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Wie KI-Chatbots von Palantir den Krieg revolutionieren sollen

Ein Panzer im Drohnenbild: Palantir will die KI zum entscheidenen Mittler auf dem Schlachtfeld machen. (Quelle: Screenshot / Palantir)
Ein Panzer im Drohnenbild: Das US-Unternehmen Palantir will KI zum entscheidenden Mittel auf dem Schlachtfeld machen.Screenshot: YouTube

Umstrittener US-Konzern zeigt: So soll KI den Krieg revolutionieren

Das US-Unternehmen Palantir hat seine KI-Software für das Militär vorgestellt. Ein Video soll zeigen, wie künstliche Intelligenz schon sehr bald ganze Armeen anführen könnte.
02.05.2023, 13:43
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Ein Artikel von
t-online

Das Thema künstliche Intelligenz beschäftigt Wissenschaft, Wirtschaft und Militär schon seit Jahren. Doch seit wenigen Monaten ist klar, wie weit die Entwicklung mittlerweile fortgeschritten ist. Mit ChatGPT hat das Silicon-Valley-Unternehmen OpenAI der ganzen Welt gezeigt, wie leistungsfähig und leicht bedienbar sogenannte Large Language Models (LLM) sind.

Sie bilden damit auch den Schlüssel, um KI-Systeme innerhalb von komplexen Strukturen effektiv einzusetzen und zu steuern – etwa im Militär.

Das umstrittene Softwareunternehmen Palantir hat nun mit Artificial Intelligence Platform, kurz AIP, sein neuestes System vorgestellt und demonstriert in einem Video, wie man Krieg mithilfe von KI revolutionieren will.

Was ist das Ziel?

Dabei geht es nicht um automatisierte Zielerkennung einzelner Waffensysteme, sondern darum, die KI zur effizienten Kommunikations- und Kommandozentrale zu machen.

Ein Demo-Szenario soll zeigen, welche Vorteile dies bringt und dass sich dies vermutlich in kurzer Zeit bei hoch entwickelten Armeen und Sicherheitsunternehmen umsetzen liesse.

Das Demo-Video (YouTube):

Wie funktioniert es?

Im Video beschreibt Palantir einen Anwendungsfall in einem Kriegsszenario. Interessanterweise wählte man für das Beispiel einen (Kommando-)Soldaten, der für die Beobachtung von Truppenaktivitäten in Osteuropa verantwortlich ist.

Gezeigt wird die Bedienoberfläche so, wie sie der Soldat im Feld oder der Befehlshaber im Gefechtsstand mutmasslich auch sehen und benutzen würde. Was dann folgt, sieht aus wie in einem Computerspiel.

Zu Beginn sendet das System eine automatische Warnung: Die KI hat auf Satellitenbildern ungewöhnliche Bewegungen in 30 Kilometern Entfernung zu den eigenen Truppen entdeckt. Der fiktionale Kommandosoldat tippt:

«Zeig mir mehr Details.» Es erscheint das Satellitenbild mit den mutmasslichen gegnerischen Einheiten, daneben eine taktische Karte, auf der die Position freundlicher und feindlicher Einheiten verzeichnet ist.

Ausschnitt aus dem Demo-Video von Palantir: Die KI fungiert als umfassende Informations- und Kommandozentrale. (Quelle: Screenshot / Palantir)
Ausschnitt aus dem Demo-Video von Palantir: Die KI fungiert als umfassende Informations- und Kommandozentrale.Screenshot: YouTube

Im Chatfenster fragt der Soldat dann, welche Optionen es gibt, um aktuelle und hochauflösende Bilder von dem besagten Bereich zu erhalten, das KI-System bietet Reaper-Drohnen-Überflug und Satelliten-Bild an.

«Beauftrage die Drohne, ein Video von diesem Ort aufzunehmen», lautet der nächste Befehl. Die KI leitet den Auftrag an die entsprechenden Stellen weiter, wenig später folgt erst die Genehmigung des zuständigen Offiziers, dann erscheint das Videomaterial: Tatsächlich, es handelt sich um T80-Kampfpanzer.

Doch die Rolle der KI beschränkt sich nicht auf die einfache Informationsabfrage bei unterschiedlichsten Truppenteilen und Systemen – sie kann auch taktische Planung übernehmen. Denn anstatt nun mit seinem Vorgesetzten die beste Angriffsmassnahme zu besprechen, tippt der Soldat erneut einen Befehl ein: «Erzeuge mir drei Handlungsoptionen, um das feindliche Gerät anzugreifen.»

Als Antwort kommt postwendend eine Tabelle mit drei Angriffsoptionen: per F-16-Kampfflugzeug, per Himars-Raketen-Artilleriesystem oder durch eine kleine Einheit von Soldaten, die in der Nähe im Einsatz ist. Die einzelnen Varianten sind jeweils minutengenau mit voraussichtlicher Dauer des jeweiligen Angriffsszenarios versehen.

Auch die Distanz zum Ziel, die Bewaffnung, der Personalaufwand und der Status des jeweiligen Teams sind aufgelistet, kleine Icons auf der Karte zeigen die Position der Einheiten.

Auf welche Daten greift die KI zu?

Damit die KI diese Möglichkeiten zusammenstellen kann, hat sie Zugriff auf Hunderte, vermutlich sogar Tausende unterschiedlicher Systeme und Datensätze: So kann sie innerhalb von Sekundenbruchteilen abfragen, welche Einheit sich gerade in der Nähe befindet, welche davon über geeignete Bewaffnung und ausreichend Munition verfügt.

Welche Daten genau in diesem Beispiel für die Beurteilung herangezogen werden, zeigt Palantir nicht. Es betont allerdings, dass das Militär gezielt entscheiden könne, auf welche Datensätze – sowohl öffentlich als auch geheim – das System zugreifen darf und auf welche nicht.

Denkbar ist aber, dass zur optimalen Beurteilung so viele Daten wie möglich genutzt werden könnten – bis hin zur Personalakte einzelner Soldaten, in der zurückliegende Verletzungen oder die Ergebnisse des jüngsten Gesundheitsscreenings hinterlegt sind.

Die endgültige Entscheidung trifft im Palantir-Video nicht die KI. Stattdessen lässt der Soldat die KI die Tabelle an seinen Befehlshaber weiterleiten, der entscheidet sich für den Angriff durch die Infanterieeinheit.

Die KI-Unterstützung endet hier jedoch nicht. Aber für die konkrete Planung wird die Unterstützung der künstlichen Intelligenz herangezogen. Der Kommandant lässt die KI nun das Gelände hinsichtlich der Manövrierbarkeit einer Einheit mit Radschützenpanzer in Zugstärke analysieren und bittet das System dann um die optimale Route zum Ziel.

Artificial Intelligence Platform (AIP) von Palantir: Die optimale Route zum militärischen Ziel wird auch von der KI bestimmt. (Quelle: Palantir / Screenshot)
Die optimale Route zum Angriffsziel wird ebenfalls von der KI bestimmt.Screenshot: YouTube

Auch die relevanten Kommunikationsknoten des Gegners werden im Video per KI ausfindig gemacht und gleich die passenden Einheiten für deren Störung in Bereitschaft gesetzt. Der finale Einsatzbefehl wird ebenfalls ins Chatfenster getippt, das System kümmert sich darum, dass alle relevanten Stellen informiert und mit den nötigen Daten versorgt werden.

Wie realistisch ist das?

Natürlich ist das alles nur fiktiv – Werbung für Palantirs neues Produkt AIP. Erst in den kommenden Wochen will das Unternehmen sein System ersten ausgewählten Kunden zur Verfügung stellen. Ob all das tatsächlich in dieser Form funktionieren würde, ist nicht gesagt – auch nicht, dass das US-Militär oder andere Armeen oder Sicherheitsunternehmen die Software tatsächlich einsetzen würden. Dass das US-Militär diese Lösung zumindest bald testen wird – oder sogar bereits testet – dürfte aber fast sicher sein.

Tatsächlich spricht einiges dafür, dass das gezeigte Szenario in den Grundzügen durchaus realistisch ist und in vergleichsweise kurzer Zeit umgesetzt werden könnte. Das hat vor allem mit den Fähigkeiten von Large Language Models wie ChatGPT zu tun. Erst ihr Vermögen, via natürlicher Sprache Befehle zu verstehen und auch komplexe Aufgaben umzusetzen, erlaubt ein so reibungsloses Zusammenspiel in höchst komplexen Systemen wie dem Militärapparat.

Sie erst erlauben es, die zahlreichen, bereits heute autonom und teilautonom agierenden KI-Systeme einer Hightech-Armee wie der in den USA so mühelos ineinandergreifen zu lassen und derlei Systeme schnell und flexibel an unterschiedliche Anforderungen anzupassen.

Im von Palantir gezeigten Beispiel kann KI dabei äusserst effektiv sein und dennoch an entscheidender Stelle dem Menschen die wichtigen Entscheidungen überlassen. Mehrfach betont Palantir in seinem Video auch, dass verschiedene Transparenzkonzepte dafür sorgen sollen, dass stets nachvollzogen werden kann, welches der unterschiedlichen KI-Systeme für welche Entscheidung verantwortlich war und welche Quellen es dazu genutzt hat. «Ethisch» und «verantwortungsvoll» sei das System.

Ob das so ist, muss sich zeigen. Denn klar wird auch: KI kann auf dem Schlachtfeld einen enormen Vorteil bieten. Wer schnellere und fundierte Entscheidungen treffen kann, ist deutlich im Vorteil. Armeen, die künftig auf KI-Unterstützung verzichten, könnten einen entscheidenden Nachteil haben.

Im Demo-Video von Palantier müssen an entscheidender Stelle noch immer Menschen die wesentlichen Entscheidungen treffen. Technisch hätte das KI-System dies auch allein regeln können – die nötigen Daten dazu lagen vor.

Aus Gründen der Sicherheit und aus ethischen Gesichtspunkten würde man dies heute wohl kaum zulassen. Ob das immer so bleiben wird, ist offen. Wenn das Entscheidungstempo über den Ausgang von Gefechten und damit auch über Menschenleben mitentscheiden kann, ist die Frage, wie lange man sich noch den bremsenden Faktor Mensch in der Befehlskette erlauben wird.

Dabei ist die Frage, ob Large Language Models stets nicht nur die schnelleren, sondern auch die besseren Entscheidungen treffen, heute noch alles andere als klar – schliesslich gehört es zum Funktionsprinzip dieser Form von künstlicher Intelligenz, dass sie immer wieder mal Dinge erfindet, wenn diese nur statistisch wahrscheinlich genug sind.

Krieg wird zweifellos künftig nicht ohne solche KI-Unterstützung geführt werden. Viele entscheidende Fragen dazu sind heute aber längst nicht geklärt.

Quellen

(t-online/dsc)

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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montuno
02.05.2023 11:26registriert Februar 2020
Ach, vielleicht entscheidet die KI ja künftig, dass Kriege eigentlich sinnlos sind...
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Chalbsbratwurst
02.05.2023 11:37registriert Juli 2020
Man müsste das mal zu Ende denken:
Schlussendlich könnten ja zwei Länder mit solchen KI-Systemen gegeneinander antreten. Die KI-Systeme kennen alle militärischen Ressourcen eines Landes und könnten mit diesen Daten alle möglichen Kriegsszenarien durchrechnen und somit bereits beantworten, wer den Krieg gewinnen wird, bevor er überhaupt begonnen hat ;-)
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Sälüzäme
02.05.2023 11:27registriert März 2020
Wieso kommt mir bei diesem Bericht als erstes Skynet und Arni in den Sinn?

Mir graust es vor solchen Ideen, denn stoppen lässt sich ein so komplexes System nicht.
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