Die Liste verstärkt den Eindruck, dass die NSA auch vor Staaten nicht halt macht, die mit den USA befreundet sind. Zwar spähe der Geheimdienst nicht zwingend alle genannten Staaten aus, merkte die «Washington Post» an. Die NSA habe dafür aber auf jeden Fall die nötigen rechtlichen Befugnisse.
Ausgenommen von der möglichen Überwachung durch die US-Dienste sind den Angaben zufolge nur jene vier englischsprachigen Staaten, mit denen sich Washington zum Spionagebündnis «Five Eyes» («Fünf Augen») zusammengeschlossen hat: Grossbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland.
Der Bericht der «Washington Post» widerspricht damit der Aussage von US-Präsident Barack Obama, dass die USA mit «keinem unserer engsten Partner» einen Spionageverzicht vereinbart hätten. Mit dieser Begründung hatte das Weisse Haus die deutschen Forderungen nach einem «No-Spy-Abkommen» abgewiesen.
Im vergangenen Herbst hatte ein Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» enthüllt, dass die NSA über Jahre das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört hatte. Auch andere Staats- und Regierungschefs von mit den USA verbündeten Staaten wurden offenbar ausspioniert.
Obamas Regierung erklärte daraufhin, die Kommunikation der Kanzlerin nicht mehr zu überwachen. Allerdings berichtete die «Bild am Sonntag» Anfang des Jahres, dass die US-Geheimdienste nun verstärkt das Umfeld der deutschen Regierungschefin belauschen würden.
Nach Informationen der «Washington Post» räumte das Geheimgericht FISC der NSA nicht nur das Recht ein, die Geschehnisse innerhalb der Regierungen auszuspähen, sondern auch die Kommunikation über «ausländische Mächte» abzufangen und auszuwerten.
«Diese Wortwahl könnte die Überwachung von Wissenschaftern, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten ermöglichen», schreibt die Zeitung, die sich auf Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden beruft.
Ziele sind demnach neben den 193 Staaten auch die Europäische Union, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Internationale Atomenergiebehörde.
Vergangenen Freitag hatte die NSA in ihrem ersten Bericht zu ihrer Internet- und Telefonüberwachung erklärt, im vergangenen Jahr gut 89'000 ausländische «Ziele» überwacht zu haben. Ein «Ziel» kann dabei neben Einzelpersonen auch eine Gruppe von Menschen oder eine Organisation sein.
Der US-Geheimdienst soll nicht nur ausländische Regierungen ins Visier nehmen, sondern auf der Suche nach Terrorverdächtigen auch die Internetkommunikation von unbescholtenen Bürgern rund um die Welt überwachen. (sda/afp)