Zunächst schien die «Alternative für Deutschland» (AfD) ein Widerspruch in den Begriffen zu sein. Die Aushängeschilder der AfD sind nicht mit einem Übermass an Charisma gesegnet: Parteigründer Bernd Lucke etwa ist ein trockener Hamburger Wirtschaftsprofessor mit Hang zur Rechthaberei. Als ehemaliger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ist Hans Olaf Henkel kein Volksvertreter, sondern ein Repräsentant der Wirtschaft – und auch nicht mehr der Jüngste.
Vor den letzten Bundestagswahlen wurde daher überall Entwarnung gegeben. Für die Rechtspopulisten sei Deutschland ein hartes Pflaster, hiess es. Der Hitler-Schock habe die Deutschen immun gemacht. Ausser ein paar Ewiggestrigen in der ehemaligen DDR, die nach wie vor NPD wählen, seien die Deutschen geheilt von Nationalismus und die AfD ein Phänomen mit kurzer Halbwertszeit.
Zunächst schien diese Prognose aufzugehen. Die AfD verpasste den Einzug ins Bundesparlament, wenn auch nur knapp. Jetzt aber zeichnet sich eine Wende ab. Schon bei den Europawahlen im Mai hat die AfD weit besser als erwartet abgeschnitten. Bei den Landtagswahlen nun kam es zu einem eigentlichen Höhenflug: In Thüringen, Brandenburg und Sachsen hat die AfD voll auf den Kampf gegen kriminelle Ausländer und gegen Europa gesetzt – und gewonnen.
Doch vorneweg: Die jüngsten Erfolge der AfD mit Hitlers Aufstieg zu vergleichen, wäre absurd und eine Verharmlosung der ungeheuren Nazi-Verbrechen. Sie sind aber auch nicht trivial. Das gilt zunächst für die Innenpolitik. Nachdem es Angela Merkel gelungen ist, zusammen mit der CSU die politische Mitte gegen rechts abzuschotten, gerät sie jetzt zunehmend unter Druck.
Bereits zitiert die «Bild»-Zeitung aus einem CDU-internen Manifest, in dem ein Kurswechsel gefordert wird. Die AfD zu ignorieren sei ein Fehlschlag gewesen und diese Strategie müsse überdacht werden. In der CSU zieht der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer ebenfalls gegen Ausländer und Brüssel vom Leder.
Bedrohlich sind die AfD-Erfolge jedoch vor allem vor dem Hintergrund der Europapolitik. Zwei Jahre herrschte mehr oder weniger Ruhe. Der im Herbst 2012 von vielen erwartete Kollaps des Euro ist nicht eingetroffen. Nun aber spitzt sich die Lage erneut bedrohlich zu. Die europäische Wirtschaft stagniert, und die Krise in der Ukraine setzt auch Deutschland zu. In Italien herrscht wieder Rezession und neuerdings auch eine leichte Deflation. Frankreich hat einmal mehr die Einhaltung der Schuldenkriterien des Maastricht-Vertrages verschoben, diesmal auf 2017.
Die von Deutschland verordnete Austeritätspolitik hat auf der ganzen Linie versagt. Bisher konnte Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), mit seiner Geldpolitik und dem Versprechen, alles zu unternehmen, um den Euro zu retten, das Schlimmste verhindern. Doch auch die EZB ist am Ende ihres Lateins.
Vor ein paar Wochen hat Draghi am jährlichen Treffen der Zentralbanker in Jackson Hole einen Kurswechsel in Richtung angelsächsische Geldpolitik angedeutet. Wie die US-Notenbank, die Fed, möchte auch Draghi die Härten einer Austeritätspolitik mit einer weichen Geldpolitik kompensieren. In den USA hat dies zumindest teilweise geklappt, die amerikanische Wirtschaft hat sich deutlich besser von der Finanzkrise erholt als die europäische.
Auf dem alten Kontinent hingegen ist dieses Zusammenspiel von Zentralbank und Fiskalpolitik nicht möglich. Schuld daran ist der Widerstand aus Deutschland. Konservative deutsche Kreise wehren sich vehement dagegen, dass die EZB eine Politik des quantitativen Easing nach dem Vorbild der Fed betreibt. Das würde zu einer Vergemeinschaftung der Schulden und zu einem Inflationsschub führen, argumentieren sie.
Beides fürchten die konservativen Deutschen wie der Teufel das Weihwasser. Sie haben daher gegen Draghis Geldpolitik beim deutschen Verfassungsgericht geklagt – und Recht bekommen. Die Karlsruher Richter haben sich allerdings mit einem Trick aus der Affäre gezogen: Sie haben sich für unzuständig erklärt und die heisse Kartoffel an den Europäischen Gerichtshof weitergereicht.
Aktuell sieht die Lage in Europa wie folgt aus: Draghi hat mit seiner Geldpolitik einen Kollaps verhindern können – auf geradezu wundersame Weise, muss man heute feststellen. Doch dieses Glück ist wohl vorbei: Die bedrohliche Lage Italiens und Frankreichs machen einen Kurswechsel zwingend nötig. Europa wird sich nicht mehr länger mit geldpolitischen Tricks und juristischen Haarspaltereien durchwursteln können.
Ein Kurswechsel bedeutet jedoch eine Abkehr von der Austeritätspolitik. Das wird in Deutschland zu einem Protestgeheul der Konservativen führen – und zu weiteren Erfolgen der AfD. Schliesslich hat sie als erste den Kampf gegen den Euro auf ihre Fahnen geschrieben und damit das Terrain besetzt.
Bisher ist es dem Duo Draghi/Merkel gelungen, eine im Prinzip undurchführbare Politik durchzuziehen. Ob dies noch lange möglich sein wird, ist fraglich. Dabei geht es um sehr viel, paradoxerweise gerade für Deutschland. Der Euro wird nicht primär von der EZB zusammengehalten, sondern von der Einsicht, dass ein Kollaps der Einheitswährung katastrophale Folgen haben könnte.
Allein die Verluste Deutschlands hat der sehr einflussreiche und konservative Ökonom Hans-Werner Sinn auf eine Höhe von mindestens einer Billion Euro geschätzt. Ein Euro-Crash würde zu wirtschaftlichen Streitereien der übelsten Art führen. Wer schuldet wem wie viel und in welcher Währung? Es wäre ein Albtraum, der zwangsläufig heftigste politische Streitereien zur Folge haben müsste.
Vor allem bestünde dann die Gefahr, dass sich Deutschland, Frankreich und Italien wieder in die Haare geraten würden, etwas, das sich aus historischer Sicht niemand wünschen mag. Der Zweite Weltkrieg sei das «grösste von Menschen verursachte Desaster in der Geschichte», schreibt Antony Beevor in seinem soeben auf Deutsch erschienenen, gleichnamigen Meisterwerk.
Die Faszination hält an. Bis heute sind die Folgen dieser Katastrophe nicht verdaut. In Griechenland und Italien wird bei Protestmärschen gegen die deutsche Sparpolitik Angela Merkel regelmässig in Nazimontur gezeigt. Umgekehrt werden in deutschen Postillen die alten Vorurteile gegen die angeblich faulen Südländer wieder aufgewärmt. Die Geister des Zweiten Weltkrieges sind noch längst nicht tot. Europa ist auf einem Kurs, der die Zombies des Nationalismus wieder zu erwecken droht.
EU- und vor allem Euro-Kritik ist durchaus berechtigt und auch im linken Lager vertreten. Ich selber habe so meine Mühe mit der Währungsunion. Auch dass wir Probleme mit einer Minderheit(!) der Migranten haben, ist bekannt. Migrationskritiker sind nicht automatisch Neo-Nazis. Wo es aber klar eine Grenze zu ziehen gilt und jetzt bin ich vor allem in der Schweiz, ist wenn Parteien damit anfangen die Menschenrechte anzugreiffen, Menschen zu klassifizieren und Menschen mit Füssen zu treten, denen es nicht so gut geht. Hinter der vorgeschobenen EU- und Ausländerkritik verbergen sich teils faschistoide Tendenzen. Auch hier kann man nicht generalisieren aber wer diesen Umstand komplett von der Hand weist, begeht einen kapitalen Fehler.
Noch etwas zu den Medien. Medien sind nicht links. Nur weil die SVP das gebetsmühlenartig predigt wird es nicht wahrer. Medien gehören zu den Volksmanövrierwerkzeugen der herrschenden Klasse und die ist in der Schweiz wie Deutschland sehr bürgerlich. Natürlich gibt es linke Journalisten und deren Artikel werden einen eher aufgeklärt linken Einschlag haben. Was aber in den Massenmedien generell publiziert wird ist nicht ansatzweise links. Als klar links kann nur die WOZ bezeichnet werden. Sogar das SRF ist in der Berichterstatung (nicht zwingend in ibren Sendeformaten) neutral. NZZ (FDP-Zeitung), BAZ (Blocher), 20 Minuten, Blick, Blick am Abend, SonntagsZeitung ja sogar der Tagi sind im Kern bürgerlich und behandeln nur marginal echte linke Themen. Die Weltwoche ist ein SVP-Propagandablatt und hat noch nie neutral berichtet.
Und noch ein letzter Satz: auch wenn Herr Löpfe wohl einen linken Einschlag hat, ist nicht jeder der den Kapitalismus kritisiert ein Linker. Ich kenne manche Wirtschaftsprofessoren, Ökonomen und sogar ehemalige CEOs, die kritisch sind und nicht ansetzweise links. Es gibt nicht nur die Achse links/rechts sondern eine Ebene darüber. Diese ist schwer festzumachen weil sie von links nach rechts nicht eingeordnet werden kann. Auch sollte man sich bewusst sein, dass ein Mensch nicht neutral sein kann. Ich weiss dass sich das viele gerne einreden. Vor allem in der Schweiz. Jeder Mensch hat aber seine Erfahrungswerte, Interessen, Bildung und soziales Umfeld. Davon werden wir geprägt und beeinflusst. Neutral gibt es nicht.
Wie argumentieren Sie, wenn wirklich braunes Gedankengut verbreitet wird? Das Pulver haben Sie dann bereits verschossen.