Die Entscheidung des Europaparlaments vom Donnerstag ist wegweisend. Es will grosse Suchmaschinenkonzerne zerschlagen, die ihre Marktmacht missbrauchen. Wohlverstanden: Entscheidend ist nicht die Marktmacht an sich, sondern deren Missbrauch. Google wurde in der Diskussion mit keinem Wort erwähnt, trotzdem ist offenkundig, dass die Resolution nur auf die dominierende Suchmaschine abzielen kann. Das Votum für die Aufspaltung ist nicht bindend, setzt aber die EU-Kommission unter Zugzwang, gegen die Suchmaschine aktiver vorzugehen.
Google beherrscht die Internetsuche in Europa nach Belieben, was aufgrund ihrer hohen Qualität nicht erstaunt. Sich mit überzeugenden Produkten einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten, ist weder verwerflich noch illegal. Kriminell handelt aber, wer seine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Es gibt keine Beweise, aber Indizien, dass Google sein Quasimonopol ausnutzt. Die Wettbewerbshüter der EU ermitteln deshalb bereits seit 2010 gegen den US-Konzern.
Google, jetzt reichts
Ob legal oder nicht legal: Unabhängig davon agieren Google und andere Tech-Giganten wie Facebook, Apple, Amazon und Microsoft unerträglich arrogant, wenn Sie ihre US-amerikanischen Normen und Wertvorstellungen rücksichtslos im Rest der Welt durchdrücken. Drei Beispiele zur Verdeutlichung:
1. Datenschutz? Nie davon gehört
Google und Facebook sammeln unsere persönlichen Daten und verdienen sich mit personalisierter Werbung eine goldene Nase. Mit undurchsichtigen Nutzungsbedingungen erschleichen sie sich das Recht, quasi unbeschränkt über unsere Daten zu verfügen. Datenschutz ist in den USA, im Gegensatz zu Europa, ein Fremdwort. Trotzdem versuchen die US-Konzerne ihre Nutzungsbedingungen auf europäische Nutzer anzuwenden. Wer nicht nach ihren Regeln spielt, kann die Angebote nicht mehr nutzen. Google und Facebook verdienen mehr als gut an uns, wehren sich aber mit Händen und Füssen, wenn es darum geht, strengere europäische Datenschutzrichtlinien zu befolgen.
2. Die Steuertricks
Kaum jemand erwirtschaftet höhere Gewinne als die führenden Technologiekonzerne aus den USA. Obwohl sie Milliarden einstreichen, zahlen sie dank Steuerdeals in vielen Staaten kaum Steuern. Gewinne werden gar mit undurchsichtigen Konstrukten aus Tochterfirmen vor den Steuerbehörden versteckt. Nicht immer sind diese Praktiken illegal, wohl aber verwerflich. Klar ist: Je grösser, mächtiger und internationaler ein Konzern wie Google wird, desto leichter wird es für ihn, nationale Gesetze einzelner Staaten oder gar der EU zu umgehen.
3. Eure Werte sind uns egal
Google, Apple oder Facebook sind stolz auf ihre internationale, multikulturelle Belegschaft. Die Firmenkultur ist aber streng US-amerikanisch geprägt. Zensiert wird daher auch bei uns, was nicht den prüden US-amerikanischen Moralvorstellungen entspricht. Apple beispielsweise zensiert im App Store streng aus US-Sicht, welche Inhalte wir nicht sehen sollen. Gleich verhält sich Facebook, das zwar Gewaltdarstellungen duldet, aber beim für unsereins harmlosen Nippel-Blitzer sofort die rote Karte zieht. Die US-Konzerne stellen weltweit die Spielregeln auf und zwingen uns ihre Wertvorstellungen auf.
Google ist überall
Google betont, es gebe keinen Zwang und keine Abhängigkeit, die Nutzer könnten problemlos auf alternative Suchmaschinen ausweichen. Dass dies nicht so einfach ist, zeigt der Selbsttest eines Spiegel-Online-Redaktors. Er versuchte, eine Woche ohne Google zu leben. Das geht zwar, Alternativen wie Bing von Microsoft oder DuckDuckGo sammeln aber ebenfalls persönliche Daten, liefern nicht die gleichen Suchtreffer oder sind weniger bequem in der Bedienung.
Google ist mit der Google-Suche, Gmail, YouTube, Google Maps, dem Handy-Betriebssystem Android, Chrome, eigenen Internetleitungen und unzähligen weiteren Produkten weit tiefer in unserem Leben verankert, als es der ums Jahr 2000 dominierende Microsoft-Konzern je war. Im Informationszeitalter baut Google mit seinen Diensten die digitale Infrastruktur, von der wir alle mehr oder weniger abhängig sind. Trotzdem sollten wir uns nicht den Regeln einiger weniger Mega-Konzerne unterwerfen.
Das war die gelbe Karte für Google
Die Entscheidung des EU-Parlaments ist für Google ein Wink mit dem Zaunpfahl. Google sollte die Drohung ernst nehmen. Die Entflechtung von Unternehmen ist im europäischen Wettbewerbsrecht nicht unüblich, beispielsweise in der Energiebranche.
Auch Microsoft drohte einst die Aufspaltung, weil der Windows-Konzern seine Macht gegenüber kleineren Rivalen missbrauchte. Google stehen ebenfalls jahrelange Verhandlungen bevor, die das Unternehmen blockieren und schliesslich in einer Aufspaltung münden könnten.
Klar ist aber auch: Google zerschlagen, sprich das Suchmaschinengeschäft von anderen Unternehmensbereichen zu entkoppeln, wird ein mühseliger Weg. Weder die EU noch die Schweiz verfügen über ausreichende gesetzliche Instrumente, um die Machtkonzentration bei Google zu stoppen. Wirklich eng wird es, wenn dem Konzern die Benachteiligung von Konkurrenten nachgewiesen werden kann.
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