Ist eine Welt voller Elend und Leiden im Sinne von Gott?
Zwar glauben nur noch beinharte Freikirchler an die Mär von den sechs Tagen, doch an der Idee der Schöpfung Gottes halten alle Strenggläubigen fest. Da die Wissenschaft errechnet hat, dass die Erde rund vier Milliarden Jahre alt ist, wenden viele Christen einen Trick an. Sie interpretieren die sechs Tage als Metapher und sprechen vom «intelligent design».
Darunter verstehen sie einen genialen Schöpfer. Damit umschiffen sie den Begriff von Gott und dem klassischen Kreationismus. In Wirklichkeit sehen sie hinter dem intelligenten Schöpfer ihren Gott. Sie wollen nicht glauben, dass unsere komplexe und wunderbare Natur und alle Kreaturen über weite Strecken das Produkt von zufälligen physikalischen, chemischen und genetischen Prozessen sind.
Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es aber auch rein praktische Überlegungen, die die Schöpfungserzählung als unglaubwürdig erscheinen lassen. Denn die Lebewesen sind alles andere als perfekt, wie man es von einem allwissenden Gott erwarten dürfte, der uns Menschen laut Bibel als Krone der Schöpfung versteht und als seine «Kinder» bezeichnet.
Eine Welt der Unvollkommenheit
Ein paar Beispiele sollen zeigen, wie unvollkommen die Natur und die Lebewesen sind.
Beginnen wir bei uns Menschen. Es ist unbestritten, dass wir hochkomplex und wunderbar konstruiert sind. Allein die vielfältigen Prozesse erscheinen uns als Wunder. Geschweige denn der Aufbau und die Funktionen des Hirns und des Nervensystems.
Es stellt sich aber die Frage, weshalb unser Körper aus der Sicht der Gläubigen so komplex ist. Die vielen Abläufe und Prozesse machen ihn störanfällig und führen zu Fehlfunktionen. Das Resultat erleben wir regelmässig: Krankheiten, die im Extremfall mit schwerem Leiden und dem Tod verbunden sind.
Aus Sicht der Anhänger der Schöpfungslehre kann man sich fragen, weshalb Gott seine Geschöpfe so kompliziert und fehleranfällig kreiert und programmiert hat. Hätte es da nicht einfachere Modelle gegeben?
Kalorienarmer Orgasmus
Gott scheint sich auch vergriffen zu haben, als er uns die Triebe eingepflanzt hat. Sie stellen die entscheidenden Lebensenergien dar, die oft stärker als Vernunft und Mitgefühl sind und viel Unheil anrichten. So ist primär der Machttrieb für das Elend und die Kriege verantwortlich. Und dafür, dass täglich unzählige Frauen von triebgesteuerten Männern missbraucht werden. Es war keine gute Idee von Gott, uns Menschen - vor allem den Männern - den Sexualtrieb als schwer zu bändigende Energie einzupflanzen.
Wenn dieser Gott etwas weitsichtiger gewesen wäre, hätte er wohl einen Organismus konstruiert, der weniger Kalorien benötigt. Kämen wir beispielsweise mit wesentlich weniger Energie aus, um den Kreislauf auf Touren zu halten, müssten wir die Erde - ebenfalls von Gott geschaffen - weniger ausbeuten. Der Klimawandel wäre dann wohl kein Thema. Und es gäbe keine Hungersnöte.
Wenn Gott uns Menschen mehr am Herzen gelegen wäre, hätte er uns mehr Gerechtigkeitssinn eingepflanzt. Dann wäre die Welt ein besserer Ort.
Der christliche Gott hätte uns ausserdem als Pflanzenfresser programmierern können. Die Tierwelt würde es ihm danken. Das Klima auch.
Ebenso erweist sich die Schwerkraft als unheilvolles Phänomen. Praktisch alle Unfälle verdanken wir der Gravitation. Ohne diese könnten wir zwar nicht leben, doch ein allmächtiger Gott hätte sicher ein System schaffen können, das ohne sie auskommen würde.
Ein Blick ins Tierreich
Das gleiche gilt für Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben, Erdrutsche und Vulkane.
Auch im Tierreich lässt sich aufzeigen, dass die Schöpfung nicht harmonisch und vollkommen ist. Die Brutalität von manchen Tieren kann einem angeblich gerechten Gott nicht gefallen. So können die verschmusten Katzen, die oft friedlich schnurrend auf unserer Schoss sitzten, gefangene Mäuse lange Zeit quälen, bevor sie sie töten. Noch verstörender ist die Tatsache, dass Löwen, Schimpansen – unsere nächsten Verwandten –, Mäuse und Schlangen manchmal ihre eigenen Jungen töten und auffressen.
Natur und Lebewesen sind gleichzeitig grossartig und brutal. Diese Ambivalenz deutet nicht darauf hin, dass sie ein liebender Schöpfer gebaut hat. Somit gerät das klassische christliche Gottesbild ins Wanken.
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