Vorschussbetrug ist seit Anfang der 80er-Jahre bekannt. In E-Mails und Briefen werden ausserordentliche Profite in Aussicht gestellt. Die aktuelle Flüchtlingskrise ist für Betrüger die perfekte Gelegenheit, unkritische Zeitgenossen um viel Geld zu erleichtern. Ein Beispiel.
Chantal Billaud
schweizerische kriminalprävention
Kein Unfall, keine Umweltkatastrophe und auch sonst keine Krise, die von Trickbetrügern nicht schamlos ausgenutzt wird: Selbst die grösste Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg muss für einen alten Abzocker-Trick im Internet herhalten.
Schon seit einigen Tagen flattert eine betrügerische E-Mail eines angeblichen syrischen Flüchtlings auch bei Schweizern in den Maileingang. «Ich schreibe Ihnen, um Ihnen privat meine Qual in Syrien mitzuteilen», lautet der Betreff der E-Mail. Die in gutem Deutsch verfasste Nachricht beginnt mit dem Satz:
Nun bittet Abadi um Hilfe:
Uns schwant bereits etwas – und tatsächlich: Abadi möchte, dass wir ihm helfen, sein Geld in Syrien nach Europa zu überweisen. So könne er bei uns eine neue Existenz aufbauen. Nun sucht der gute Mann nach Geschäftspartnern und lässt uns auch gleich konkret wissen, wie wir helfen können.
«Die Gruppierungen, die hinter organisiertem Vorschussbetrug stecken, kommen aus Westafrika, Nigeria, aber auch der Elfenbeinküste», heisst es bei der Schweizerischen Kriminalprävention. Darauf liessen zumindest Hinweise der Strafverfolgungsbehörden schliessen. Auf den ersten Blick scheinen Betrugsversuche mit der Flüchtlingskrise noch die Ausnahme zu sein. Die Meldestelle beim Bundesamt für Polizei fedpol hat «bisher keine Meldungen zu Betrugsmaschen erhalten, die auf die Flüchtlingskrise Bezug nehmen». Entsprechend sind auch keine Schadensfälle bekannt.
Das könnte daran liegen, dass die Opfer ihren Fehler erst später bemerken und sich daher auch erst künftig bei den Behörden melden. Da die Masche inzwischen weitherum bekannt ist, dürften neue betrügerische E-Mails den Behörden zudem seltener gemeldet werden.
Die Frage bleibt, warum seit Jahren oder besser Jahrzehnten immer wieder Menschen auf die Mitleidsmasche der Betrüger hereinfallen. Eine mögliche Erklärung klingt zunächst paradox, ist auf den zweiten Blick aber durchaus plausibel.
Die aktuelle E-Mail des angeblichen Syrers ist in fast perfektem Deutsch verfasst. In anderen betrügerischen E-Mails wimmelt es oft von Rechtschreibfehlern. Das kann an mangelhaften Übersetzungsprogrammen der Internet-Kriminellen liegen – oder die Fehler werden mit Absicht eingebaut. Die Betrüger versenden die E-Mails teils an hunderttausende Empfänger. «Die Betrüger möchten jedoch nicht mit allen davon in Kontakt treten, sondern nur mit den unkritischsten», sagt Martin Boess von der Schweizerischen Kriminalprävention gegenüber SRF.
Das Kalkül der Kriminellen: Unerfahrene Empfänger, die selbst auf schlecht gemachte E-Mails antworten, lassen sich am einfachsten abzocken. «Vorschussbetrug funktioniert nur bei Menschen, die noch nie von dieser Masche gehört haben oder das Wissen in der konkreten Situation verdrängen – beispielweise weil die Gier Überhand genommen hat», sagt die Schweizerischen Kriminalprävention.
Die Masche Vorschussbetrug ist von der sogenannten Nigeria-Connection bekannt. Wer auf die Betrugsmail antwortet, wird aufgefordert, einen Vorschuss zu überweisen, damit die Zahlung oder der Geldtransfer via Diplomat ausgelöst werden könne. Den Vorschuss sieht man nie wieder, Geld kommt auch keines. Wer diese oder eine ähnliche E-Mail erhält, sollte sie unverzüglich löschen.
«Seit 1988 werden weltweit Briefe – zuerst als Fax, seit Mitte der 90er-Jahre vermehrt als Email – verschickt, in denen den Empfängern grosse Summen versprochen werden, wenn sie afrikanischen Geschäftsleuten behilflich seien, riesige Dollarbeträge ausser Landes zu schaffen», erklärt die deutsche Webseite Nigeria Connection. Von den Betrugsopfern wird in einen zweiten Schritt eine meist hohe Gebühr verlangt, zum Beispiel für Überweisungen, Anwaltskosten, Steuern oder Bestechungsgelder.
Die Webseite Nigeria Connection macht unzählige Betrugsmails aus früheren Jahren verfügbar. Der Seitenbetreiber schreibt: «Ich habe die Mails gesammelt und sie hier zugänglich gemacht. Sie sind ein eigenartiges Stück Subkultur und ich kann nicht umhin, einige als gut ausgedachtes Seemannsgarn zu goutieren.»
Übrigens: Hinter dem aktuellen Betrugsversuch dürften die gleichen Kriminellen stecken, die zuletzt mit gefälschten E-Mails von Postfinance, Apple oder angeblichen Lottogewinnen nach Opfern fischten. Darauf lässt die Absender-Adresse schliessen, die stets in leicht veränderter Form auftaucht: Sei es als jennybuchgraber@networld.at oder jennifer.buchgraber1@networld.at oder buchgraber@networld.at.
via scamhunter