Worüber schreibt man nach Geschehnissen wie denen in Paris, wenn man irgendwann nicht mehr über die Geschehnisse in Paris schreiben möchte? Was für ein Thema wählt man als Autorin, die regelmässig für ein Newsportal offen ihre Meinung schreibt, nachdem die Welt für Menschen, die offen ihre Meinung äussern, gerade aufs Übelste durchgeschüttelt wurde?
Schreibt man humorvoll, weil Humor ja ist, «wenn man trotzdem lacht»? Schreibt man über den Alltag, der ja trotzdem weiter existiert? Schreibt man über das ungute Gefühl im Bauch?
Gibt es einen Weg zurück? Und will man ihn überhaupt betreten? Kann Normalität eintreten, bzw. soll sie wieder eintreten?
Fakt ist: Sie wird eintreten. Die Frage ist doch: in welcher Form?
Oft las ich in den letzten Tagen den Vorwurf, wer sich heute solidarisiere, werde die Geschehnisse vom Mittwoch in drei Wochen schon wieder vergessen haben. Und da ist unbestritten ein Stück Wahrheit dran. Man kann das aber umkehren und sagen: Wenn wir solche Ereignisse nicht irgendwann in unseren Langzeitspeicher verschieben würden, müssten wir jeden Tag um jeden Krieg, um jeden Anschlag, um jedes verlorene Leben trauern. Das können wir nicht und es ist unsinnig, das von uns selbst zu verlangen.
Was wir aber tun können – und ich glaube, das ist für mich persönlich die Quintessenz, die ich aus der Solidaritätswelle für «Charlie Hebdo» ziehen möchte – ist unsere Blickweise zu überdenken. Unseren Alltag. Genauso wie Krieg beginnt nämlich auch Frieden im Kleinen, bei jedem Einzelnen.
Wir sollten uns überlegen, wer wir sein wollen angesichts dieser neuen Realität. Und es ist zweifellos eine neue Realität. Es wird nun für immer den 7. Januar geben und in einem Jahr und in zwei Jahren und in fünf Jahren wird die Tagesschau am 7. Januar vom Jahrestag des «Anschlags von Paris» berichten und den Konsequenzen, die er hatte, die wir heute noch nicht abschätzen können. Und wir werden uns erinnern, wo wir gerade waren, als wir davon erfuhren und zu einander sagen: «Läck, isch das scho foif Jahr her?»
Vielleicht müssen wir einen neuen Umgang miteinander lernen, doch das ist einfacher gesagt als getan, gerade wenn – wie jetzt – Angst mit im Spiel ist. Vielleicht müssen wir genauer hinschauen lernen, auch ausserhalb der Komfortzone, in der wir uns so bequem eingerichtet haben. Die Langzeitkonsequenzen, die wir ziehen, können auch still und leise und nur für uns selber ersichtlich sein.
Wichtig ist in meinen Augen jedoch trotzdem, dass wir hier und heute eines laut und deutlich sagen: NEIN!
Nein zu Gewalt. Nein zu solch feigen Anschlägen. Und zwar, wie Deniz Yücel in seinem Kommentar für die TAZ sagt, ohne «aber». «Die Anschläge waren schlimm, aber ...». Kein Aber!
Ich bin nicht die Erste, die das sagt, aber das Hinrichten von zwölf Menschen ist durch keinen verletzten Glauben, durch keine verspottete Ideologie zu rechtfertigen. Und doch, Frau Leuthard, Satire ist ein Freipass. Ein Freipass fürs Nicht-Ermordet-Werden schon allemal.
Von diesen Ereignissen muss sich nicht die muslimische Welt distanzieren – nein, die Welt muss sich davon distanzieren. Jede/r Einzelne von uns. Wie wir das machen, ist uns selber überlassen.
Tatsache ist: Einen Weg zurück gibt es nicht. Aber einen nach vorn, in eine neue Form der Normalität. Es ist nun an uns, sie zu gestalten.