Apps in der Art gibt es schon lange. Die Benutzerin scannt damit den Barcode eines Nahrungsmittels (oder von Kosmetik), und die App klärt über das Produkt auf: über die Nährwerte, die Zusammensetzung, über gefährliche Inhaltsstoffe. Alleine im Playstore von Google lassen sich mindestens fünf solcher digitalen Hilfen finden.
Doch sie sind immer nur so gut wie ihre Datenbanken. Wenn viele Schweizer Produkte darin fehlen, geht der Reiz verloren. Genau daran scheiterten die meisten Apps vor ein paar Jahren noch.
«Meine» App hat sie (wirklich fast) alle. Ich habe bereits hunderte Produkte aus Coop und Migros gescannt – und nur gerade eine Handvoll wurde nicht erkannt.
Die besagte App heisst Yuka, kommt aus Frankreich und gibt an, von der Lebensmittelindustrie komplett unabhängig zu sein. Als Beweis dafür werden sämtliche Einnahmen der Firma veröffentlicht.
Lange Zeit kam die App fast ausschliesslich in Frankreich zum Einsatz. Seit 2022 existiert eine deutsche Version. Patrizia Laeri schrieb im «Blick» bereits vor Jahren darüber, trotzdem ist Yuka (im Gegensatz zum Welschland) in der Deutschschweiz nie wirklich angekommen. Von den zahlreichen Foodies in der Redaktion kannte keine einzige die App. Nun haben aber einige den Narren daran gefressen.
Jedes gescannte Produkt wird mit einer Punktzahl von 0 bis 100 bewertet. Je höher der Wert, desto gesünder. 60 Prozent der Bewertung steuert der bekannte Nutri-Score aufgrund von Kalorien, Zucker, gesättigten Fettsäuren, Protein, Ballaststoffen usw. bei. 30 Prozent machen Zusatzstoffe, oder besser deren Absenz, aus; 10 Prozent, ob es sich dabei um ein Bioprodukt handelt. Einen glatten 100er können deshalb nur Bio-Produkte ohne (problematische) Zusatzstoffe erreichen.
Und so scanne ich drauflos – und staune. Denn innerhalb der Produktgruppen gibt es enorme Unterschiede. Zum Beispiel bei den Chips.
Ja, der Einwand ist berechtigt. Wer Chips isst, weiss, was er sich antut. Darf trotzdem auch mal sein.
Aber wer sich von jemandem freiwillig ins Gesicht schlagen lässt und dabei die Wahl hat zwischen Mike Tyson und Elisabeth Baume-Schneider, wäre leichtsinnig, die Entscheidung dem Zufall zu überlassen.
Bio-Tortilla-Chips aus dem Migros zum Beispiel: Zack. 100 von 100 Punkten und ein «Ausgezeichnet». Bereits spiele ich mit dem Gedanken, meine Ernährung komplett darauf auszurichten. Aber Achtung – und damit wäre der grosse Nachteil der App auch schon erwähnt: Der Nutri-Score eignet sich nur zum Vergleich von Produkten innerhalb derselben Gruppe.
Die Standard-Zweifel-Chips «Original» schaffen 54 Punkte und damit ein «Gut» (Paprika ein «Mittelmässig» mit 48 Punkten). Beide kann man also weiterhin ohne Hemmungen anbieten, beide klassieren sich weit besser als ähnliche Produkte, die sich vorwiegend an Kinder richten. Pringels hingegen sind für Gäste, die man loswerden will. Sie gucken mit 3 bis 15 Punkten und einer Bewertung «schlecht» in die Röhre.
Noch schlechter schneiden die bei Kindern besonders beliebten Tik-Tok-Chips Takis ab. 0 von 100 Punkten. Gewürzter Sondermüll. Wer die Fuego Rolled Tortilla Chips verdrückt, verdrückt neun Zusatzstoffe. Vier davon werden von der App als «riskant» bezeichnet. Mit ein paar Klicks erfahre ich mehr – und erhalte die Quellen zu den entsprechenden wissenschaftlichen Studien. Dieses Feature wirkt besonders vertrauenerweckend.
Ein weniger vertrauenerweckendes Feature der Takis, so lerne ich, ist das Antioxidans Tertiär-Butylhydrochinon. Es wird verdächtigt, «Veränderungen der Struktur des genetischen Materials zu verursachen». In den Takis ist es trotzdem drin. Genauso wie der Lebensmittelfarbstoff Gelborange S. Dieser begünstigt, so vermutet man, bei Kindern Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen. Jetzt bin ich aber überrascht! Nicht.
Genauso wenig überrascht bin ich von den 0 Punkten der Citerio-Salami, der Chorizo und der Budget-Lyonerwurst. Dass Bündnerfleisch mit mageren 7 und 8 Punkten ebenfalls so mies abschneidet, hätte ich indes nicht erwartet.
Wer einen gesünderen Sandwichbelag sucht, muss zum Fake-Fleisch. Aber auch dort zeigt sich: Es gibt enorme Unterschiede. Der vegane Schinken Spicker der Rügenwalder Mühle schafft mit 51 Punkten mehr als das gesamte Echtfleischaufschnittsortiment – und kommt dabei fast ohne Zusatzstoffe aus. Noch besser, mit einem kompletten Verzicht auf Zusatzstoffe, schneidet der neue Lyoner-Aufschnitt von Planted beim Coop ab: 61 Punkte.
Sämtliche Produkte des Schweizer Herstellers klassieren sich in den Bereichen gut (50–74 Punkte) oder ausgezeichnet (ab 75 Punkten). Obwohl im Schnitt deutlich besser abschneidend als echtes Fleisch, erreichen diesen Standard bei Weitem nicht alle Fleischersatzprodukte: Die pflanzenbasierte Salami von Amala zum Beispiel (schlecht: 24) oder die beliebten veganen Landjäger (mittelmässig: 40 Punkte) haben zu hohe Werte an gesättigten Fettsäuren. Oh, und da wäre da noch dieses Vegi-Vorzeigeprodukt ...
Kaum gescannt, erhalte ich bei einer schlechten Bewertung eines Produkts auch schon eine Auswahl von gesünderen Alternativen. So brauche ich mich nicht durchs gesamte Regal zu scannen. Schade eigentlich.
Interessant ist auch der Vergleich der verschiedenen Milchprodukte. Die sind bei Weitem … ich könnte noch stundenlang weiterplaudern. Über Joghurt, Butter, Proteinriegel oder Cornflakes …
Aber ich will kein Spielverderber sein.
Teil des Spasses ist das Selberscannen – das möglichst genaue Antizipieren der Punktzahl. Bei uns zu Hause kommt es nun regelmässig zu Yuka-Schätzrunden. Ketchup beispielsweise … Du wirst es dann sehen.
Selten, ganz selten, wird ein Produkt nicht erkannt. Diese Lücken betreffen meist Produkte, deren Herstellung industriell weniger genormt ist oder die aufgrund anderer Kriterien grundsätzlich nicht bewertet werden (alkoholische Getränke).
So. Und jetzt viel Spass beim Scannen.
PS: Findus-Plätzli schneiden im Fall «gut» ab! Nimm das, Foodnazi!
😂
Ein Lob für diesen Schenkelklopfer Herr Toggweiler!
Danke für die Empfehlung (nicht)