Das Ausmass schockiert auch erfahrene Ermittler: In Frankfurt am Main hat am Mittwoch der Prozess um die Darknet-Plattform «BoysTown» begonnen. Meh als 400'000 Nutzer weltweit sollen jahrelang Fotos und Videos von teilweise schwerster sexueller Gewalt an Kindern ausgetauscht haben.
Zwei der Angeklagten sollen zudem selbst Kinder sexuell missbraucht haben. Gleich zu Beginn des Prozesses beschloss das Landgericht Frankfurt einen Ausschluss der Öffentlichkeit für Teile der Verlesung der Anklage. Die vier Angeklagten sitzen seit letztem Jahr in Untersuchungshaft.
Die international ausgerichtete Plattform hatte laut Anklage Chatbereiche in verschiedenen Sprachen und diente dem weltweiten Austausch von Abbildungen, die überwiegend den sexuellen Missbrauch von Jungen dokumentierten.
Über Stunden lasen eine Vertreterin und ein Vertreter der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft die Vorwürfe vor. Die Anklageschrift umfasst mehr als 400 Seiten. Demnach veröffentlichten die Männer Fotos und Videos von Vergewaltigungen und Szenen, für die Kinder und Jugendliche zu gegenseitigen sexuellen Handlungen gezwungen wurden, auch Kleinkinder wurden sexuell missbraucht.
Erreichbar waren die Online-Foren im Darknet, einem Bereich des Internets, der mit herkömmlichen Browsern und Suchmaschinen nicht auffindbar ist.
Bis zur Abschaltung durch das deutsche Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt im April 2021 gab es mehr als eine Million Forenbeiträge. Unter den ausgetauschten kinderpornografischen Bild- und Videodateien waren auch Aufnahmen schwersten sexuellen Missbrauchs von Kindern, hiess es nach der Schliessung der Plattform.
Sebastian Zwiebel von der Zentralstelle für Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt berichtete am Rande der Verhandlung von jahrelangen, äusserst umfangreichen Ermittlungen angesichts des «sehr grossen Ausmasses» der Taten. «Es ist einer der grössten Prozesse, die wir angestrengt haben», sagte Zwiebel. Gegen weitere Beteiligte an «BoysTown» werde noch ermittelt.
Laut der Boulevard-Zeitung «Bild» stand einer der Server für das Online-Forum, der von einer Firma in Moldawien betrieben wurde, im Keller eines kirchlichen Kinderheims der Salesianer Don Bosco – dort habe einer der Angeklagten als Programmierer gearbeitet. Die Ermittler seien ihm auf die Schliche gekommen, weil er von seinem Arbeitsplatz-Computer Supportanfragen an die Betreiberfirma stellte.
Der Rechtsanwalt Walter Schäfers, der einen der missbrauchten Jungen als Nebenkläger vertritt, sagte, seinem Mandanten gehe es bis heute schlecht. Er werde deshalb selbst nicht an der Verhandlung teilnehmen, soweit möglich. «Er leidet noch heute», sagte der Anwalt.
Insgesamt sind für den Prozess 14 Verhandlungstage angesetzt.
(dsc)