«God of War» für die Playstation 4 war 2018 nicht nur eine fantastische Neuausrichtung der bekannten Videospielreihe, sondern auch ein an der Perfektion kratzendes Videospiel, das uns mit seiner Bombast-Action und der spannend inszenierten Vater-Sohn-Geschichte intensiv an den Bildschirm fesselte.
Wir haben gelitten, gelacht und geweint, als wir die beiden auf ihrer epischen Reise begleiten durften, und konnten von der wuchtig inszenierten Spielmechanik nicht genug bekommen. Nun ist sie also da, diese Fortsetzung, die in riesige Fussstapfen treten muss und unsere Vorfreude schon seit Monaten gehörig kitzelt.
Es soll ja da draussen durchaus Freundinnen und Freunde der Videospielkunst geben, die den Vorgänger noch gar nicht gespielt haben. Darum wollen wir uns hier hüten, zu viel von den Irrungen und Wirrungen dieses ersten Dramas zu verraten.
Ein paar narrative, spoilerfreie Eckpfeiler müssen wir aber dennoch setzen: Kriegsgott Kratos hat nach seiner Vergangenheit im Süden, wo er reihenweise Übermonster, Götter und allerlei Fabelwesen gebodigt hatte, einen harten Cut gemacht. Er hat geheiratet, einen Sohn gezeugt und im kalten Norden ein neues Leben begonnen. Aus Gründen verstarb die Mutter und Vater und Sohn begaben sich auf eine lange Reise, um den Tod zu verarbeiten.
Dabei traten sie in einen heftigen Götterkonflikt hinein, der Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht holte und die Beziehung zwischen den beiden auf eine harte Probe stellte. Am Ende dieser Reise voller Wendungen bekam Sohn Atreus eine komplett neue Rolle verpasst und alle Figuren wurden heftig durcheinandergewirbelt. Immerhin hat sich die Beziehung zwischen Vatertier und Sohnemann verbessert, sodass sie am Ende der Reise nun ein engeres Vertrauen aufbauen konnten.
Ihr erstes Abenteuer hat zwar die Beziehung der beiden verbessert, doch ihre Taten hatten auch Auswirkungen auf die Welt der nordischen Götter und deren Schicksale. Denn nun steht drei Jahre nach den Vorkommnissen von damals Ragnarök vor der Tür. Ein Ereignis, das quasi das Ende der nordischen Götterwelt bedeutet und auch das Ende aller Tage, das nicht mehr aufzuhalten scheint. Und mittendrin stehen die beiden Jungs, die wieder an ihrer Beziehung, sprich an ihrem Vertrauensverhältnis arbeiten müssen.
Atreus ist zudem mittlerweile in der Pubertät angekommen und entdeckt immer mehr seinen eigenen Sturkopf, den er direkt von seinem Vater geerbt haben muss. Das wäre ja noch verkraftbar für Kratos, doch sein Sohn lässt nicht locker sich in den kommenden Krieg einzumischen, weil er immer mehr bemerkt, dass sein Schicksal mit allem und jedem verknüpft zu sein scheint.
Man merkt es schon: «God of War», egal ob der Erstling oder die Fortsetzung, ist ein Story-Monster. Abseits der Action-Momente wurde und wird auch jetzt wieder sehr viel erzählt und viel gelitten. Und selbst wenn einem bei der Lektüre der nordischen Götterwelt regelmässig die Fragezeichen um die Ohren fliegen, ist der Durchblick überraschenderweise stets vorhanden.
Denn auch wenn die neue Reise durch alle neun Welten der nordischen Mythologie epischer und verwirrender nicht sein kann, steht immer die simple Beziehung zwischen Vater und Sohn im Zentrum, die uns aufwühlt, nachdenklich stimmt und auch mal einfach nur wütend macht.
Auf der einen Seite könnten wir diesen Atreus manchmal nur heftig schütteln, weil er nervt und einfach nicht auf den Vater hören will, der immer nur eigentlich das Beste und den absoluten Schutz für seinen Sohnemann möchte.
Auf der anderen Seite ist da dieser grummelnde Hüne, der stur seinen Weg geht, kaum Kompromisse eingehen möchte und seinem Sohn kaum vertraut. Gut, er hat durchaus seine Gründe, aber Kratos ist ganz schön verbohrt und engstirnig. Und immer wieder begleitet uns die Frage, ob das mit den beiden auch wirklich gut kommt oder hier doch irgendwann mal ordentlich die Fetzen fliegen werden.
Kratos und Atreus müssen also wiedermal an ihrer Beziehung und wieder an ihrer Geduldsfähigkeit arbeiten. Geduldig müssen auch wir Spieler sein, wenn wir die Reise antreten. Denn in den ersten Stunden läuft die ganze Odyssee mit angezogener Handbremse durch die Lande.
Zwar bekommen wir gleich zu Beginn eine spektakulär inszenierte Actionsequenz geboten, dürfen auch schnell mit Axt und Chaosklinge austeilen und uns überzeugen lassen, dass Kratos von seiner Brutalität nichts verloren hat, und bekommen zudem schon früh den einen oder anderen emotionalen Moment serviert.
Doch das alles will noch nicht so recht fruchten. Die Spielmechanik ist vertraut und wir wissen sofort, wie alles funktioniert, wir treffen auf bekannte Figuren und schlendern wieder durch auch bereits bekannte Landschaften. Nur das erkennbare fortgeschrittene Alter von Atreus macht vorerst deutlich, dass wir uns in einem neuen Abenteuer befinden.
Dem Ganzen fehlt vorerst das Überraschungsmoment. Die Geschichte entwickelt sich nur schleppend und fast schon macht sich die Befürchtung breit, dass es sich die Entwicklerinnen und Entwickler viel zu einfach gemacht und einfach nur die erfolgreichen Inhalte von 2018 aufgewärmt haben. Doch dann, dann plötzlich macht es Klick.
Es gibt da diesen einen Moment oder eher diesen einen Abschnitt, wo die Kinnlade nach unten fällt und wir mit einer Umgebung konfrontiert werden, die eine Grafikpracht entfaltet, dass man nur noch staunen kann. Was folgt, ist nicht nur eine äusserst kluge Einführung in neue Begebenheiten, sondern lässt auch bestimmte Figuren in neuem Licht erstrahlen.
Und ab diesem Zeitpunkt dreht «Ragnarök» voll auf und stösst uns tief hinab in die Geschichte, die das Wort episch wahrlich verdient hat. Vergessen ist die Sorge, dass wir hier einfach nur mehr vom Alten bekommen, und vergessen ist die Tatsache, dass wir zu Beginn gar etwas enttäuscht den Hauptfiguren folgen mussten.
Natürlich kann sich die Fortsetzung dann doch nicht ganz davor verstecken, dass sie das Rad der Spielmechanik nicht neu erfindet, doch mit dem inhaltlichen Festmahl, das uns serviert wird, nehmen wir das ohne Einschränkung komplett auf und ergötzen uns an dem, was uns in den nächsten Stunden geboten wird. Alleine, was uns im letzten Drittel alles um die Ohren und Augen geworfen wird, ist schlicht atemberaubend.
Wie schon im Vorgänger stampfen wir in der Third-Person-Perspektive durch malerische Landschaften, die auch hier stellenweise zur Erkundung einladen. Mal sind die Abschnitte zwar wieder sehr linear, doch es gibt immer wieder externe Pfade, die man einschlagen kann, um dort nicht nur die obligaten Schatzkisten zu finden und diverse Objekte der Begierde zum Aufleveln einzusacken, sondern auch eigenständige Nebenmissionen warten auf ihre Entdeckung.
Mal werden sie uns auf dem Silbertablett präsentiert, mal müssen wir die Augen offenhalten, um nicht eine schicke Sidequest zu verpassen. Selbstverständlich sind auch wieder ruhige Bootsfahrten mit dabei, wo wir die herrlich schönen Dialoge zwischen den Figuren mitverfolgen dürfen. Einige Welten kennen wir zwar bereits aus dem Vorgänger, aber sie präsentieren sich dann doch in einem etwas anderen Kleid. Neue Welten, Gegner und Götter warten natürlich ebenfalls auf unser Ankommen und sind mal freundlich, mal weniger freundlich gegenüber uns eingestellt.
Die Kämpfe mit Kratos und Sohnemann Atreus als Sidekick sind gewohnt bombastisch und mit den vielen Möglichkeiten auszuteilen, sprich sich zu verteidigen kann sich jeder und jede seine eigene Strategie zurechtlegen. Der Berserker-Modus ist ebenso wieder mit dabei wie die obligaten Tür-Schalter-Rätsel.
Mit dabei ist leider auch die stellenweise auftretende Kameraproblematik. Wie schon beim Vorgänger will uns die Kamera gerade in hektischen Kämpfen manchmal den Überblick verweigern. Da kann es dann immer wieder mal vorkommen, dass wir Gegner übersehen und hinterrücks ordentlich aufs Maul bekommen.
Fazit: «Ragnarök» braucht durchaus seine Zeit, bis uns diese Fortsetzung richtig packt. Dann begeben wir uns aber voller Vertrauen auf diese neue, sehr dramatische Reise von Kratos und Atreus. Wir fühlen immer mehr mit den beiden und leiden mit, wenn Vater und Sohn ihre Wege gehen und uns eine Überraschung nach der anderen ins Sofa drücken.
Auch audiovisuell werden wir immer mehr beschenkt und können manchmal gar nicht so richtig fassen, was uns da wieder während rund 30 Stunden alles geboten wird. Der Fortsetzung fehlt zwar die spielmechanische Überraschung, die uns so sehr beim Erstling gebannt hat, dafür dreht die Fortsetzung inhaltlich und optisch bis zum Anschlag auf und nimmt uns mit auf eine wahrlich epische Reise, die wir so schnell nicht mehr vergessen werden.
«God of War Ragnarök» ist ab dem 9. November erhältlich für Playstation 5 und Playstation 4. Freigegeben ab 18 Jahren.