Digital
Schweiz

Digitale Gesellschaft warnt vor automatischen Gesichts-Scans in Zürich

Zuschauer verfolgen die Sitzung des Zuercher Kantonsrats, aufgenommen am Montag, 5. Mai 2025 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)...
Eine frühere Sitzung des Kantonsrats. Nun hat sich das Parlament für mehr digitale Überwachung des öffentlichen Raums ausgesprochen.Bild: keystone

Zürcher Parlament ist für Überwachung mittels Gesichts-Scans – Experten warnen

Unabhängige Fachleute finden deutliche Worte: Erstmals habe ein Parlament in der Schweiz entschieden, dass der Staat biometrische Gesichtserkennung zur Überwachung der Bevölkerung einsetzen darf.
25.11.2025, 16:3625.11.2025, 16:36

Die Zürcher Regierung soll neu in eigener Kompetenz entscheiden können, ob die Bevölkerung mit moderner Technologie überwacht werden darf. Dies hat das Kantonsparlament nach intensiver Debatte und gegen den Widerstand der Linken entschieden.

Die Digitale Gesellschaft Schweiz, ein gemeinnütziger Verein, der sich für die Einhaltung der Grundrechte in einer digital vernetzten Welt einsetzt, kritisiert den Entscheid und spricht von Vertrauensbruch.

Was ist passiert?

Am Montag hat sich eine Mehrheit des Zürcher Kantonsparlaments dafür ausgesprochen, automatische Gesichtserkennung zu ermöglichen.

Die linken Parteien forderten vergeblich ein Verbot von automatischer Identifizierung im öffentlichen Raum über biometrische Daten. Sie warnten vor einer flächendeckenden Überwachung mit Kameras.

Wie funktioniert das?
Konkret geht es um das maschinelle Identifizieren von Personen mittels KI-gesteuerter Spezialsoftware. Diese wertet blitzschnell die bei jedem Menschen unterschiedlichen Gesichtszüge aus und gleicht die einzigartigen biometrischen Daten mit denen in einer Datenbank ab. Die zu verarbeitenden Aufnahmen stammen von leistungsfähigen Videokameras, die in Echtzeit oder nachträglich ausgewertet werden.
infobox image

Die bürgerliche Ratsmehrheit hat sich nun nicht nur gegen ein Verbot automatischer Gesichtserkennung ausgesprochen, sondern im Gegenteil sollen Pilotversuche für biometrische Massenüberwachung ohne weitere Gesetzesgrundlage erlaubt werden.

Von den Bürgerlichen mussten sich die Linken anhören, «technologiefeindlich» zu sein. Innovationen sollten laut SVP und FDP nicht ausgebremst werden.

Die Kantonsregierung selbst hatte sich noch dafür eingesetzt, keine Pilotversuche mit biometrischen Daten zu erlauben. Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) sprach von «verantwortungsbewusster Digitalisierung». Doch die bürgerlichen Parlamentarier wollten mehr.

Das Ja zu biometrischer Überwachung erfolgt zu einem speziellen Zeitpunkt: Am Sonntag befindet das Stimmvolk über die kantonale Initiative für digitale Integrität. Die Vorlage will unter anderem ein Überwachungs-Verbot in der Kantonsverfassung festschreiben.

Wo ist das Problem?

Der Kanton Zürich schlage mit dem Entscheid «ein neues Kapitel der Massenüberwachung» auf, warnt die Digitale Gesellschaft Schweiz in einer Mitteilung.

«Eine solche Form der anlasslosen und flächendeckenden Überwachung steht im direkten Widerspruch zu den Grundprinzipien einer demokratisch organisierten Gesellschaft. Sie verletzt nicht nur das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Privatsphäre, sondern auch international garantierte Menschenrechte.»
Erik Schönenberger, Co-Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft

Wer digitale Technologien gegen die Integrität der Menschen einsetze, untergrabe ihr Vertrauen in das Gemeinwesen und die Demokratie. Und konkret:

  • Wenn Menschen im öffentlichen Raum (über Kameras) jederzeit identifiziert oder beobachtet werden können, sei dies ein schwerwiegender Eingriff in ihre informationelle Selbstbestimmung.
  • Die Möglichkeit permanenter Erkennung habe ausserdem eine abschreckende Wirkung, was auf Englisch als «Chilling Effect» bezeichnet wird.
  • Betroffen seien die Versammlungsfreiheit, die freie Meinungsäusserung und die Bewegungsfreiheit: Die Ausübung dieser zentralen Grundrechte werde durch die Überwachung erheblich beschädigt.

In der Digitalen Gesellschaft Schweiz engagieren sich Juristen und andere Fachleute ehrenamtlich. Die Organisation berät Individuen und ­Institutionen zu Konsumenten- und Rechtsfragen im ­digitalen Raum und bringt sich bei wichtigen politischen Vorlagen ein.

Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» wies der Rechtsanwalt Martin Steiger, Sprecher der Digitalen Gesellschaft, auf eine weitere negative Folge des Entscheids hin. Dieser könnte dem Kanton Zürich und der Schweiz «als vertrauenswürdigem Standort für Daten» schaden.

«Der Kantonsrat folgt damit der politischen Tendenz, aus einem falsch verstandenen Verständnis von Digitalisierung zu ermöglichen, dass wir alle noch mehr ohne Anlass und Verdacht überwacht werden.»
quelle: tages-anzeiger.ch

Ein zivilgesellschaftliches Bündnis von AlgorithmWatch, Amnesty International und Digitaler Gesellschaft Schweiz setzt sich seit Jahren gegen die Überwachung mithilfe digitaler Gesichtserkennung ein.

Im März 2024 lehnte das Zürcher Parlament nur knapp einen Vorstoss der Grünen-Politikerin Wilma Willi ab, die ein grundsätzliches Verbot von automatischer Gesichtserkennung im öffentlichen Raum forderte.

Wie geht es weiter?

Hintergrund der aktuellen Diskussionen im Zürcher Parlament ist die Totalrevision des kantonalen Gesetzes über die Information und den Datenschutz (IDG).

Das überarbeitete Gesetz geht nun in die Redaktionskommission des Parlaments. Die Schlussabstimmung findet zu einem späteren Zeitpunkt statt.

Quellen

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Weil Glück nie schadet, 25 besonders weise Glückskeks-Zitate
1 / 27
Weil Glück nie schadet, 25 besonders weise Glückskeks-Zitate
«Du bist dabei, um $8.95 ärmer zu werden. ($6.95, wenn du das Buffet hattest.)» bild: imgur
Auf Facebook teilenAuf X teilen
China testet ein Punktesystem für Bürger
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
0 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
KI-generiertes Weihnachts-Wandbild in London geht viral – jetzt wird es abgehängt
Ein Wandbild mit einer weihnachtlichen Szene sorgt in London für Aufregung. Wer genau hinschaut, erkennt, warum.
Beim angesagten Riverside Walk in Kingston upon Thames im Südwesten von London hing bis vor Kurzem ein Wandbild, das für Aufruhr sorgte. Der Grund: Die Weihnachtsszene, die darauf abgebildet war, war KI-generiert. Und zwar sehr offensichtlich.
Zur Story