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Schweiz

Krankenversicherer ÖKK und Landal Greenparks bestätigen Clop-Attacke

Schweizer Krankenkasse und Ferien-Anbieterin bestätigen Datenklau durch russische Bande

Das Versicherungsunternehmen ÖKK und die auch in der Schweiz aktive Ferienpark-Betreiberin Landal bestätigen gegenüber watson einen Hackerangriff durch die «Clop»-Bande. Weitere Betroffene dürften folgen.
15.06.2023, 10:1415.06.2023, 12:18
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Die Ransomware-Bande Clop hat ihre Drohung wahr gemacht: Auf der Leak-Site der berüchtigten Cyberkriminellen prangten am Donnerstag zahlreiche Namen von zum Teil sehr bekannten Unternehmen. Unter ihnen: das weltgrösste Mineralöl- und Erdgasunternehmen Shell, aber auch die Schweizer Krankenversicherung ÖKK und die unter anderem auch hierzulande tätige Ferienpark-Betreiberin Landal.

Der Datenabfluss hält sich bislang in Grenzen, wie Recherchen von watson zeigen. Weitere Opfer dürften folgen.

Auf der Leak-Site von Clop im Darknet sind mehrere neue Namen aufgeführt.
Auf der Leak-Site von Clop im Darknet sind mehrere neue Namen aufgeführt.screenshot: watson

Die Vorgeschichte:

Letzte Woche hatte die russischsprachige Bande auf ihrer Leak-Site im Darknet verlauten lassen, dass sie dank einer kaum bekannten Schwachstelle in einem Datei-Übertragungs-Tool massenhaft Unternehmen gehackt habe. Die Cyberkriminellen nannten damals keine Namen, sondern forderten Betroffene, die das entsprechende Software-Tool einsetzten, auf, sich bis spätestens am 14. Juni 2023 zu melden.

Wichtig zu wissen: Es handelt sich nicht um Ransomware-Attacken, bei denen die Angreifer die IT-Systeme ihrer Opfer mit einer Schadsoftware zu verschlüsseln versuchen.

Die Täter nutzten Schwachstellen in der Software MOVEit Transfer aus, um heimlich Daten von den Servern zu stehlen. Und nun drohen sie im Zuge der «Hack and Leak»-Attacke mit der Veröffentlichung der Daten im Darknet.

Das sagt der betroffene Krankenversicherer

watson hat beim Schweizer Krankenversicherer ÖKK nachgefragt. Das Bündner Unternehmen bestätigt einen entsprechenden Cyberangriff in Zusammenhang mit der Datei-Übertragungs-Software MOVEit Transfer.

«Wir gehören zu den mutmasslich vielen Betroffenen. Unser Kernsystem mit den Gesundheitsdaten ist nicht betroffen», erklärt Patrick Eisenhut, Leiter Kommunikation, ÖKK. Es seien Personendaten wie Vorname und Name betroffen.

«Wir sehen aktuell keinen Anlass auf die Forderungen einzugehen.»
Patrick Eisenhut, ÖKK

«Wir haben Sofortmassnahmen ergriffen und arbeiten mit externen Partnern zusammen», sagt der ÖKK-Mediensprecher. Die Cybersicherheits-Spezialisten hätten «so weit bereits Entwarnung gegeben» und man habe die betroffene Plattform (MOVEit Transfer) wieder hochgefahren.

Die Partnerorganisationen seien bereits informiert worden, man prüfe derzeit, die Kundinnen und Kunden auch noch direkt zu informieren.

ÖKK ist gemäss Beschreibung auf seiner Website ein schweizweit tätiges Versicherungsunternehmen mit 30 Agenturen. Kundschaft: Rund 190’000 Privat­personen sowie 13’000 Firmen und öffentliche Institutionen. Das jährliche Prämienvolumen belaufe sich auf 800 Millionen Franken. ÖKK beschäftige rund 490 Mitarbeitende und rund 15 Lernende.

Was sagt Landal?

Simone Clemens, Mediensprecherin von Landal GreenParks, bestätigt auf Anfrage von watson, dass das Unternehmen die weltweit eingesetzte Software von MOVEit nutze. Wie in den Nachrichten zu vernehmen gewesen sei, sei es Cyberkriminellen gelungen, diese Software zu hacken.

«Die Cyberkriminellen verschafften sich auch Zugang zu Landal GreenParks und zu den Daten der Gäste. Ob sie von diesem Zugang auch tatsächlich Gebrauch gemacht haben, wissen wir nicht.»

Man habe vorsichtshalber die niederländische Datenschutzbehörde (Autoriteit Persoonsgegevens) und die Gäste informiert. Ausserdem habe man den betreffenden Server sofort abgeschaltet und neu konfiguriert, «um sicherzustellen, dass Unbefugte keinen Zugriff mehr haben».

Die Mediensprecherin erklärt:

«Die personenbezogenen Daten, die möglicherweise erbeutet wurden, enthalten keine Passwörter oder Finanzangaben und keine Informationen über zukünftige Buchungen. Es handelt sich um die Namen und Kontaktdaten von etwa 12'000 Gästen. Angesichts des Ausmasses dieses MOVEit-Hacks gehen wir davon aus, dass noch mehr Unternehmen diesen Hack gemeldet haben oder melden werden.»

Landal GreenParks ist ein niederländisches Touristikunternehmen, das in Europa eine Kette von Ferienparks betreibt und auch in der Schweiz Übernachtungsmöglichkeiten anbietet, am Vierwaldstättersee und in Graubünden.

Wie viele Opfer gibt es insgesamt?

Das ist nicht bekannt. Hunderte Unternehmen und Organisationen rund um den Globus haben die Datei-Übertragungs-Software MOVEit Transfer laut Berichten eingesetzt.

Auf der Darknet-Seite von Clop werden bislang einige neue Namen aufgeführt, darunter:

  • 1st Source: US-Bank.
  • Datasite: Cloud-Anbieterin aus Deutschland
  • First National Bankers Bank: USA
  • Heidelberger Druckmaschinen AG: Deutschland
  • Landal GreenParks: Ferienpark-Anbieterin mit Hauptsitz in Deutschland, auch in der Schweiz tätig
  • Leggett & Platt: grosser US-Möbelhersteller
  • National Student Clearinghouse: gemeinnützige US-Bildungsorganisation.
  • Putnam Investments: Das US-Unternehmen verwaltet rund 165 Milliarden Dollar Kundenvermögen.
  • Shell: Der multinationale Erdöl-Konzern mit Hauptsitz in London ist in mehr als 140 Ländern aktiv und hat einen Jahresumsatz von rund 180 Milliarden US-Dollar.
  • UnitedHealthcare Student Resources: US-Krankenversicherer.
  • University of Georgia: US-Bildungseinrichtung

Wie das Beispiel ÖKK zeigt, ist fraglich, ob es bei diesen Organisationen zu grösseren Datenabflüssen kam.

Kann es auch zu massiven Datenabflüssen gekommen sein?

«Definitiv», sagt der Schweizer IT-Sicherheitsexperte Marc Ruef.

«Hier spielt zum Beispiel die Netzwerktopologie eine wichtige Rolle: Wie ist das Netzwerk strukturiert, welche Übergänge werden durch Firewalls geschützt und wo befindet sich die angegriffene Komponente. Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, hat es den Angreifern nicht leicht gemacht.»

Das Abschätzen von Umfang und Auswirkungen der Clop-Massen-Attacke sei sehr schwierig. Ein «Exploiting» (Ausnützen der Schwachstelle) habe schon sehr früh angefangen und viele Firmen auf dem falschen Fuss erwischt.

«Es fragt sich, inwiefern die Angreifer das Ausnutzen der Schwachstelle und das Zusammentragen der Daten automatisieren konnten. Wir gehen davon aus, dass gerade in der Anfangsphase viele Zugriffe durch die Angreifer manuell erfolgen mussten, was die Durchsetzung von Attacken eher träge machte.»
Hinweis zum Thema?
watson-Redaktor Daniel Schurter ist über die verschlüsselte Schweizer Messenger-App Threema auch anonym zu erreichen. Seine «Threema ID» lautet: ACYMFHZX. Oder du schreibst an daniel.schurter [at] protonmail.com. Wer sich beim Schweizer Secure-Mail-Anbieter (kostenlos) registriert, kann verschlüsselte E-Mails verschicken.

Quellen

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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pat da Rat
15.06.2023 10:49registriert Mai 2022
"...man prüfe derzeit, die Kundinnen und Kunden auch noch direkt zu informieren" äh, was gibts da zu prüfen? Natürlich sind die betroffenen Kunden, deren Daten abhanden gekommen sind, zu informieren. Die Daten "gehören" den Kunden, auch wenn das Unternehmen diese einfordert, verwaltet und verarbeitet. Eigenartige Vorstellung von verantwortungsvollem Umgang mit Daten.
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Ricky LaFleur
15.06.2023 10:33registriert März 2021
Hier das Statement der SVP dazu, dass sie von russischen Hackern, die die Schweiz angreifen, positiv erwähnt wird:
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Schlüsselblüemli
15.06.2023 11:06registriert April 2020
Kann man da irgendwie rechtlich gegen zb die Krankenkasse vorgehen? Die sind ja dazu verpflichtet meine Daten zu schützen.
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