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Yonnihof
It's not the same in any language ...
18.03.2015, 13:1218.03.2015, 15:56
Heute las ich einen Artikel im Guardian: «Why are white people expats when the rest of us are immigrants?» (dt.: «Warum sind Weisse Auswanderer, während der Rest von uns Immigranten genannt wird?»).
Der Artikel dreht sich um die Tatsache, dass es in der englischen Sprache noch immer Wörter gibt, die allein für Weisse reserviert sind und auch im 21. Jahrhundert die Hierarchie wiederspiegeln, die zwischen weissen Menschen und Menschen aller anderen Rassen für sehr lange Zeit geherrscht hat (und z.T. noch immer herrscht).
Böses Englisch, mag man sagen. Skandal! Aber ist’s bei uns anders?
Nicht wirklich. Wir haben einfach keinen fixen Begriff wie «Expat». Es läuft bei uns aber aufs Gleiche hinaus. Ein Ausländer ist nicht ein Ausländer.
Ein Amerikaner ist ein Amerikaner. Ein Brite ist ein Brite. Ein Schwede ist ein Schwede. «Ausländer» sind alle, die aus Ländern kommen, die (süd-) östlich der Schweiz liegen, die eine Sprache sprechen, die wir nicht verstehen und die mit einem Turban annähernd Ähnlichkeit mit Osama bin Laden haben. Es sind diejenigen, die unserem Land in den Augen vieler keinen «offensichtlichen Mehrwert» bringen. Genau wie der englische Term «Immigrant» hat «Ausländer» einen negativen Beigeschmack, obwohl x-tausende Menschen damit zusammengefasst werden, die unser Land massgeblich mitprägen und zu dem machen, was es ist.
Das Ausländer-Beispiel ist aber in der deutschen Sprache nicht allein.
Ein weiteres Beispiel ist ein junger Mensch, der Party macht, es sich gut gehen lässt und dabei sexuell mit vielen Mitgliedern des andern Geschlechts rumexperimentiert. Handelt es sich dabei um einen Typen, ist er ein Held. High 5, Dude! LEGÄNDE, MANN!
Handelt es sich um eine junge Frau, dauert es nicht lange und sie ist eine ... Na? Genau, eine Schlampe.
Auch hier ist es die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die darüber entscheidet, ob man ein Held oder eine Schlampe ist. Ein Überflieger oder eine Gefallene. Und dieser Ruf haftet den Betroffenen dann jahrelang an.
Bei den Geschlechtern geht’s aber auch andersrum. Eine Frau, die zu ihren Gefühlen steht und diese auch äussert, ist herzlich oder «mit sich im Reinen». Ein Mann, der dasselbe tut? Der ist eine Pussy, ein Weichei.
Mit diesen unterschiedlichen Begrifflichkeiten machen wir es den verschiedenen Gruppen unglaublich schwer, so zu sein, wie sie es wollen, bzw. so zu sein, wie sie halt sind.
Der Kosovoalbaner kann noch so hart arbeiten und sich integrieren: Er ist und bleibt «halt en Ussländer». Wenn er Schwein hat, bringt er’s noch zum «guet integrierte Ussländer». Ich persönlich würde dafür plädieren, dass man, um von ihm zu reden, einfach seinen Vor- und Nachnamen verwendet. Dafür sind sie nämlich da.
Auch was das sexuelle Ausprobieren und -leben angeht, sollte man allen jungen (oder auch nicht mehr so jungen) Menschen dieselben Freiheiten zugestehen, ohne dass die eine Gruppe im Nachhinein gezwungen ist, mit Stigmata wie «Hure» oder «Schlampe» durchs Leben zu gehen, während das männliche Pendant mit demselben Verhalten zum Oberchef der sozialen Hackordnung avanciert. Wenn wir schon alle so ganz weltoffen am Sonntagnachmittag einer pseudopornographischen Bondage-Romanze im Kino hinterhersabbern, sollten wir den jungen Frauen heute auch zugestehen, ihre Sexualität genau so zu leben, wie sie das für richtig halten.
Zuletzt bleibt noch diese unsägliche Pussy-Weichei-Geschichte. Ich weiss nicht genau, wie ein Mann oder auch eine Frau darauf kommt, einen anderen Mann als minderwertig oder schwach abzustempeln, weil er ab und an in sich hineinhört oder sagt, was er fühlt. Gerade, wenn man sich mit einer Welt voller solcher Rüpel konfrontiert sieht, braucht es nämlich mächtig Eier, sich selber treu zu bleiben und sich nicht in diese seltsamen Alphatier-Ugga-Ugga-Schemata hineinzugeben. So gesehen verdient das «Weichei» unseren Respekt eigentlich viel eher als der Rüpel, der den Stereotypen eines «Badass» entspricht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es wichtig ist, dass wir unsere Sprache nicht unsere Gedanken definieren lassen und dass wir Gleichem auch den gleichen Namen geben. So lässt sich die Diskriminierung einzelner Gruppen (wenigstens zum Teil) schon im Keim ersticken.
Yonni Meyer
Yonni Meyer schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen –direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt.
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