Auf der griechischen Ferieninsel Kreta kommen aktuell nicht nur Touristinnen und Touristen an, sondern seit ein paar Monaten auch immer mehr irreguläre Migranten. Allein diese Woche waren es über 2000 Personen. Während die Zahlen auf allen andere Migrationsrouten teils markant zurückgingen, steigen sie auf der zentralen Mittelmeerroute. Der Grund: In Libyen tut sich ein neuer Hotspot für irreguläre Überfahrten nach Europa auf. Genauer: in Ost-Libyen.
Dort regiert nicht die international anerkannte Regierung in Tripolis, sondern von Bengasi aus der libysche Warlord General Haftar. Und dieser in den 1970er-Jahren in der Sowjetunion ausgebildete Militär ist ein alter Alliierter von Russlands Präsident Wladimir Putin.
Laut der EU nutzt Putin diese Allianz nun, um Europa mit einer neuen Welle irregulärer Migration zu destabilisieren. Dieselbe Methode hat er schon bei Finnland, Polen und dem Baltikum angewendet. Über Monate lockte Putin Migranten aus dem globalen Süden nach Russland und schickte sie teils über Weissrussland an die Grenze zu Europa.
Polen und die anderen Länder haben daraufhin massiv in den Grenzschutz investiert und Grenze weitestgehend geschlossen. Manche Migranten fanden sich daraufhin im Niemandsland der weissrussisch-polnischen Länder wieder. Nun weicht Ober-Schlepper Putin auf Libyen aus.
«Wir sehen, dass Russland und Weissrussland Menschen nach Libyen deportieren, um sie gezielt nach Europa zu bringen», sagte der EU-Migrationskommissar Magnus Brunner bei einer Diskussionsveranstaltung kürzlich in Brüssel. Transportvehikel sei eine weissrussische Airline, welche die Menschen direkt nach Ost-Libyen fliege, von wo sie sich dann auf den Weg nach Europa machten. Das sei «natürlich inakzeptabel», so der Österreicher.
Quasi alle der Migrantenboote legen in der ost-libyschen Hafenstadt Tobruk ab. Die Ankünfte in Griechenland über Ost-Libyen haben sich um 173 Prozent erhöht. In Kreta sind es plus 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Als Reaktion schickte die griechische Marine kürzlich zwei Fregatten und ein Begleitschiff auf Patrouillenfahrt vor den libyschen Hoheitsgewässern. Viel ausrichten gegen die Boote können diese aber auch nicht.
Am Dienstag nun ist Migrationskommissar Brunner im Quartett mit den Ministern aus Griechenland, Italien und Malta nach Libyen gereist, um mit Haftar das Problem persönlich zu besprechen. Nur: So weit kam es nicht. Die EU-Delegation konnte zwar mit der Regierung in Tripolis reden. Zu Haftar im Osten des Landes vordringen schaffte sie aber nicht.
Am Flughafen in der ostlibyschen Stadt Bengasi war Schluss. Die Europäer wurden zu «Personae non gratae» erklärt und umgehend aus dem Land verwiesen. Ein diplomatischer Gross-Eklat. Als Begründung nannten die ost-libyschen Machthaber, die Europäer hätten «die nationale Souveränität» verletzt. Sie hätten demnach vorab eine Einreiseerlaubnis bei Haftar einholen müssen.
Offenbar ging es Haftar darum, eine offizielle Anerkennung seiner Regierung erpressen zu wollen. Andere Stimmen sagen, der Eklat sei so geplant gewesen. Haftar lasse sich nicht nur von Putin einspannen, sondern habe eigene wirtschaftliche Interessen, die er auf die Agenda heben wolle.
Am Mittwoch kündigte Griechenland an, für mindestens drei Monate keine Asylanträge für Migranten zu bearbeiten, die das Land über Ost-Libyen erreichten. Wer auf Kreta ankomme, werde zudem festgesetzt. (aargauerzeitung.ch)