Geht es um die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI), hat der US-Konzern Google (Alphabet) eigentlich klar die Nase vorn. So erkennt Googles KI beispielsweise schon lange automatisch die Inhalte und Gesichter auf Fotos und sortiert sie dementsprechend.
Doch vergangenes Jahr wurde Google von der KI-Revolution selber überrollt, als die Firma OpenAI den Textroboter ChatGPT präsentierte. Wer von der künstlichen Intelligenz sprach, meinte fortan vor allem diesen smarten Gesprächspartner und nicht mehr die Google-Dienste.
Ende März dieses Jahres präsentierte Google seine Antwort auf ChatGPT: Bisher war der Chatbot Bard aber erst in einem kleinen Teil der Welt verfügbar und sprach neben Englisch nur Japanisch und Koreanisch.
Ab heute kann man sich mit Bard auch in der Schweiz unterhalten. Was er besser kann als ChatGPT und wohin die KI-Reise führen könnte. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Beide Textroboter sind grosse Sprachmodelle und wurden an einer Unmenge von Texten aus dem Internet trainiert. Die Modelle arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten und berechnen, welches Wort am wahrscheinlichsten auf das vorangegangene folgt. Ein Beispiel: Auf «Heute scheint die ...» können die Sprachmodelle vorhersagen, dass höchstwahrscheinlich das Wort «Sonne» eingesetzt werden muss.
Sowohl bei Bard als auch bei ChatGPT kann man die Fragen schriftlich eintippen oder mündlich übers Mikrofon formulieren. Zugang zum Google-Chatbot gibt's über bard.google.com.
Anders als der Ende November 2022 präsentierte ChatGPT ist Bard mit dem Internet verbunden und weiss deshalb auch über aktuelle Geschehnisse Bescheid. ChatGPT wurde nur mit Informationen bis September 2021 trainiert.
Google baut mit der Ausweitung von Bard nach Europa gleichzeitig auch neue Funktionen in die KI-Maschine ein. So wird es neuerdings möglich sein, die Antworten von Bard nicht nur zu lesen, sondern sich auch anzuhören. Zudem kann man die Unterhaltungen abspeichern und mit anderen teilen.
Auch wird man den Bot künftig nicht nur mit Text füttern können, sondern auch mit Bildern. Diese Anwendung ist zunächst allerdings nur auf Englisch verfügbar.
Bard ist kostenlos. Allerdings braucht man ein Google-Konto. Verfügbar ist der Dienst ab 18 Jahre.
«Verantwortlich dafür waren hauptsächlich zwei Punkte: Sprache und Datenschutz», sagt Jack Krawczyk, der Produktmanager von Bard, im Gespräch mit CH Media. Neu wird der Textroboter über vierzig Sprachen verstehen, darunter Deutsch, Französisch, Italienisch, Arabisch und Chinesisch.
Es sei wichtig, dass Bard in jeder Sprache beigebracht werde, was verletzende Aussagen seien, sagt Krawczyk: «Unser Ziel ist die Maximierung der Nützlichkeit bei gleichzeitiger Minimierung des Schadens.»
Der zweite Grund für die Verzögerung ist die Datensicherheit. Man wolle Bard erst dann in einem Land verfügbar machen, wenn klar sei, dass der Dienst den lokalen Datenschutz-Bestimmungen entspricht, so Krawczyk.
Die Hürde war hierbei wohl nicht das Schweizer Datenschutzrecht, das sehr liberal ist, sondern eher die strikte Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU. Man habe den Dienst aber in allen europäischen Ländern auf einmal ausrollen wollen, so Krawczyk.
Wer einen Markt dominiert, hat kein Interesse, ihn zu ändern. Das gilt auch für Google. Die Haupteinnahmen des Konzerns werden über Werbung erzielt, insbesondere über die gesponserten Links, die zuoberst bei den Suchergebnissen auftauchen. Wer Informationen nicht googelt, sondern sie bei einem Chatbot erfragt, braucht keine solche Links mehr.
So sagt Google das natürlich nicht öffentlich. Es tönt vielmehr so: Man wollte Bard zunächst nur für eine ausgewählte Gruppe von Personen verfügbar machen, um deren Feedback einfliessen zu lassen und den Bot erst dann breit auszurollen, wenn er die hohen Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit von Google erfülle.
Dennoch muss der Schock tief gesessen haben, denn der Konzern holte nach der Veröffentlichung von ChatGPT die in den Hintergrund getretenen Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin zurück, um mit ihrer Hilfe die KI-Kurve wieder zu kriegen.
Krawczyk sagt, dass die Technologie noch immer am Anfang stünde und die Reise eine lange sei, auf ein paar Monate komme es da nicht an. Noch immer sei die Mehrheit nicht in Kontakt mit ChatGPT gekommen. Das stimmt. Es ist aber auch richtig: ChatGPT ist die am schnellsten wachsende Webanwendung. Nach zwei Monaten hatte sie bereits 100 Millionen Nutzer erreicht.
Solche Missgeschicke wie an der ersten Bard-Demonstration können noch immer passieren. An der Vorführung wurde der Chatbot aufgefordert, einem Kind die Entdeckungen des Weltraumteleskops James Webb zu erklären. Bard erzählte dann, dass dem Teleskop die erste Aufnahme eines Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems geglückt sei. Das ist nicht korrekt (das erste Exoplaneten-Foto machte ein bodengestütztes Teleskop bereits 2004).
Solche zwar überzeugend klingende, aber inhaltlich falsche Antworten sind ein ungelöstes Problem von Sprachmodellen. Diese halluzinieren regelmässig, erfinden also Dinge, wenn sie nicht weiterwissen. Das gilt nicht nur für Bard, sondern für alle KI.
Nein. Oder zumindest noch nicht. Das ist ein Unterscheid zu Microsofts Suchmaschine Bing, in welcher das Sprachmodell GPT-4 von OpenAI integriert ist und das ebenfalls Zugriff aufs Internet hat.
Google bietet den Sprachroboter als eigenständigen Dienst an. Denn Bard, so Krawczyk, sei nicht nur dafür zuständig, Faktenwissen zu liefern, sondern neue Ideen zu generieren, also kreativ zu werden.
Anders als der Chatbot von Bing gibt Bard keine Quellen an. Der Grund sei, dass es keine Methode gäbe, die verlässlich angeben könne, woher die KI ihre Informationen tatsächlich habe, sagt Krawczyk. Die Entwickler haben das Problem daher so gelöst, dass sie bei Bard einen «Google-it-Button» integriert haben. Damit können Nutzer eine Aussage von Bard mit einer klassischen Google-Suche selbst überprüfen.
Das ist die grosse Frage, die sich nicht nur Google stellt und deren Antwort noch niemand kennt. Schon heute ist es so, dass man viele Informationen ergoogeln kann, ohne dass man auf einen Link klicken muss. Google zeigt die Antworten auf Fragen wie «Wie viele Kinder hat Tom Cruise»? oder «Wie wird das Wetter morgen?» direkt an.
Wenn man diesen Trend weiterspinnt, kann man sich gut vorstellen, dass wir auch für kompliziertere Fragen nicht mehr auf «fremde» Websites geleitet werden, sondern von einem Chatbot massgeschneiderte Antworten erhalten. Und erst bei einer vertieften Recherche auf Primärquellen ausweichen müssen. Allerdings geht das erst, wenn die Antworten vertrauenswürdiger sind (siehe oben).
Laut Jack Krawczyk soll Bard die klassische Google-Suche aber nicht ersetzen, sondern ergänzen. Wer etwa wissen wolle, wie man Gitarre spielt, sucht entweder auf Google oder auf Youtube danach. Wer einen Tipp zu einer guten Pizzeria in der Umgebung haben wolle, nutze entweder Google oder Maps. «Es gibt also heute bei Google schon verschiedene Möglichkeiten, an gewünschte Informationen zu kommen. Bard ist eine weitere», sagt Krawczyk.
Nutzt du ChatGPT? Was hältst du von Google Bard? Welche Fragen müssen unbedingt noch geklärt werden?
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(aargauerzeitung.ch)
Das Problem dabei ist: ChatGPT dürfte einen Grossteil seiner Antworten von eben genau dieser Seite haben. Wenn jetzt also alle plötzlich ChatGPT fragen, statt ihre Frage (und Antworten) auf Stackoverflow zu posten, gibt es über kurz oder lang keinen Input mehr, mit dem ChatGPT gefüttert werden könnte.
Das dürfte auch für andere Bereiche ein Problem werden.