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Die berüchtigte «Nigeria Connection» hat einen neuen Trick, um naive Schweizer abzuzocken – jetzt als getarnte Syrien-Flüchtlinge

Die berüchtigte «Nigeria Connection» hat einen neuen Trick, um naive Schweizer abzuzocken – jetzt als getarnte Syrien-Flüchtlinge

Vorschussbetrug ist seit Anfang der 80er-Jahre bekannt. In E-Mails und Briefen werden ausserordentliche Profite in Aussicht gestellt. Die aktuelle Flüchtlingskrise ist für Betrüger die perfekte Gelegenheit, unkritische Zeitgenossen um viel Geld zu erleichtern. Ein Beispiel.
22.09.2015, 13:3923.09.2015, 14:19
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«Wir haben kaum je erlebt, dass eine medial ausgeschlachtete Krise nicht für Online-Betrug genutzt wird: Sei dies ein Bürgerkrieg in Afrika, der Flugzeugabsturz bei Germanwings oder nun die Syrienkrise.»
Chantal Billaud
schweizerische kriminalprävention

Kein Unfall, keine Umweltkatastrophe und auch sonst keine Krise, die von Trickbetrügern nicht schamlos ausgenutzt wird: Selbst die grösste Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg muss für einen alten Abzocker-Trick im Internet herhalten. 

Schon seit einigen Tagen flattert eine betrügerische E-Mail eines angeblichen syrischen Flüchtlings auch bei Schweizern in den Maileingang. «Ich schreibe Ihnen, um Ihnen privat meine Qual in Syrien mitzuteilen», lautet der Betreff der E-Mail. Die in gutem Deutsch verfasste Nachricht beginnt mit dem Satz:

«Mein Name ist Marwan Abadi, syrischer Staatsbürger. Mein Vater wurde in einer Stadt in Syrien getötet und sein Unternehmen niedergebrannt, weil er Rebellen unterstützt hat.»

Nun bittet Abadi um Hilfe:

«Daher musste ich mit meiner Frau und Kindern flüchten und bin nun in einem Flüchtlingscamp in Syrien. Vor seinem Tod hat mein Vater 11,8 Millionen Euro (elf Millionen acht hundert tausend Euro) bei einer Sicherheitsfirma hinterlegt.»

Uns schwant bereits etwas – und tatsächlich: Abadi möchte, dass wir ihm helfen, sein Geld in Syrien nach Europa zu überweisen. So könne er bei uns eine neue Existenz aufbauen. Nun sucht der gute Mann nach Geschäftspartnern und lässt uns auch gleich konkret wissen, wie wir helfen können.

«Es gibt zwei Möglichkeiten wie die Überweisung geschehen kann. Das Kapital kann auf Ihr Konto überwiesen werden oder in bar von einem registrierten Diplomaten in Ihr Land gesendet werden. Ich kann versichern, dass die Überweisung reibungslos verläuft.»

«Die Gruppierungen, die hinter organisiertem Vorschussbetrug stecken, kommen aus Westafrika, Nigeria, aber auch der Elfenbeinküste», heisst es bei der Schweizerischen Kriminalprävention. Darauf liessen zumindest Hinweise der Strafverfolgungsbehörden schliessen. Auf den ersten Blick scheinen Betrugsversuche mit der Flüchtlingskrise noch die Ausnahme zu sein. Die Meldestelle beim Bundesamt für Polizei fedpol hat «bisher keine Meldungen zu Betrugsmaschen erhalten, die auf die Flüchtlingskrise Bezug nehmen». Entsprechend sind auch keine Schadensfälle bekannt.

Das könnte daran liegen, dass die Opfer ihren Fehler erst später bemerken und sich daher auch erst künftig bei den Behörden melden. Da die Masche inzwischen weitherum bekannt ist, dürften neue betrügerische E-Mails den Behörden zudem seltener gemeldet werden.

Die Frage bleibt, warum seit Jahren oder besser Jahrzehnten immer wieder Menschen auf die Mitleidsmasche der Betrüger hereinfallen. Eine mögliche Erklärung klingt zunächst paradox, ist auf den zweiten Blick aber durchaus plausibel.

Ablauf des Tricks und Erkennungsmerkmale
Das potenzielle Opfer erhält ein E-Mail, mitunter auch noch Faxe oder Briefe, in denen die Betrüger mitteilen, dass man ein Millionenvermögen ausser Landes schaffen müsse.

Dazu benötige man die Dienste der auserkorenen Person und man sei durch Empfehlung auf sie als besonders ehrlichen Menschen aufmerksam gemacht worden.

Selbstverständlich erhalte man dafür, je nach Absender, zwischen 5 und 30 Prozent Provision, was dann schnell mal 3 bis 100 Mio. Franken entspricht.

«Um nun die Transaktion aber abwickeln zu können, wird ein Zeichen Ihrer ‹Ehrlichkeit› erwartet und dies bedeutet, man erwartet zunächst Geld von Ihnen oder eine Probeüberweisung oder ähnlich unsinnige Begründungen, wie z. B. angebliche Überweisungsgebühren, Reisekosten, Anwaltsgebühren, Schmiergelder, Steuern, Bussen etc., um an Ihr Geld zu kommen.» 

Es gab auch Fälle, in denen ein Treffen arrangiert wurde.

Wenn man die Überweisung getätigt hat, kann man sicher sein, nie wieder etwas von den Betrügern zu hören und das Geld ist weg.

Aber die Adresse des Opfers wird weiter gereicht an andere Betrüger und schon bald bekommt man Post, diesmal mit einer neuen Methode. (Quelle/Mehr Infos: Schweizerische Kriminalprävention)

Warum Betrüger mit Absicht Fehler in E-Mails einbauen

Die aktuelle E-Mail des angeblichen Syrers ist in fast perfektem Deutsch verfasst. In anderen betrügerischen E-Mails wimmelt es oft von Rechtschreibfehlern. Das kann an mangelhaften Übersetzungsprogrammen der Internet-Kriminellen liegen – oder die Fehler werden mit Absicht eingebaut. Die Betrüger versenden die E-Mails teils an hunderttausende Empfänger. «Die Betrüger möchten jedoch nicht mit allen davon in Kontakt treten, sondern nur mit den unkritischsten», sagt Martin Boess von der Schweizerischen Kriminalprävention gegenüber SRF.

Das Kalkül der Kriminellen: Unerfahrene Empfänger, die selbst auf schlecht gemachte E-Mails antworten, lassen sich am einfachsten abzocken. «Vorschussbetrug funktioniert nur bei Menschen, die noch nie von dieser Masche gehört haben oder das Wissen in der konkreten Situation verdrängen – beispielweise weil die Gier Überhand genommen hat», sagt die Schweizerischen Kriminalprävention.

Ist die Nigeria-Connection wieder aktiv?

Die Masche Vorschussbetrug ist von der sogenannten Nigeria-Connection bekannt. Wer auf die Betrugsmail antwortet, wird aufgefordert, einen Vorschuss zu überweisen, damit die Zahlung oder der Geldtransfer via Diplomat ausgelöst werden könne. Den Vorschuss sieht man nie wieder, Geld kommt auch keines. Wer diese oder eine ähnliche E-Mail erhält, sollte sie unverzüglich löschen.

«Seit 1988 werden weltweit Briefe – zuerst als Fax, seit Mitte der 90er-Jahre vermehrt als Email – verschickt, in denen den Empfängern grosse Summen versprochen werden, wenn sie afrikanischen Geschäftsleuten behilflich seien, riesige Dollarbeträge ausser Landes zu schaffen», erklärt die deutsche Webseite Nigeria Connection. Von den Betrugsopfern wird in einen zweiten Schritt eine meist hohe Gebühr verlangt, zum Beispiel für Überweisungen, Anwaltskosten, Steuern oder Bestechungsgelder.

Die Webseite Nigeria Connection macht unzählige Betrugsmails aus früheren Jahren verfügbar. Der Seitenbetreiber schreibt: «Ich habe die Mails gesammelt und sie hier zugänglich gemacht. Sie sind ein eigenartiges Stück Subkultur und ich kann nicht umhin, einige als gut ausgedachtes Seemannsgarn zu goutieren.»

Übrigens: Hinter dem aktuellen Betrugsversuch dürften die gleichen Kriminellen stecken, die zuletzt mit gefälschten E-Mails von Postfinance, Apple oder angeblichen Lottogewinnen nach Opfern fischten. Darauf lässt die Absender-Adresse schliessen, die stets in leicht veränderter Form auftaucht: Sei es als jennybuchgraber@networld.at oder jennifer.buchgraber1@networld.at oder buchgraber@networld.at. 

Die vollständige E-Mail

Date: Fri, 4 Sep 2015

From: jennybuchgraber@networld.at

Subject: Ich schreibe Ihnen, um Ihnen privat meine Qual in Syrien mitzuteilen

Mein Name ist Marwan Abadi, syrischer Staatsbürger. Mein Vater wurde in einer Stadt in Syrien getötet und sein Unternehmen niedergebrannt, weil er Rebellen unterstützt hat (der Syrische Nationalrat), der aktuell dafür kämpft, Syrer aus der Staatsgewalt von Präsident Bashar Al-Assad zu befreien.

Ich habe meinen Vater Sheik Abu Ibrahim Abadi verloren und seine Firma in Damaskus und das meiste des Familienvermögens, da die loyale Gewalt zu Präsident Bashar Al-Assad behauptet hat, dass mein Vater die Rebellen unterstützt und finanziert. So musste ich mit meiner Frau und Kindern flüchten und bin nun in einem Flüchtlingscamp in Syrien. Vor seinem Tod hat mein Vater 11,8 Millionen Euro (elf Millionen acht hundert tausend Euro) bei einer Sicherheitsfirma hinterlegt. Das ist das Einzige was mir und meiner Familie geblieben ist. Wir suchen nach einer Möglichkeit nach Geschäftspartnern in Ausland, denn in Syrien scheinen die politischen Unruhen für lange Zeit anzudauern.

Wir wollen investieren und von dem Geld in Ihrem Land Gebrauch machen, vielleicht dorthin übersiedeln bis die Krise in Syrien endgültig beendet ist.

Es gibt zwei Möglichkeiten wie die Überweisung geschehen kann. Das Kapital kann auf Ihr Konto überwiesen werden oder in bar von einem registrierten Diplomaten in Ihr Land gesendet werden. Ich kann versichern, dass die Überweisung reibungslos verläuft. Bitte teilen Sie mir mit, mit welcher Methode Sie mit uns arbeiten wollen, sodass wir mit den Maßnahmen beginnen können.

Sie können mich gerne jederzeit kontaktieren (abadimarwan01@gmail.com)

Lassen Sie mich hier enden, in der Hoffnung, eine rasche Antwort von Ihnen zu erhalten.

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1 Kommentar
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Die beliebtesten Kommentare
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Butschina
22.09.2015 14:25registriert August 2015
ou ja von der Jenny hab ich auch mal Post bekommen. Schwup ap in den Müll. Ich bin zwar finanziell nicht gut gestellt, aber zum Glück bin ich mit gesundem Respekt ausgestattet und nicht darauf reingefallen. Ich hoffe, dass durch Artikel wie dieser, auch der Hinterste und Letzte davon erfährt.
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