Die Ukraine kämpft ums Überleben – und kann dabei nicht nur auf eine schlagkräftige Armee zählen, sondern auch auf die Freiheitsliebe der Bürgerinnen und Bürger.
Auf Ukrainisch heisst das Phänomen «Teroborona». Gemeint ist die zivile Widerstandsbewegung, in der sich Menschen jeglichen Alters und unterschiedlichster Herkunft engagieren. Sie alle eint der Wille, die Russen zurückzuschlagen.
In eindrücklicher Erinnerung sind die Bilder, die Senioren und Hausfrauen beim Abfüllen von Molotow-Cocktails zeigten. Die Bevölkerung Kiews rüstete sich für den Häuserkampf. Mit improvisierten Brandsätzen gegen die Invasoren.
Die Punkrockband Gogol Bordello hat Teroborona einen eigenen Song gewidmet. Der Frontmann Eugene Hütz, ein in die USA emigrierter Musiker und Schauspieler mit russisch-ukrainischen Wurzeln, sagte in einem Interview:
Der Song biete nicht nur moralische, sondern auch praktische Unterstützung für die Ukraine, berichtete ein US-Musik-Magazin. Alle Erlöse aus dem Verkauf würden für wohltätige Zwecke verwendet und kämen Kriegsopfern zugute.
Und damit zurück zu TerOnlyFans. Eine Aktion, die ungewöhnlich und gleichzeitig typisch ist für die Menschen, die sich in Osteuropa gegen Russland wehren. Wer hätte gedacht, dass auch Nacktfotos gegen die Faschisten helfen ...
Das mag auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich wirken, zumindest für Westeuropäer, die die Ukraine nur aus den Kriegsschlagzeilen kennen. Initiantin von TerOnlyFans ist die gebürtige Weissrussin Nastassia Nasko. Sie sagt:
Die Idee zur Gründung von TerOnlyFans sei ihr nur wenige Tage nach Beginn der Invasion der russischen Truppen in der Ukraine Ende Februar gekommen, erzählte die Marketingleiterin der britischen Journalistin Sophia Ankel, deren Artikel diese Woche bei «Business Insider» publiziert wurde.
Nasko, eine leidenschaftliche Gamerin, habe wenige Tage nach dem russischen Einmarsch auf Twitter herumgefragt, ob jemand mit dem Auto helfen könnte, einen Bekannten aus Charkiw zu evakuieren. Das war eine der ersten ukrainischen Städte, die von Putins Truppen belagert wurden.
Als niemand antwortete, twitterte die 23-Jährige halb im Scherz, dass sie ein Nacktbild von sich schicken würde als Belohnung. Innert fünf Minuten habe sie mehr als zehn Nachrichten erhalten. Und nachdem sie einem Mann, der seine Unterstützung zusagte, ein Nacktfoto von sich schickte, sei ihr Bekannter unbeschadet aus Charkiw weggekommen.
Einige Tage später – am Internationalen Frauentag – habe sie dann mit ihrer ukrainischen Freundin Anastasiya Kuchmenko, die auch das Logo zeichnete, TerOnlyFans gestartet.
Der Name ist eine Kombination aus Teroborona und OnlyFans. Bei beiden Online-Plattformen geht es um die Vermittlung von Nacktaufnahmen gegen Geld. Doch fliessen bei TerOnlyFans die gesamten Einnahmen direkt an die ukrainischen Streitkräfte oder Hilfsorganisationen im Land.
Seit dem Start der Website haben sich 35 Frauen und drei Männer, von denen die meisten in der Ukraine lebten, angemeldet, um Nacktfotos von sich an Spender zu senden.
Nur zehn von ihnen hatten bereits Erfahrungen mit OnlyFans, während die anderen erklärten, sie wollten sich freiwillig melden, um der Ukraine zu helfen, wie Nasko sagte.
Innert drei Monaten habe die Gruppe mehr als 700'000 US-Dollar sammeln und für den Kauf von Waffen und Material weiterleiten können, schreibt «Business Insider».
Die Mehrheit der Spenden sei an die ukrainische Territorialverteidigung gegangen, etwas Geld sei auch an Flüchtlings-Organisationen und Tierheime geschickt worden.
Die meisten Spender stammten aus der Ukraine, obwohl die Gruppe auch Geld von Menschen in den Niederlanden, Frankreich und Grossbritannien erhalten habe, sagte Nasko. Die höchste Spende, die die Gruppe bislang erhalten habe, sei eine Kryptowährungs-Zahlung von 2800 Dollar.
Wichtig zu wissen: Im Gegensatz zu den Content-Anbieterinnen und -Anbietern bei OnlyFans ist es bei TerOnlyFans nicht möglich, für mehr Geld explizitere Inhalte zu verlangen. Die Freiwilligen des Projekts nähmen keine Sonderwünsche entgegen, betonte Nasko: «Wir sind keine Sexarbeiterinnen, wir versuchen, Geld für den Krieg zu sammeln.»
Die gebürtige Weissrussin lebte zu Beginn des Krieges in Kiew, hat die ukrainische Hauptstadt mittlerweile aber verlassen und ist in eine Wohnung im polnischen Warschau gezogen. Ihre Freundin hat sich entschieden, in Kiew zu bleiben. Sie leiten TerOnlyFans weiterhin gemeinsam und werben dafür auch mit einem eigenen Telegram-Kanal.
Und sie scheinen wild entschlossen:
Teroborona, eben.
Allerdings sei zugegeben: Auch ich sehe dies so!
Aber daran ist unschwer zu erkennen, dass immer alles auch eine Frage des Standpunktes ist.