Apple gibt seinen Kunden eine einfache Möglichkeit, das Nachverfolgen ihres Verhaltens quer über verschiedene Apps und Websites zu stoppen. Anbieter von iPhone-Apps müssen Nutzer künftig dafür ausdrücklich um Erlaubnis fragen. Die Analyse-Firma App Annie geht davon aus, dass 90 Prozent der Nutzer dieses Tracking ablehnen werden.
Vor diesem Hintergrund treffen die Massnahmen auf Widerstand in der Werbe-Welt. Facebook warnte schon seit Monaten, sie würden vor allem kleine und mittlere Unternehmen treffen, die insbesondere in der Corona-Pandemie auf personalisierte Werbung bei dem Online-Netzwerk angewiesen seien.
Am Montag warfen mehrere deutsche Verbände aus der Werbe- und Medienbranche Apple unfairen Wettbewerb vor und reichten eine Beschwerde beim Bundeskartellamt ein. Die Klage prognostiziert einen 60-prozentigen Rückgang der Werbeeinnahmen für App-Entwickler.
Apple betont dagegen: «Wir glauben, dass Privatsphäre ein grundlegendes Menschenrecht ist.» Die Daten gehörten den Nutzern, «und sie sollten selbst entscheiden können, wie ihre Daten verwendet werden und von wem». Man habe Unterstützung von Behörden und Datenschützern für die Funktion bekommen. Die Daten der Nutzer auf den Geräten seien immer reichhaltiger und persönlicher geworden.
Die schon im Sommer 2020 angekündigte «App Tracking Transparency» (ATT) greift mit der iPhone-Systemversion iOS 14.5, die am Montag veröffentlicht wurde.
Damit App-Anbieter einen Nutzer zur Personalisierung der Werbung erkennen können, haben Apple-Geräte eine spezielle Kennnummer, die IDFA. Künftig werden App-Anbieter die Nutzer ausdrücklich um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie auf diese Werbe-ID zugreifen wollen. Nutzer können in den Einstellungen auch mit einem einzigen Schalter alle Tracking-Anfragen blockieren.
Mit #iOS14.5 müssen Apps den Nutzer fragen, ob sie tracken dürfen. Ihr könnt die Einstellung auch komplett deaktivieren: pic.twitter.com/BqEAqvstSt
— Tibor Martini (@tibor) April 26, 2021
Die Verbände kritisieren, der Konzern schliesse «faktisch alle Wettbewerber von der Verarbeitung kommerziell relevanter Daten im Apple-Ökosystem aus». Gleichzeitig nehme Apple seine eigenen Dienste jedoch von den geplanten Änderungen aus und sammle selbst erhebliche Mengen Nutzerdaten.
Der für Datenschutz bei Nutzern zuständige Apple-Manager Erik Neuenschwander konterte: «ATT gilt gleichermassen für alle Entwickler weltweit - und das schliesst auch Apple mit ein.» Es gebe auch Wege, Werbung effizienter zu platzieren und ihren Effekt zu messen, ohne einzelnen Nutzern zu folgen, betonte Neuenschwander. App-Entwickler können zugleich nach wie vor mit Einverständnis der Nutzer Daten aus der eigenen Anwendung verarbeiten.
Apple baut seit Jahren in Konkurrenz zu Google, Facebook, Amazon, Microsoft und anderen ein eigenes Werbenetzwerk auf. Kürzlich wurde bekannt, dass Apple plant, die Werbemöglichkeiten für App-Anbieter im App Store auszuweiten. Beim neuen Tracking-Schutz geht es auch um die Verteilung der Werbeeinnahmen.
Im letzten November schrieb Facebook: «Die Wahrheit ist, dass Apple sein Geschäft auf Werbung ausgeweitet hat und durch seine bevorstehenden iOS-14-Änderungen versucht, das freie Internet in kostenpflichtige Anwendungen und Dienste zu verlagern, von denen sie profitieren. Infolgedessen nutzen sie ihre marktbeherrschende Stellung aus, um ihre eigene Datensammlung selbst zu bevorzugen, während sie es ihren Konkurrenten fast unmöglich machen, dieselben Daten zu verwenden. Sie behaupten, es ginge um die Privatsphäre, aber es geht um Profit.»
Einigen Datenschützern geht Apples neuer Tracking-Schutz indes zu wenig weit. Sie fordern, dass die IDFA (persönliche Kennnummer) nicht nur eingeschränkt, sondern dauerhaft gelöscht werden soll. Die Zukunft müsse trackerfrei sein. Eine Gruppe von Datenschutzaktivisten um Max Schrems hatte deshalb im November 2020 Beschwerde gegen den US-Konzern eingereicht.
Die Datenschützer sind der Meinung, dass Apple auch mit dem neuen Tracking-Schutz gegen die Datenschutz-Vorgaben der EU verstossen würde, denn die anfängliche Speicherung der IDFA und deren Nutzung durch Apple selbst würde auch nach der Verbesserung des Datenschutzes nach wie vor ohne die Zustimmung der Benutzerinnen erfolgen und damit gegen EU-Recht verstossen.
Nach dem Update auf die iPhone-Software iOS 14.5 überprüft das System die Datenschutzeinstellung einer App, sobald die Anwendung zum ersten Mal oder nach einer Aktualisierung geöffnet wird. Die Anwender werden dann über eine von Apple kontrollierte Schnittstelle gefragt, ob ein Tracking tatsächlich erwünscht ist. Die Anbieter der App können in der Abfragebox kurz begründen, warum sie eine Einwilligung zu Tracking haben möchten und welche Vorteile sich dadurch für die Nutzer ergeben.
Apple führt das ATT-Verfahren nicht nur auf dem iPhone ein, sondern auch auf dem Tablet (iPadOS 14) und Apple TV (tvOS 14). Aussen vor bleiben die Macintosh-Rechner von Apple, weil dort Software auch frei, ausserhalb des App-Stores von Apple installiert werden kann. Zugleich stellte Neuenschwander ohne konkrete Details für die Zukunft auch Verbesserungen beim Schutz der Privatsphäre auf dem Mac in Aussicht.
Die Einführung des App-Tracking-Schutzes ist Teil einer umfassenden PR-Strategie von Apple. Seit Anfang Dezember müssen App-Anbieter beim erstmaligen Einreichen oder einer Aktualisierung ihrer Anwendung auch ein sogenanntes Datenschutzlabel veröffentlichen. Dort werden ähnlich wie auf den Zutatenlisten für Lebensmittel sämtliche Datentypen aufgelistet, die eine App vom Anwender erfassen möchte, beispielsweise Standortdaten, den Browser-Verlauf oder die Kontaktdaten. Apple verlässt sich bei diesen Datenschutzetiketten auf die Angaben der Entwickler, überprüft sie also nicht. Kritiker monieren, das Label sei gute PR, der Nutzen indes fragwürdig.
(oli/sda/awp/dpa)
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