Man kennt das Bild: ein Verwaltungsrat voller älterer Herren, graue Anzüge, graue Haare, graue Gedanken. Nicht unbedingt der Ort, an dem Innovation geboren wird – oder? Luca Ehrismann, mit Erfahrung im Executive Search, wollte es genauer wissen. In seiner Masterarbeit in Business Administration ging er der Frage auf den Grund, wie Verwaltungsräte zusammengesetzt sein sollten, damit in Unternehmen nicht nur Papiertiger, sondern echte Innovationen entstehen.
Ehrismann untersuchte unter anderem den Verwaltungsrat von Roche – einem der forschungsintensivsten Unternehmen der Schweiz. Allein 2023 meldete der Konzern 754 Patente an. Doch solche Spitzenwerte sind kein Zufall: Hinter innovativen Unternehmen stehen laut Ehrismann bestimmte Muster in der Zusammensetzung ihrer Führungsgremien.
Vier zentrale Faktoren machten laut der Studie den Unterschied:
1. Internationale Zusammensetzung
2. Technisch-naturwissenschaftliche Ausbildung
3. Ausgewogener Altersmix
4. Begrenzte Amtsdauer
Besonders der Altersfaktor sorgt für eine Überraschung: Ältere Verwaltungsratsmitglieder sind nicht innovationsfeindlich – im Gegenteil. «Am überraschendsten war, dass ältere Verwaltungsräte leicht innovationsfördernd wirken», so Ehrismann. Entscheidend sei allerdings die Mischung der Generationen, nicht ein Übergewicht auf einer Seite.
Ein weiteres überraschendes Ergebnis betrifft den Frauenanteil. Dieser lag bei den untersuchten Unternehmen im Schnitt bei 31 Prozent – bei einigen Gremien über 40 Prozent. Dennoch zeigte sich keine signifikant positive Korrelation zwischen Frauenanteil und Innovationskraft.
Heisst das, Diversität wirkt nicht? Nein – aber sie wirkt nur dann, wenn sie mit konkreten Kompetenzen verknüpft ist. «Diversität allein reicht nicht», sagt Ehrismann. Es gehe um Perspektivenvielfalt: Wer Diversität strategisch versteht – und über Geschlecht, Alter und Herkunft hinausdenkt – fördert Innovation am effektivsten.
Verwaltungsräte in der Schweiz sind oft auch politisch – es gibt etliche Politikerinnen und Politiker, die in solchen Gremien sitzen. Die politische Zusammensetzung hat Ehrismann nicht explizit untersucht. Sein Fokus lag auf Alter, Geschlecht, Nationalität und Bildungshintergrund. Allerdings wurde die Politik in den Interviews mit den befragten Mitgliedern einzelner Verwaltungsräte teilweise thematisiert. «Hier herrschte die Meinung vor, dass politisch geprägte Gremien oft zögerlicher bei disruptiven Innovationen sind», sagt Ehrismann.
Im internationalen Vergleich ist die Schweiz solide aufgestellt – besonders bei Forschungsausgaben und Patentanmeldungen. Trotzdem gibt es Luft nach oben: Regionen wie die Bay Area (USA) oder Baden-Württemberg setzen in Sachen Innovationskultur teils noch konsequenter auf Kompetenzvielfalt und Offenheit.
Braucht es mehr junge Köpfe in Verwaltungsräten oder profitieren Unternehmen gerade vom Erfahrungsschatz älterer Mitglieder? Teile deine Meinung gerne in den Kommentaren.