Eine «Band» mit Namen The Velvet Sundown hat in nur einem Monat über 550'000 (Stand 1.7.2025, 15:55 Uhr) monatliche Hörer auf Spotify angehäuft. Dies mit nur zwei Alben.
«Floating on Echoes» wurde am 5. Juni ohne Trara, Marketing oder PR veröffentlicht. «Dust and Silence» folgte nur 15 Tage später. Ein drittes Album, «Paper Sun Rebellion», soll am 14. Juli erscheinen.
Dass die «Band» plötzlich so viele Hörer hat, liegt vor allem an der vermehrten Berichterstattung: Denn diverse Musikjournalisten vermuten, wir sind überrascht, die vier Künstler seien nicht echt.
Dafür spricht, dass auch unter den fachkundigsten Musikliebhabern zuvor niemand die Kombo kannte – geschweige denn ihre Mitglieder. Der Vorwurf, die Bilder, die Texte und auch die Musik seien von einer künstlichen Intelligenz geschaffen worden, ist auch kaum von der Hand zu weisen. Die Band-Bilder sind offensichtlich KI-typisch, der Begleittext ebenfalls – und auch die Musik. Dies allerdings weit weniger offensichtlich.
Wir machen die Probe aufs Exempel und laden die drei meistgehörten Songs der mutmasslichen KI-Band in ein professionelles Audio-KI-Erkennungstool hoch. Das Resultat ist vernichtend:
Trotzdem: Die KI-Bilder der «Band» erkennt jedes Kind. Die KI-Begleittexte sind ebenfalls einfach zu enttarnen. Die KI-Musik ist aber auch für Profis fast nicht von einer realen Produktion unterscheidbar. Die Qualität ist, gelinde gesagt, erstaunlich.
Während grosse Musikplattformen wie Spotify und Apple Music The Velvet Sundown weiterhin wie normale Künstler behandelt, hat der Musikdienst Deezer Massnahmen ergriffen und die «Band» entsprechend gekennzeichnet. Dagegen regt sich nun aber Widerstand.
Ein im März registrierter Account auf X, der sich als offizieller Band-Account ausgibt, widerspricht der aktuellen Berichterstattung. «Ja, wir sind eine echte Band und verwenden niemals KI», heisst es dort. Ob der Account tatsächlich mit den Personen hinter The Velvet Sundown in Verbindung gebracht werden kann, ist nicht gesichert. Die Tonalität auf X ist plump und vulgär – wenig kohärent mit dem sonstigen «Auftreten» der «Band».
Das Spiel von The Velvet Sundown mit KI-generierten Inhalten ist dermassen offensichtlich, dass der Verdacht auf der Hand liegt, dass es sich dabei um eine bewusste Provokation handelt – und/oder um gezielte PR. Die Frage ist, wofür. Gut möglich, dass wir es am 14. Juli erfahren.
Trotzdem kann The Velvet Sundown als Zeitenwende in der Musikindustrie gesehen werden. Die künstliche Intelligenz lässt auch bei der hörbaren Kunstform keinen Stein auf dem anderen. Denn dies ist erst der Anfang.
Was diesen Fall speziell macht, ist die mediale Reaktion. Bei hunderten KI-Produkten hat man nicht reagiert und nun, vermutlich zufällig, eben doch. Was eben zeigt, dass auch Journalisten gerne auf Trends aufspringen.
Gut möglich, dass das ein Studi in Mazedonien ist, der mit KI-Müll ein paar Euro verdienen wollte.
Genauso kann man alle Liftmusik, Jingles und Charts-Pop von KI generieren lassen, aber bei Musik abseits des Mainstreams möchten die Zuhörer gerne ungewohntes und persön hören und die Künstler auch im Konzert erleben. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil das Publikum sich (zumindest bis heute) auch für die Menschen hinter der Musik interessiert.