«Neptune Duo»
Simon Tian will eine Branche auf den Kopf stellen. Sein «Neptune Duo» bringt alle Handy-Funktionen ans Handgelenk, das Zusatzgerät in der Hosentasche ist nur noch Beiwerk. Die Entwicklung des 20-Jährigen steht für einen Technik-Trend.
23.02.2015, 10:2223.02.2015, 10:44
Christian Stöcker
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Die am Ende wohl entscheidende Information steht ganz rechts unten auf der Website. «Erwartete Lieferung: Ende 2015» steht da. Es wird sich also binnen einiger Monate entscheiden, ob Simon Tian halten kann, was er verspricht. Der 20-Jährige hat grosse Pläne: Er will die Smartphone-Branche auf den Kopf stellen, indem er eins ihrer Grundprinzipien auf den Kopf stellt.
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Neptune Duo
Ein Blick ins Innere der Smartwatch.
Käufer des angekündigten Produktes Neptune Duo sollen ihr Smartphone am Handgelenk tragen – und ein zweites Gerät, das aussieht wie ein Smartphone, aber keines ist, in der Tasche. Das gegenwärtige Prinzip von Wearables, also tragbarer Technik, sei durch eine «Herr und Sklave»-Beziehung gekennzeichnet, sagte Tian «Wired».
Das Handy ist der Herr und Meister, das Fitness-Armband oder die Smartwatch der Sklave, der alleine kaum funktionsfähig ist. So ist das derzeit bei fast allen Smartwatches, auch die Apple Watch wird ohne iPhone nicht sinnvoll nutzbar sein.
Neptune Duo ist schon das zweite Produkt des 20-Jährigen
Neptune Duo soll das umkehren. Das ziemlich üppig dimensionierte Wearable soll die gesamte Funktionalität eines modernen Smartphones in sich tragen. Das dazugehörige Gerät im Handy-Format soll eine Art Peripheriegerät sein, das man nur in Anspruch nimmt, wenn man einen grösseren Bildschirm, eine Tastatur, eine Kamera braucht – oder mehr Strom für das Objekt am Handgelenk.
Das habe den Vorteil, dass man seine wertvollen Daten stets am Handgelenk trage und es deshalb nicht so tragisch sei, wenn man den Taschenbildschirm verliere, so Tian. Wer jetzt 200 Dollar einsetzt, soll das fertige Produkt am Ende für weitere 400 Dollar bekommen. Wer sich nur registriert, aber nicht bezahlt, soll am Ende 800 Dollar bezahlen müssen.
Kann gleich viel wie ein Smartphone: Neptune Duo.bild: neptune
Dafür gibt es dann das smarte Armband und den dummen Bildschirm mit Kameras, der gleichzeitig als Zusatzakku funktioniert. Beide gemeinsam sollen genug Energie an Bord haben, um «mindestens einige Tage bei normaler Nutzung» zu überstehen, ohne aufgeladen zu werden. Auf dem Armband soll die neueste Android-Version namens Lollipop laufen.
Tian hat schon einmal bewiesen, dass er tatsächlich in der Lage ist, ein Hardware-Produkt zu konzipieren und auch auf den Markt zu bringen. Sein per Crowdfunding finanziertes Gerät Neptune Pine war eine Smartwatch, die auch schon alle Fähigkeiten eines echten Smartphones in sich vereinigen sollte. Mit am Ende 800'000 Dollar von Enthusiasten, die er bei Kickstarter für das Projekt gewann, liess der damals 18-Jährige das Gerät in China produzieren.
«Hässlich, schwer und ziemlich nervig»
Am Ende fiel das Pine bei Rezensenten durch. Das Tech-Blog Gizmodo bezeichnete das Gerät als «grotesk grosse ‹Smartwatch›», Slashgear bemängelte schlechte Kameras, einen trägen Touchscreen und eine zu geringe App-Auswahl, obwohl auch Pine mit einem Android-Betriebssystem ausgestattet ist. Digital Trends begann sein Pine-Fazit mit der Bemerkung, das Gerät sei «hässlich, schwer und oft ziemlich nervig zu benutzen».
Für das Neptune Duo allerdings hat sich Tian nun Fachleute besorgt, die bei Design und Umsetzung helfen sollen: die Designfirma Pearl, die auch für den schicken Fitnesstracker Misfit Shine verantwortlich zeichnet.
Warum das Neptune Duo symptomatisch für die Branche ist
Interessant ist an der Geschichte von Neptune nicht zuletzt, dass sie für eine Veränderung des Hardware-Markts steht: Ein 18-Jähriger kann sich heute in Chinas Sonderwirtschaftszonen die nötigen Produktionskapazitäten organisieren, um ein tatsächlich funktionsfähiges Produkt auf den Markt zu bringen. Mit Googles Android-Betriebssystem ist die notwendige Software samt App-Ökosystem bereits vorhanden. Und mit Kickstarter oder direktem Crowdfunding, wie es Neptune nun versucht, lässt sich auch das nötige Startkapital einwerben, um die Grossen der Branche mit einem Nischenprodukt anzugreifen.
Neptune versucht per Kickstarter, das nötige Startkapital einzuwerben.bild: Neptune
Auf «Techcrunch» zählte ein Wagniskapitalgeber vergangenen Sommer aus, wie viel Geld über Crowdfunding-Plattformen für Hardwareprodukte eingeworben worden war. Allein auf Wearables für Hand und Handgelenk entfielen fast 25 Millionen Dollar.
Produkte, die auf Basis dieser Faktoren entstehen, gibt es mittlerweile viele: Von der Pebble-Smartwatch über das Zwei-Bildschirm-Handy Yotaphone bis hin zur Virtual-Reality-Brille Oculus VR, deren Schöpfer ihre Firma schliesslich für zwei Milliarden Dollar an Facebook verkauften.
Tian, dem es an Selbstbewusstsein augenscheinlich nicht mangelt, sagte «Wired»: «Es ist so billig geworden, eine Botschaft zu verbreiten, dass es jetzt nur noch um die Idee geht, die man hat. Der Abstand zwischen einem Start-up wie unserem und Samsung ist einfach nicht mehr so gross, wie er einmal war.»
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