Huawei war in den letzten Wochen, Trump sei Dank, praktisch ununterbrochen in den Schlagzeilen. Die Sperre der USA hat die Preise der neusten Huawei-Smartphones purzeln lassen. Das Embargo ist inzwischen teils aufgehoben und laut Huawei braucht sich niemand Sorgen zu machen, dass ein momentan oder bislang gekauftes Gerät aufgrund der Sanktionen unbrauchbar wird.
Da passt es doch gut, dass ich das Huawei P30 Pro in den letzten zwei Monaten ausgiebig testen konnte. Und um das Ganze noch etwas spannender zu machen, hab ich es gleich noch gegen die kleineren Geschwister P30 und P30 Lite antreten lassen.
Das Flaggschiff von Huawei ist ein ziemlicher Brocken. Eigentlich war die P-Serie gegenüber der Mate-Serie bisher immer die etwas kleinere Modellreihe. Doch dieses Mal überragt das P30 Pro selbst das grösste Mate-Modell.
Diese Grösse macht sich auch im Gewicht bemerkbar. Auch wenn 192 Gramm für diese Grösse sicher nicht überaus viel sind, hat man doch das Gefühl, einen ziemlichen Brocken in der Hand zu halten.
Auch die abgerundeten Ecken sind Geschmacksache. Sie machen das P30 Pro zwar schön schlank – was bei dieser Grösse von Vorteil ist – ansonsten ist das aber mehr ein Gimmick, denn nützlich. Vor allem bei gewissen Apps oder Websites kann es in seltenen Fällen vorkommen, dass Elemente, die sich ganz am Rand befinden, nicht reagieren. Zwar ist das nur ein Detail, aber dennoch stellt sich mir da die Frage, warum man Ecken abrunden muss, wenn es ausser dem schlankeren Gehäuse keine wirklichen Vorteile bringt.
Das P30 kommt sehr schlank und schlicht daher – im positiven Sinne. Hält man das Gerät in der Hand, erschrickt man zuerst beinahe, weil es um einiges leichter erscheint als der grosse Bruder. Das ist vor allem amüsant, da das P30 nach Datenblatt nur 30 Gramm leichter ist. Dennoch hat man bei diesem Gerät das Gefühl, ein leichtes, schön kompaktes Smartphone in der Hand zu halten, das sich leicht bedienen lässt. Ebenfalls kann das P30 gegenüber dem P30 Pro mit einer herkömmlichen Kopfhörerbuchse auftrumpfen. Rein von der Handhabung her gebe ich dem P30 ganz klar den Vorzug gegenüber dem P30 Pro.
Obwohl das Lite eigentlich das Baby in der P30-Linie ist, ist es mit 6,15 Zoll etwas grösser als das P30. Da der untere Rand etwas breiter ausfällt, ist das P30 Lite damit nicht das kompakteste Gerät in der Familie. Beim Gewicht fällt kaum ein Unterschied auf, dafür fühlt sich das Gerät nicht so wertig an, wie die anderen beiden. Das liegt schlicht daran, dass man beim Lite aus Kostengründen auf einen Kunststoffbody gesetzt hat. Wer also bei einem Smartphone die Kühle des Metalls mag, wenn man es in die Hand nimmt, wird hier enttäuscht. Weniger rutschig ist das P30 Lite deswegen leider nicht, dafür gibt's als Trost einen Klinkensteckeranschluss für Kopfhörer.
Während die Modelle P30 Pro und P30 sehr ähnliche Spezifikationen haben, ist das P30 Lite etwas schwächer auf der Brust. Vor allem im Bereich der Kamera-Software hat das P30 Lite nicht so viel zu bieten wie seine beiden Brüder. Mehr dazu weiter unten.
Während die Kameras des P30 Pro und P30 sich nur unwesentlich unterscheiden, muss man beim P30 Lite budgetbedingt einige Einbussen hinnehmen. Vor allem im Funktionsumfang hinkt das Lite den grösseren Brüdern doch etwas hinterher. Einen optischen Zoom oder Hybridzoom gibt es beispielsweise nicht und auch der digitale Zoom ist eher dürftig.
Bei den Linsen hat Huawei beim Lite immerhin den Ultraweitwinkel ins Gehäuse gepackt, dafür aber die Makrolinse weggelassen. Was ihr damit verpasst, lest ihr weiter unten.
Wenig verwunderlich hat man beim Huawei P30 Pro am meisten Auswahl bei den verschiedenen Foto- und Videomodi. Die meisten Modi sind aber eher Spielereien oder kommen nur in ganz spezifischen Situationen zum Einsatz. So findet man nebst dem AR-Modus auch einen extra Unterwassermodus oder kann Filter und Sticker auf die Fotos und Videos pappen.
Alles in allem bietet Huawei aber selbst beim Lite-Modell noch so viele Modi und Einstellungen, dass man sich fast ein bisschen darin verlieren kann, wenn man möchte. Einen Minuspunkt gibt's dafür, dass man die Reihenfolge der verschiedenen Modie nicht sortieren kann. So hätte ich beispielsweise den Porträtmodus in der Favoritenliste viel lieber durch den Supermakro ersetzt, der nur unter «mehr» zu finden ist.
Huawei versucht dieses Problem damit überflüssig zu machen, indem der AI-Modus automatisch erkennt, welche Linse nötig ist.
Beim konkreten Beispiel des Supermakro klappt das relativ zuverlässig. Es gibt aber auch immer mal Fotomotive, bei denen das Erkennen und Umschalten ein, zwei Sekunden dauert, was mit der Zeit etwas nerven kann. Sehr selten klappt das auch überhaupt nicht und man muss doch wieder unter «mehr» den Modus manuell aufrufen.
Kommt noch hinzu, dass der AI-Modus die Fotos immer optimieren will. Im Wesentlichen heisst das: Bei Menschen Weichzeichner drauf und bei allem anderen die Sättigung voll hochschrauben. Das führt dazu, dass beispielsweise Gras oft schon fast Giftgrün wird. Sehr gut sieht man diesen Unterschied im Vergleich zu HMDs Nokia 9, welches Farben relativ naturgetreu wiedergibt.
Für viele sieht das sicher supertoll aus, doch wer gerne möglichst natürliche Farben hat, wird an den P30-Modellen keine Freude haben. Immerhin kann man die Sättigung der Farben in den Einstellungen noch etwas regulieren – allerdings nur beim P30 und P30 Pro.
Bei den rund ein Dutzend Features, die Huawei in seinem Werbeprospekt bezüglich der Kamera des P30 Pro heraushebt, fallen vor allem drei Punkte auf:
Neu ist eine Ultraweitwinkellinse in einem Smartphone nicht. Diverse Hersteller setzen sie bereits in verschiedenen Modellen ein. Bereits letzten Herbst hat Huawei die Ultraweitwinkellinse im Mate 20 eingeführt, nun kommen auch die Fans der P-Serie in den Genuss.
Ich prophezeie jetzt einfach einmal: Wer ein Smartphone mit Ultraweitwinkel hat, will diese Linse nicht mehr missen. Es macht einfach Spass, wenn man mehr auf sein Foto bekommt, ohne, dass man seine Position verändern muss. Sehr nützlich ist das natürlich bei Gruppen- und Landschaftsfotos.
Mit dem Smartphone zoomen, ist immer so eine Sache. Nebst dem, dass die vergrösserten Bilder kaum zu gebrauchen sind, verwende ich den Zoom eigentlich fast nie.
Vielleicht liegt es aber eben genau daran, dass die Qualität des Zooms so schlecht ist, dass ich diesen selten verwende. Mit dem P30 Pro könnte sich das ändern. Das Gerät hat einen fünffachen optischen Zoom eingebaut, der tatsächlich nicht schlecht ist. Auch der Bildstabilisator, der Huawei für diesen Zweck verbaut hat, tut das, was er soll und ermöglicht so selbst mit meinen zittrigen Händen scharfe Fotos.
Wem das noch zu wenig ist, schafft mit dem Hybrid-Zoom eine zehnfache Vergrösserung. Hierbei werden optischer und digitaler Zoom kombiniert. Die künstliche Intelligenz soll laut Huawei dafür sorgen, dass das Bild scharf bleibt. In der Praxis ist das Ergebnis mit dem Hybrid-Zoom okay und für ein Smartphone doch recht beeindruckend. Allerdings nimmt die Schärfe des Fotos auch merklich ab, aber nicht so weit, dass es stört.
Anmerkung: Alle folgenden Fotos mit Zoom wurden ohne Stativ gemacht.
Schliesslich wäre da noch der digitale Zoom, mit dem man fünfzigfach vergrössern kann. Es wird also nicht wirklich gezoomt, sondern schlicht der Bildausschnitt auf dem Display vergrössert. Das ist in erster Linie eine nette Spielerei, die sich natürlich auf dem Datenblatt von Huawei sehr schön anhört.
Dennoch, wer jetzt denkt, dass ein Digitalzoom ein Witz ist, sollte sich bremsen. Denn für einen Digitalzoom ist software-seitig doch einiges mehr nötig, als nur das Bild zu vergrössern. Wer sich also denkt, er könne einen Bildausschnitt ja ganz einfach im Nachhinein schnell vergrössern und ausschneiden, wird nicht dasselbe Resultat erhalten. Hier bietet Huawei also doch einiges an Know-How auf, um das Bild möglichst scharf zu machen.
Tatsächlich hat Huawei nebst einem Ultraweitwinkel auch eine echte Makrolinse verbaut. Hier wird nicht mit Software getrickst. Für mich war es eines der Highlights des Huawei P30 Pro und des P30. Wer sich ein Lite-Modell kaufen möchte, muss auch auf die Makrolinse verzichten.
Im Modus «Supermakro» ist es möglich, Objekte aus einer Nähe von 25 Millimeter zu fotografieren. Und das funktioniert nicht nur in der Theorie wunderbar, sondern auch in der Praxis. Wie gut der Makromodus ist, zeigt sich im internen Vergleich der drei P30-Geräte.
Es ist klar, dass sich der Makromodus der beiden P30-Modelle nicht mit Linsen für Systemkameras messen kann. Dennoch ist die Linse ein Fortschritt, der vor allem auch sehr viel Spass macht.
Dual Shot ist ein spezieller Videomodus, bei dem der Bildschirm in zwei Bereiche aufgeteilt wird. Auf der linken Seite des Split-Screens filmt die Kamera mit der normalen Linse, während rechts die Ultraweitwinkellinse zum Einsatz kommt.
Der Dual Shot ist einer dieser netten Gimmicks, mit denen sich Hersteller krampfhaft abzuheben versuchen. Wirklich massentauglich scheint mir der Dual Shot nicht zu sein, sondern viel eher etwas, dass am ehesten noch Youtubern gefallen könnte. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man so beispielsweise bei Landschaftsaufnahmen den Moderator schön nah vor der Linse hat, während man gleichzeitig das schöne Panorama hinter ihm sieht. Ich jedenfalls habe den Dual-Shot-Modus nach kurzem Ausprobieren nie wieder verwendet.
Bereits in der Vergangenheit hat Huawei in unseren Tests bewiesen, dass die Akkus seiner Top-Smartphones sehr ausdauernd sind.
Auch die P30-Serie reiht sich bei der Akkulaufzeit sehr weit vorne in der Rangliste ein. Vor allem das P30 Pro ist – für Smartphoneverhältnisse – fast nicht totzukriegen. In meinem Alltagstest über mehrere Wochen hat das Gerät immer länger als 24 Stunden gehalten – und ich bezeichne mich selbst als Heavy User.
Ich pendle pro Tag fast vier Stunden und höre dabei eigentlich permanent Musik oder Hörbücher. Wegen meines kabellosen Kopfhörers ist Bluetooth beinahe immer an. Dazwischen streame ich auch Videos oder surfe exzessiv im Netz und bearbeite Fotos. Abends benutze ich das Gerät dann auch gerne mal, um via Chromecast Videos auf den TV zu streamen.
Ist der Akkustand doch mal niedrig, hat man nach gut einer viertel Stunde wieder genug geladen, um (bei durchschnittlicher Nutzung) locker einen neunstündigen Arbeitstag zu überleben.
Tatsächlich hat die gute Akkulaufzeit und der schnelle Ladevorgang dafür gesorgt, dass mein Smartphone nicht mehr über Nacht an der Steckdose hängt. Warum auch? Ist der Akku am Morgen doch mal auf 20 Prozent runter, reicht es, das P30 Pro während des Frühstücks zu laden.
Etwas weniger lang halten das P30 und das P30 Lite, da beide einen kleineren Akku unter 4000 mAh haben. Dennoch kommt man auch mit diesen beiden Modellen ohne Probleme über den Tag. Geht man morgens um halb sieben mit einem vollen Akku aus dem Haus, ist die Ladestandsanzeige Abends um sieben selten unter 20 Prozent. Noch länger hält der Akku, wenn man den Stromsparmodus einschaltet. Man kriegt problemlos weiterhin Push-Benachrichtigungen von WhatsApp und Co. aber gewisse stromfressende Hintergrundprozesse werden unterbunden.
Das Huawei P30 Pro und P30 kommen beide mit einem in den Bildschirm integrierten Fingerabdrucksensor. Dieser funktioniert zuverlässig, zeigt aber auch auf, dass bei diesen neuen Bildschirmsensoren noch viel Luft nach oben ist. Beispielsweise kann es durchaus vorkommen, dass der Sperrbildschirm meckert, wenn man den Finger etwas zu hastig auflegt.
Ebenfalls nicht sehr gerne hat diese neue Technologie, wenn die Finger etwas zu schwitzig oder fettig sind. Sehr gewöhnungsbedürftig ist vor allem die Geschwindigkeit, die gegenüber bisherigen Sensoren im Gehäuse merklich langsamer ist. Das dürfte den einen oder anderen User zu Beginn etwas auf die Geduldsprobe stellen.
Ja, was soll ich sagen? Sie sind alle drei richtig schnell. Bei einem Top-Handy sollte das ja auch nicht wirklich eine Überraschung sein. Das P30 Pro und das P30 haben dafür auch einen der neusten Prozessoren und ordentlich Arbeitsspeicher unter der Haube. Alles läuft flüssig, nichts hängt oder ruckelt. Wenn man ganz genau hinschaut, ist das P30 Lite einen winzig kleinen Tick langsamer. Das kommt daher, dass Huawei im Lite-Modell einen etwas schwächeren Prozessor verbaut hat. Irgendwo muss bei einem Budget-Modell auch gespart werden.
Dieser Geschwindigkeitsunterschied fällt bei normalem Alltagsgebrauch aber überhaupt nicht ins Gewicht. Apps starten sofort, die Kamera fokussiert genug schnell, so dass ich mich nicht genervt habe und auch der Fingerprint ist okay.
Ja. Alle Smartphones von Huawei können ohne Probleme gekauft werden. Selbst wenn die USA Huawei nicht von der schwarzen Liste streichen würde, gäbe es weiterhin Software-Updates für die P30-Reihe. So gab es auch in den letzten beiden Monaten das eine oder andere (kleinere) Update.
Allerdings behandelt Huawei seine Top-Modelle mit Priorität. Das zeigt sich beim letzten Update des monatlichen Android-Sicherheitspatchs:
Auch bei der hauseigenen Benutzeroberfläche EMUI hinkt das P30 Lite ein klein wenig hinterher: Während die beiden stärkeren Modelle bereits die neuste Version 9.1.0 haben, gibt's beim Lite bisher «nur» die Version 9.0.1. Das ist jetzt erstmal natürlich kein grosser Unterschied, aber es deutet an, dass das P30 Lite wohl nicht so lange mit Updates versorgt werden wird, wie die beiden grösseren Modelle.
Nachdem ich alle drei Modelle je über mehrere Wochen testen konnte, hat sich für mich ein klarer Favorit herauskristallisiert: das Huawei P30. Für mich bietet es genug Leistung, Ausdauer und Kamerafunktionen, dass ich zufrieden durch den Alltag komme. Für mich rechtfertigen sich die rund 200 Franken Unterschied zum P30 Pro fast nicht, nur, damit ich etwas mehr zoomen kann, etwas mehr Akku habe, etwas mehr Megapixel bei der Kamera.
Auch bei der Handhabung ist für mich das P30 einfach um einiges besser. Es fühlt sich leicht und handlich an, hat keine abgerundeten Ecken und einen Klinkenanschluss für Kopfhörer. Den brauche ich zwar sehr selten, aber im Notfall ist man eben doch manchmal froh, ihn zu haben. Zwar kann das P30 nicht kabellos geladen werden, aber so schnell wie die P30-Handys laden, finde ich das eh nicht nötig.
Etwas vorsichtiger bin ich beim P30 Lite. Ja, es ist ein solides Handy, die Akkulaufzeit ist gut, ebenfalls die Geschwindigkeit und die Verarbeitung. Für aktuell knapp 300 Franken gibt es aber durchaus andere Geräte, die ähnliches leisten oder sogar etwas besser sind. Auch sollte man sich überlegen, einfach ein Top-Smartphone von letztem Jahr zu kaufen. Beispielsweise kostet das Huawei Mate 20 nur etwa 90 Franken mehr.
Gemäss Tabelle wäre dies jedoch möglich?
Danke für den Artikel!