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Wie Autohersteller E-Autos noch sparsamer machen wollen

Gegen den Stromverbrauch: Die Autohersteller arbeiten an zahlreichen Feinschliffen.
Gegen den Stromverbrauch: Die Autohersteller arbeiten an zahlreichen Feinschliffen. bild: Benz AG/dpa-tmn-bilder

Wie Autohersteller E-Autos noch sparsamer machen wollen

Wenn die Klimaanlage läuft, das Vehikel etwas hermacht und die Batterie Leistung zeigen muss, dann braucht das E-Auto so richtig Strom. Oder? Hersteller stellen Feinschliffe vor, um den Energiebedarf zu bremsen.
12.06.2022, 08:07
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Ein Artikel von
t-online

Schneller, stärker, komfortabler – auch auf dem E-Auto-Markt ist die Konkurrenz hart. Sämtlicher Luxus hat in der Tendenz zu immer grösserem Stromverbrauch geführt. Ein Trend, dem die Hersteller nun den Kampf ansagen wollen.

Mercedes hat Anfang des Jahres mit seiner Studie EQXX Vision gezeigt, dass ein Verbrauch von unter 10 kWh auf 100 Kilometer möglich ist. Bei einer Langstrecken-Testfahrt benötigte das Konzeptfahrzeug 8.7 kWh pro 100 Kilometer, schaffte also mit einer Akkuladung über 1000 Kilometer. Zum Vergleich: Ein kompakter VW ID.3 verbraucht im Schnitt nach WLTP-Messverfahren mindestens 14.9 kWh/100 km, ein BMW i3 15.3 kWh/100 km. Bei laufender Klimaanlage im Sommer oder Heizung im Winter schnellt der Verbrauch über die 20 kWh.

Das Konzept-Auto Mercedes Vision EQXX ist so strömungsoptimiert, dass der cW-Wert bei 0,17 liegt (Masszahl für Luftwiderstand: je kleiner, desto besser).
Das Konzept-Auto Mercedes Vision EQXX ist so strömungsoptimiert, dass der cW-Wert bei 0,17 liegt (Masszahl für Luftwiderstand: je kleiner, desto besser). bild: Mercedes-Benz AG/dpa-tmn-bilder

Der Trick beim Mercedes EQXX: eine besonders aerodynamische Karosserie. 62 Prozent der Antriebsenergie verwendet ein Fahrzeug darauf, Luft aus dem Weg zu räumen. 20 Prozent der Energie fallen auf die Reifen und nur 18 Prozent entfallen auf das Gewicht. «Beim Stromverbrauch ist es wichtig, zuerst die Aerodynamik zu verbessern, dann das Gewicht und schliesslich die Reifen. Erst danach folgen E-Motor und Batterie», erklärt Malte Sievers, Entwicklungsingenieur bei Mercedes.

Tropfenförmige Karosserien senken den Verbrauch

An dem Konzeptfahrzeug mit einem cW-Wert von nur 0,17 (Masszahl für Luftwiderstand) feilten die Ingenieure so lange im Windkanal, bis keine Verbesserung mehr möglich war – bei einem Serienfahrzeug sind einige der Details aus Produktionsgründen aber nicht umsetzbar.

Ähnlich wie bei einem Auto mit Verbrennungsmotor sorgen eine kleinere Stirnfläche und eine windschlüpfige Karosserie für einen geringen Luftwiderstandsbeiwert und damit für einen geringeren Verbrauch. «Tropfenförmige Karosserien, bei denen am Heck das Dach abfällt wie beim Tesla Model Y oder beim Mercedes EQXX, sind sehr effizient», sagt Haydar Mecit, Professor für urbane Energie- und Mobilitätssysteme am Institut für Elektromobilität der Hochschule Bochum.

Die Bestmarke in Sachen geringer Luftwiderstand bei den Serienfahrzeugen hält die Luxuslimousine Mercedes EQS mit einem einem cW-Wert von 0,20.
Die Bestmarke in Sachen geringer Luftwiderstand bei den Serienfahrzeugen hält die Luxuslimousine Mercedes EQS mit einem einem cW-Wert von 0,20.bild: Mercedes

Fliessende Formen werden daher ein Trend, um den Verbrauch zu reduzieren. Zur Aero-Effizienz zählt aber auch unter anderem das Design der Felgen. «Optisch geschlossene Räder minimieren Verwirbelungen und damit auch den Verbrauch», sagt er. Hersteller setzen auf spezielle Reifen-Mischungen, um möglichst mit geringem Widerstand für mehr Reichweite abzurollen.

Batterie und Karosserie: Leichtgewichte brauchen tendenziell weniger Saft

«Je weniger das Fahrzeug wiegt, desto weniger kinetische Energie muss es beim Anfahren anwenden», gibt auch Mecit zu bedenken. Neben leichterem Stahl oder dem Einsatz von Aluminium liegt das meiste Potenzial in der Batterie.

Moderne Fahrzeugbatterien wiegen bei Elektrofahrzeugen im Durchschnitt 700 Kilogramm. «In den nächsten fünf Jahren wird die Energiedichte weiter steigen und das Gewicht der Batterie um voraussichtlich 20 bis 30 Prozent sinken», sagt Mecit.

Weiteres Einsparpotenzial: Durch den Einsatz von Siliciumcarbid in den Chips, einer Verbindung aus Silicium (Si) und Kohlenstoff (C), verringern sich Verluste bei hohen Betriebsspannungen. Kommen bei bisherigen E-Fahrzeugen 90 Prozent der Energie am Rad an, sind es beim Mercedes EQXX etwa 95 Prozent. Fünf Prozent mehr Effizienz sorgt für eine grössere Reichweite oder eine kleinere, leichtere Batterie. Die Lithium-Ionen-Batterie soll künftig flüssige Elektrolyten erhalten und damit wie im EQXX 20 Prozent mehr Energie bereitstellen.

Es wird an allen Stellschrauben gedreht

VW ID.3 Volkswagen ID3
Der Nachfolger des VW ID.3 soll schon einige Prozent weniger verbrauchen als das aktuelle Modell. Auch das Design der Felgen hilft Strom zu sparen.Bild: VW

Jens Obernolte leitet bei Volkswagen das Energie- und Gewichtsmanagement und kümmert sich um den Stromverbrauch bei VWs ID-Reihe. Um den Verbrauch weiter zu senken, dreht er mit seinem Team an vielen Stellschrauben. Beim Nachfolger des aktuellen ID.3 peilt Volkswagen eine Gewichtseinsparung von etwa fünf Prozent an, beim Verbrauch eine Reduzierung von bis zu 20 Prozent.

Möglich werden soll das unter anderem durch eine Steigerung der Effizienz von Antriebsstrang, Aerodynamik, Thermomanagement, Bremssystem und Energierückgewinnung. «Die Einsparung erreichen wir durch viele kleine Veränderungen im Gesamtfahrzeug und nicht nur mit der Effizienzsteigerung einer Komponente», sagt Jens Obernolte.

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Das Thermomanagement zählt zwar nicht in den WLTP-Verbrauch ein, Autofahrer merken es aber im Alltag, wenn sie Klimaanlage oder Heizung nutzen. Bei der Batterie plant Volkswagen zur nächsten Generation eine grössere Energiedichte. Stromverbräuche von unter 10 kWh auf 100 Kilometer hält auch der VW-Experte in den nächsten zehn Jahren für realistisch, allerdings nur für Limousinen. Die bieten eine geringere Stirnfläche als SUV und lassen sich aerodynamisch effizient optimieren.

(Fabian Hoberg/dpa-tmn)

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Binnennomade
12.06.2022 08:20registriert Juli 2016
Das Ziel sollte hierbei sein, durch Optimierung kleinere Batterien verbauen zu können. 1000km fährt nicht mal ein Aussendienstler an einem Tag. Und auch in die Ferien fährt kein Mensch 1000km an einem Stück ohne Pause.
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mMn
12.06.2022 09:06registriert September 2020
Das ist der richtige Ansatz. Kleinere und aerodynamische Fahrzeuge anstatt SUV helfen auch.

Was aber noch viel wichtiger ist: Der Bund muss ein 100 Milliardenpaket für neue erneuerbare Energie aufgleisen. Sonst wird das eh nichts mit flächendeckende E-Autos.
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Matrixx
12.06.2022 10:25registriert März 2015
Was bringen Studien zu Sparsamkeit und Optimierung, wenn man nachher trotzdem riesige Panzer baut...?
Ein aerodynamischer Panzer ist und bleibt ein Energieschlucker, egal wie stark man die Kanten glättet und wie tropenförmig die Karrosserie ist.
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