allem bei Schizophrenie und Paranoia, besteht die Gefahr, dass Teufelsaustreibungen zu Traumen führen. Opfer müssten die katholische Kirche dafür wegen seelischer Grausamkeit verantwortlich machen und belangen können.
Italien scheint das Mutterland des Exorzismus zu sein. Laut Schätzungen katholischer Beratungsstellen suchen jedes Jahr Zehntausende Menschen Exorzisten auf. Und der inzwischen verstorbene Oberexorzist Pater Gabriele Amorth von der Diözese Rom behauptete vor ein paar Jahren, in den 21 Jahren seines Wirkens 70’000 Dämonen vertrieben zu haben.
Amorth war Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der internationalen Vereinigung der Exorzisten. In seinem Buch «Memoiren eines Exorzisten – Mein Kampf gegen den Satan» äusserte er die Überzeugung, der Satan sei heute aktiver denn je und versuche, die grösstmögliche Zahl von Seelen in den ewigen Tod zu treiben. Der Auftrag von Jesu Christi, Menschen von Dämonen zu befreien, sei so aktuell wie je.
Der Vorzeige-Exorzist offenbart damit ein fundamentalistisches religiöses Weltbild, bei dem der Satan ein reales Wesen und der Inbegriff des Bösen ist. Oder der Antichrist, der ausserhalb des Machteinflusses Gottes agiert und Besitz von Gläubigen ergreifen kann.
Da helfen Segnungen und Gebete kaum viel, wie der verstorbene Casetti und die übrigen Schweizer Exorzisten der Öffentlichkeit weismachen wollen. Gegen den Satan braucht es offensichtlich härteres Geschütz. Doch darüber schweigen die Teufelsaustreiber.
Die Nachfrage nach Exorzismus-Ritualen hat in den letzten Jahren zugenommen. Doch das hat nichts mit dem vermehrten Wüten des Satans zu tun, sondern mit den zunehmenden psychischen Belastungen in einer stets komplexeren Welt.
So suchen Gläubige mit Depressionen, Paranoia und anderen psychischen Krankheiten häufiger Hilfe bei Exorzisten statt bei Psychiatern und Therapeuten. Einer Person mit Verfolgungsängsten zu suggerieren, der Satan wüte in ihrem Körper, ist nicht nur dreist, sondern auch grausam.