Scrollen ohne liken – die Erschöpfung der passiven Nutzer
Auf die Idee für seine Bachelorarbeit kam Valon Ibraimi nicht durch eine Instagram-Story, sondern analog – durch ein Gespräch mit einem Neuropsychologen, der erklärte, wie stark Menschen mit neurologischen Verletzungen unter der digitalen Reizüberflutung leiden. Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, Erschöpfung. Nicht nur für Patientinnen und Patienten ein Thema, sondern potenziell für uns alle. Der Gedanke liess Ibraimi nicht mehr los und er fragte sich: «Wie wirkt sich Social Media eigentlich im Alltag auf die Psyche aus? Und sind wir nicht alle ein bisschen digital überfordert»?
Nicht die Jungen leiden am meisten
Ibraimi stellte in seiner Arbeit überraschenderweise fest, dass es nicht die jungen Menschen sind, die von der mentalen Erschöpfung am meisten betroffen sind. Die Generation, welche mit dem Handy in der Hand geboren wurde, scheint eine gewisse digitale Resilienz entwickelt zu haben. Anders formuliert: Wer nie ohne Social Media war, lässt sich offenbar davon weniger aus der Ruhe bringen.
Ein anderes Bild zeigt sich gemäss Ibraimi bei den etwas älteren Nutzerinnen und Nutzern. Sie berichten deutlich häufiger von emotionaler Erschöpfung. Der digitale Stress scheint mit dem Alter also zu steigen. Und vor allem Frauen zeigen gemäss der Bachelorarbeit signifikant höhere Belastungswerte. Mögliche Gründe dafür könnten sein, dass Frauen stärkere emotionale Interaktionen haben und sich mehr vergleichen.
Passive Nutzer können sich isoliert fühlen
Als passiver Nutzer gilt, wer auf den sozialen Plattformen wie Facebook, Instagram oder auch LinkedIn nicht likt, kommentiert oder keine eigenen Inhalte postet. Dieses passive Scrollen birgt gemäss dem Autor auch Gefahren: Wer passiv konsumiert, erhält weniger soziale Rückmeldung, erlebt weniger Interaktion und damit auch weniger Bestätigung. Die Folgen können Isolation, erhöhte Müdigkeit und mentale Erschöpfung sein. «Im Gegensatz dazu, kann aktive Nutzung, wenn sie sinnvoll ist, sogar das Wohlbefinden steigern. Nicht die Dauer macht den Unterschied, sondern die Art der Nutzung», erklärt Ibraimi.
Für die digitale Gesundheit sind schlussendlich alle selbst verantwortlich. Aber gegenüber Kindern und Jugendlichen sieht Ibraimi auch die Schule in der Pflicht – quasi vor und zu Beginn der intensiven Nutzung von sozialen Medien. «Medienkompetenz muss schon in der Schule vermittelt werden. Nicht nur wie man PowerPoints erstellt oder Fake News erkennt, sondern auch: Wie finde ich mein digitales Gleichgewicht? Wie schütze ich meine mentale Gesundheit online?»
Das Fach «digitale Selbstfürsorge» gibt es an Schweizer Schulen noch nicht. Aber vielleicht wäre genau das der nächste wichtige Schritt.
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