Digital
China

Sing mir deine Hymne, Internet-Supermacht!

Netzzensoren in China

Sing mir deine Hymne, Internet-Supermacht!

China verschärft die Netzzensur in diesen Wochen noch einmal deutlich – mit einem gewissen Stolz. Die Zensoren selbst feiern sich nun mit einem bombastischen Lied als «Internet-Supermacht».
14.02.2015, 15:1015.02.2015, 11:28
Fabian Reinbold / Spiegel Online
Mehr «Digital»
Ein Artikel von
Spiegel Online

Peking – China beschäftigt eine kleine Armee allein damit, das Internet zu zensieren. Missliebige Websites aus dem Ausland sind gesperrt, Pornografie wird ebenso gelöscht wie allzu deutliche Kritik an der Partei.

Dafür ist vor allem die Cyberspace-Verwaltungsbehörde zuständig. Sie hat in den letzten Wochen die Zensur des Internets noch einmal deutlich verschärft. Meist arbeitet diese Verwaltung, die Chinas Internetnutzer zunehmend frustriert, im Stillen vor sich hin.

Doch jetzt hat sie einmal laut aufgetrumpft – genauer gesagt ihr Chor. Bei einer Gala zum chinesischen Neujahrsfest in Peking sangen die Zensorinnen und Zensoren ein Hohelied auf ihr tägliches Werk. Sie feierten die «Internet-Supermacht» und die «glorreichen Träume im Netz».

Im Lied beschwört der Zensorenchor die Mission, «das globale Dorf in die allerschönste Landschaft umzuwandeln». Überhaupt wird dick aufgetragen. Da fliessen Glaube und Hingebung wie der Gelbe Fluss oder der Jangtse. Und die vier Leadsänger und der Chor singen im Refrain: «Internet-Supermacht / Sagt der Welt, dass der chinesische Traum China emporhebt». Sehen Sie selbst:

Video. youTube

Das Ganze zeigt: Die Zensur des Internets, im Westen verpönt, findet in China mit einem gewissen Stolz statt. Solche bombastischen Lieder sind keine Seltenheit in der Volksrepublik. Alles, wofür sich das Land rühmt, wird ausgiebig besungen. Schon in der Grundschule werden heroische Gesänge geschmettert, etwa auf Helden des Kriegs gegen Japan.

Die Zensorenhymne «Der Geist des Cyberspace» wurde eigens für das Neujahrsfest komponiert. Der militärische Sound passt, schliesslich haben Chinas Zensorentruppen zuletzt mehrere Schlachten im Kampf um ein sauberes Internet gewonnen. Die Zensurmassnahmen sind im Westen als «Great Firewall» bekannt – und diese wuchs in den vergangenen Wochen noch einmal in die Höhe.

Es waren kleine Meldungen, die man leicht übersehen konnte, doch in der Summe zeigen sie: Peking hat eine neue Zensuroffensive im Netz gestartet, dabei gerät nach sozialen Netzwerken auch private Kommunikation ins Visier: Gmail, der beliebteste Maildienst der Welt, ist seit dem Jahreswechsel komplett gesperrt.

Einige der besten VPN-Tunnel, Werkzeuge, um die «Great Firewall» zu umgehen, funktionierten plötzlich nicht mehr auf iPads und iPhones. Ohne funktionierendes VPN sind Facebook oder Twitter nicht erreichbar. Es ist eine Machtdemonstration der chinesischen Zensoren – sie haben aufgerüstet, und technisch möglich ist nun noch viel mehr.

Jetzt auf

Da passt der heroische Auftritt des Cyberspace-Chors ins Bild. Manche westliche Medien haben schon darüber berichtet, doch in China selbst ist der Auftritt, der sich bereits am Dienstag ereignete, bislang kaum bekannt.

Zwar ist ein Video auf der Website der Behörde zu sehen. Doch andere Clips wurden laut Medienberichten nach der Veröffentlichung rasch wieder gelöscht. Wenn Zensoren Videos von ihren eigenen Auftritten zensieren müssen – dann zeigt er sich von seiner schönsten Seite, der chinesische «Geist des Cyberspace».

China kündigt drastische Aufrüstung an

1 / 7
China kündigt drastische Aufrüstung an
(Keystone, AP Photo)
quelle: cp / jonathan hayward
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Bonus: Das Projekt «400 Nudes»

1 / 20
Das Projekt «400 Nudes»
... und diese Dame haben etwas gemeinsam – ausser der Tatsache, dass sie kaum bekleidet ein Selfie schiessen: Es ist das Gesicht. (Bild: 400Nudes.com)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Rabbit-Hole-Effekt: EU leitet Verfahren gegen Facebook-Konzern Meta ein

Die Europäische Kommission eröffnet wegen des Verdachts auf Verstösse gegen den Jugendschutz ein Verfahren gegen den Facebook- und Instagram-Mutterkonzern Meta.

Zur Story