Alle per Du und keine Chefs mehr – ist das die schöne, neue Arbeitswelt?
Das Konzept ist älter als man denkt. Der Philosoph Frithjof Bergmann ist der Begründer der New-Work-Bewegung und untersuchte Ende der 70-er Jahre die Arbeitskultur in den Ostblockstaaten. Sein Fazit: Der real existierende Sozialismus hat keine Zukunft. Als Gegenmodell schuf er New Work. Darunter verstand er Arbeit, die man wirklich will. «Die Sinnhaftigkeit der Arbeit und der Zusammenarbeit sind sehr wichtige Aspekte im Zusammenhang mit New Work», erklärt Expertin Hannah Instenberg.
Es gibt viele Definitionen von New Work. Häufig wird es als Sammelbegriff für alle Ideen verortet, die darauf abzielen, Arbeit weniger starr oder von oben herab zu gestalten. Das können selbstorganisierte Teams sein, das Duzen oder andere Formen der Mitbestimmung.
Reaktion auf komplexer werdende Welt
Mit der industriellen Revolution hat sich unsere Arbeitswelt verändert, Maschinen haben einen Teil der Aufgaben übernommen. Heute ist durch den technologischen Wandel mehr Flexibilität möglich und die Welt ist komplexer geworden. Darauf müsse reagiert werden, so Instenberg: «Damit meine ich nicht einfach die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, das ist längst überholt. Ein Unternehmen muss sich den komplexen Strukturen der Umwelt anpassen».
Wie Instenberg weiter ausführt, geht es bei New Work heute mehr um strukturelles und psychologisches Empowerment. Strukturelles Empowerment bezieht sich auf die Art und Weise, wie ein Unternehmen oder eine Institution organisiert ist, psychologisches Empowerment bezieht sich auf die Anliegen der Mitarbeitenden. New Work umfasst also viele Bereiche der Arbeitswelt, vom Arbeitsplatz über die Unternehmensstruktur bis hin zur Führung. Wie sehen zum Beispiel New-Work-Arbeitsplätze aus? «Ideal wären offene Strukturen. Wenn sich Mitarbeitende konzentrieren müssen, sollten ihnen zusätzlich abgeschlossene Arbeitsplätze, also Rückzugsorte, zur Verfügung stehen», erklärt Instenberg.
Was kommt nach den Chefs?
Anfang 2024 sorgte der Schweizer Versicherungskonzern AXA für Schlagzeilen. Die Zeitungen titelten etwa, dass der Konzern seine Chefs abschaffe. AXA selbst teilte mit, man wolle auf hochtrabende Titel verzichten und die Hierarchieebenen straffen. Neu soll es bei der AXA Job-level und Jobprofile geben.
Für Hannah Instenberg geht AXA damit konsequent den nächsten logischen Schritt. Agile Teams seien die Zukunft. Was kommt nach den Chefs? «Ideal wäre, wenn die Unternehmensleitung es den Teams überlässt, ob sie sich selbst organisieren wollen oder nicht. Wenn sich ein Team dafür entscheidet, kann es immer noch einen Verantwortlichen für die einzelnen Bereiche geben», erklärt Instenberg. In agilen Teams liege die Verantwortung also nicht mehr nur auf einer, sondern auf mehreren Schultern. Es gebe aber auch Mitarbeitende, die klare Strukturen bevorzugen und nicht mehr Verantwortung übernehmen wollen. Denen, die dazu bereit seien, sollten die Führungskräfte aber die Chance geben, fordert Instenberg: «Irgendwann muss man die Kinder auch mal laufen lassen. Mit einem eingespielten Team kann man das probieren».
Wie viele Unternehmen in der Schweiz haben bereits solche flachen Hierarchien? Instenberg: «Es gibt einige Unternehmen, die im Moment nach Teillösungen suchen. Ich würde sagen, dass wir uns in der Schweiz momentan in einer Testphase befinden».
Einige Unternehmen buchstabieren wieder zurück
Niemand will die militärischen Vorgesetzten zurück. Während AXA Titel abschafft, buchstabieren andere Unternehmen zurück. Sie holen zum Beispiel Mitarbeitende aus dem Homeoffice zurück ins Büro. Um sie besser kontrollieren zu können? Dazu Instenberg: «Vielleicht wurde das Vertrauen von einigen Mitarbeitenden missbraucht oder Arbeitgebende sind generell misstrauisch». Vor allem das Thema Vertrauen habe für Arbeitnehmende und Arbeitgebende in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. «Das betrifft alle Bereiche der Arbeit. Arbeitgebende müssen Vertrauen schenken und die Arbeitnehmenden müssen es sich erarbeiten. Vertrauen ist die Basis für ein gutes Arbeitsverhältnis», fasst Instenberg zusammen.
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Contentpartnerschaft mit FFHS
Die Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) bietet mit dem flexiblen Studienmodell «Blended Learning» die Möglichkeit, berufsbegleitend und weitgehend zeit- und ortsunabhängig zu studieren. Wie Unternehmen mit New-Work-Massnahmen fit für zukünftige Herausforderungen gemacht werden, erfahren die Studierenden an der FFHS im CAS New Organisational Developement. Die Weiterbildung setzt sich aus zwei Modulen zusammen und kann auch im Rahmen des MAS Arbeit 4.0 besucht werden.
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