Ein internationales Journalistenkonsortium hat neue Vorwürfe gegen den israelischen Überwachungssoftware-Anbieter NSO veröffentlicht. Es geht einmal mehr um Pegasus. Das ist eine 2016 entdeckte Cyberwaffe, mit der sich iPhones und Android-Smartphones unbemerkt ausspionieren lassen und die von Unrechtsstaaten weltweit eingesetzt wird.
IT-Experten fanden den Berichten zufolge auf 37 Smartphones von Journalisten, Menschenrechtlern, deren Familienangehörigen und Geschäftsleuten Spuren von Angriffen mit der Pegasus-Software der israelischen NSO Group.
Die Nummern seien Teil eines Datensatzes von mehr als 50'000 Telefonnummern, den die Journalisten gemeinsam mit den Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International auswerteten. Die Nummern sollen den Berichten zufolge offenbar von NSO-Kunden als potenzielle Ausspähziele ausgewählt worden sein.
Gemäss Schilderungen von IT-Sicherheitsexperten gibt es Hinweise, dass Angreifer dank der NSO-Software auch in iPhones mit der neusten System-Software (iOS 14.6) einbrechen können. Bei einer sogenannten Zero-Klick-Attacke sei überhaupt kein Zutun des Opfers erforderlich. Dies wegen einer Sicherheitslücke bei Apples iMessage (Nachrichten).
NSO wies die Vorwürfe am Sonntag vehement zurück (siehe unten).
An dem internationalen Journalistenkonsortium sind die «Süddeutsche Zeitung», NRD, WDR und die «Zeit» beteiligt, die am Sonntag erste Berichte veröffentlichten.
Nach ihrer Darstellung legen die Recherchen des «Pegasus-Projekts» nahe, dass Hunderte Journalisten, Menschenrechtler, Oppositionelle und Politiker ausgewählt wurden, um sie mit der Spionagesoftware zu überwachen. So stünden die Nummern von mehr als 180 Journalistinnen und Journalisten aus verschiedenen Ländern auf der Liste.
Vor acht Jahren enthüllte @Snowden das Ausmaß US-amerikanischer Überwachung. Diese Woche geben wir Einblicke in die Schattenwelt kommerzieller #Spionage-Software. Das #PegasusProject zeigt, wie solche Cyberwerkzeuge eingesetzt – und missbraucht werden: https://t.co/ywI824klxO
— Florian Flade (@FlorianFlade) July 18, 2021
Wie die Liste zu Forbidden Stories und Amnesty International kam, die sie dann mit den Medien teilten, blieb in den Berichten offen – die «Süddeutsche Zeitung» verwies hierzu auf den Quellenschutz.
Das Unternehmen verfügt in seinem Heimatland Israel über beste Beziehungen zum Staat. Das israelische Verteidigungsministerium erteilt Exportlizenzen für die Software.
Die NSO Group ist nördlich von Tel Aviv ansässig. Die Firma wurde 2010 von ehemaligen Mitgliedern des israelischen Geheimdienstes gegründet.
Das israelische Unternehmen sprach am Sonntag mit Blick auf den Forbidden-Stories-Bericht von «falschen Vorwürfen und irreführenden Behauptungen». Deren Quellen hätten sie mit Informationen versorgt, die keine Faktenbasis hätten. «Die Vorwürfe sind so empörend und weit von der Realität entfernt, dass NSO eine Verleumdungsklage erwägt.»
NSO bekräftigte, seine Technologie stehe «in keiner Weise mit dem abscheulichen Mord an Jamal Khashoggi in Verbindung». Seine Technologie werde «ausschliesslich an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste von geprüften Regierungen verkauft, mit dem alleinigen Ziel, durch Verhinderung von Verbrechen und Terrorakten Menschenleben zu retten».
Laut den neuen Recherchen sind mindestens zehn Staaten darunter, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt:
Das Unternehmen habe als Rechtfertigung betont, dass man bereits fünf Kunden abgelehnt habe, um potenziellen Missbrauch der Überwachungssoftware zu verhindern. Ein sechster, Saudi-Arabien, solle jetzt ebenfalls von der Kundenliste gestrichen werden. Darüber hinaus führe die NSO Group eine Liste mit 55 Ländern, mit denen die Firma grundsätzlich nicht zusammenarbeiten würde. Dazu gehörten China, Russland, Nordkorea, Kuba und der Iran.
Das kommt gar nicht überraschend. Die Problematik des Verkaufs kommerzieller Überwachungstechnik an Unrechtsstaaten durch die NSO ist seit Jahren bekannt.
NSO ist schon wiederholt vorgeworfen worden, mit der Software Pegasus totalitären Regierungen bei der Ausspähung von Journalisten und Dissidenten geholfen zu haben.
Facebook hatte NSO 2019 in den USA verklagt. Der Vorwurf in der Klage lautet, NSO habe versucht, sich über eine später geschlossene Sicherheitslücke bei WhatsApp Zugriff auf Hunderte Smartphones zu verschaffen. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwälte, Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen.
NSO war auch vorgeworfen worden, seine Überwachungssoftware habe bei der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi eine Rolle gespielt. Laut der «Washington Post» gehörten zwei der Smartphones, auf denen IT-Experten von Amnesty International Spuren von Pegasus-Angriffen gefunden hätten, Frauen, die Khashoggi nahestanden.
Die Artikel lösten in Deutschland Forderungen nach Aufklärung und strikteren Kontrollen im Geschäft mit Überwachungssoftware aus. Der Deutsche Journalisten-Verband verlangte von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden Auskunft darüber, ob Pegasus auch gegen deutsche Journalisten eingesetzt worden sei. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union forderte Einschränkungen für den Export von Überwachungstechnologie.
Das deutsche Innenministerium versicherte, niemand werde überwacht, weil er einer journalistischen Arbeit nachgehe. Zugleich gebe man keine Auskunft zu operativen Massnahmen und damit auch nicht darüber, ob Pegasus generell genutzt werde. Die Bundesregierung habe die Berichte zur Kenntnis genommen, hiess es aus dem Kanzleramt. Pressefreiheit sei ein hohes Gut, betonte eine Regierungssprecherin.
Frankreichs Regierungssprecher Gabriel Attal sprach von einem «äusserst schockierenden Sachverhalt» und kündigte Untersuchungen an. «Wir hängen sehr an der Pressefreiheit», sagte er bei Franceinfo. Der Tageszeitung «Le Monde» zufolge fanden sich in der Liste rund 30 Journalisten und Chefs von Medienunternehmen in Frankreich. Die Online-Plattform «Mediapart» schrieb, Handys von zwei ihrer Journalisten seien 2019 bis 2020 mit Pegasus angegriffen worden. Dahinter stünden marokkanische Geheimdienste, lautete der Vorwurf.
(dsc/sda/dpa)
stadtzuercher
ob die Schwurbler die diesen Spruch bei jeder Gelegenheit anpreisen, noch immer daran glauben?