Stell dir vor, du hast aus heiterem Himmel einen neuen Whatsapp-Kontakt in deinem Handy – ohne, dass du ihn selbst hinzugefügt hast. Und stell dir vor, dieser Kontakt hat nicht nur ein unfassbar gruseliges Profilbild, sondern schickt dir auch noch kryptische Nachrichten und gruselige Horror-Fotos zu. Angeblich soll genau das seit mehreren Wochen weltweit geschehen.
Whatsapp-Konten mit dem Namen «Momo» und dem Foto eines verzerrten Frauen-Gesichtes sorgen für Aufruhr unter den Usern des Messengers. Aber was steckt dahinter?
Sie scheint aus einem Albtraum zu kommen, aber ist sie überhaupt real?
Reddit, YouTube und andere Internetseiten sind voll mit Behauptungen über «Momo».
Diese Behauptungen werden seit Wochen tausendfach im Internet verbreitet. Der Haken: Sie lassen sich nicht belegen. Vor allem, dass «Momo» aus heiterem Himmel in den Kontaktlisten von Menschen auftaucht, erscheint ausgesprochen unrealistisch. Aber von vorn.
Zuerst einmal zum Foto: Weder handelt es sich um einen echten Menschen, noch um eine Fotomontage. Tatsächlich ist «Momos» Profilbild das Foto einer Skulptur, die von der Firma «Link Factory» in Japan hergestellt und 2016 in einer Kunstgalerie in Tokio ausgestellt wurde.
Das «Momo»-Phänomen nahm im Juli 2018 seinen Anfang. Das Bild geisterte durchs Netz, wurde etwa bei Twitter und Reddit gepostet. (Knowyourmeme.com)
Parallel verbreiten sich verschiedene Handynummern in sozialen Netzwerken, darunter vor allem eine japanische Nummer. Wer die Nummer zu seiner WhatsApp-Kontaktliste hinzufügt, gerät an «Momo» – mit dem Gruselbild von oben als Profilfoto. Neben der japanischen Nummer sind unter anderem auch eine mexikanische und eine kolumbianische Handynummer im Umlauf.
Spanischsprachige Nutzer verbreiteten in sozialen Netzwerken Screenshots von angeblichen WhatsApp-Konversationen mit «Momo». Berichtet wird von Beleidigungen, Anspielungen, dass «Momo» angeblich persönliche Informationen über die Nutzer besitze und verstörenden Fotos.
Wie viele der Screenshots authentisch sind und was da wirklich der Wahrheit entspricht, lässt sich nur schwer überprüfen.
Seit Mitte Juli häufen sich auch die spanischsprachigen Berichte von Zeitungen, Fernsehsendern und Onlineportalen über das Phänomen «Momo». Im Mittelpunkt steht die Frage: Was hat es mit diesem mysteriösen Ding auf sich? Eine wirklich zufriedenstellende Erklärung scheint es bislang nicht zu geben.
In den vergangenen Tagen taucht Momo zunehmend auch bei englisch- und deutschsprachigen Usern auf.
Mittlerweile nehmen sich deutsche YouTuber des Themas an und verhelfen «Momo» dadurch zu noch mehr Aufmerksamkeit.
Die Youtuberin Rebekah Wing veröffentlichte am 20. Juli ein Video, in dem sie angeblich mit «Momo» in Kontakt tritt. Mit gruseliger Musik hinterlegt erklärt sie, wie viel Angst sie davor habe.
Schliesslich scheint «Momo» tatsächlich zurückzuschreiben. Auf japanisch: «Ich kann dich finden». Kurz später zeigt die YouTuberin dann, wie «Momo» sie anruft. Im Hintergrund sind knackende Geräusche zu hören.
Einen Beweis dafür, dass sie tatsächlich mit «Momo» in Kontakt getreten ist, anstatt etwa mit einem anonymen «Komplizen», liefert Rebekah Wing nicht. Die Handynummer wird nicht angezeigt, zu sehen ist lediglich der eingespeicherte Name des Kontakts – «Momo». Gesehen haben alleine dieses Video mittlerweile über 650'000 Menschen.
Was die Zweifel an der Authentizität nährt: Die «Original-Momo» mit der japanischen Handynummer war laut WhatsApp zum letzten Mal am 11. Juli online. (Wir haben das überprüft.)
Wie bei vielen Internet-Phänomenen lässt sich diese Frage nicht abschliessend beantworten. Klar ist: Irgendjemand hat sich die Identität «Momo» ausgedacht, einen WhatsApp-Account mit dem Namen und dem gruseligen Profilbild angelegt und dann mindestens eine Handynummer im Internet verbreitet. Aufgrund der anfänglichen Verbreitung im spanischsprachigen Raum liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei «Momos» Erfinder (oder Erfindern) um jemanden aus Spanien oder Lateinamerika handelt.
Ob verschiedene der verbreiteten Handynummern von der selben Person genutzt werden, oder ob es sich um Trittbrettfahrer handelt, ist unklar.
Unklar ist auch, was die Intention hinter der ganzen Sache ist. «Momo» zeigt jedoch sehr eindrücklich, wie schnell heutzutage ein virales Grusel-Mystery-Phänomen im Internet entsteht.
Hinter «Momo» steckt möglicherweise nur ein harmloser Scherz. Doch selbst wenn das so ist, bringt das Phänomen eine grosse Gefahr mit sich: Kriminelle können sehr einfach auf den Zug aufspringen und das Interesse von Menschen ausnutzen.
So sind mittlerweile mehrere angebliche Handynummern von «Momo» im Umlauf. Darüber können Betrüger mit ahnungslosen Usern in Kontakt treten, versuchen an private Daten zu gelangen, Werbung machen, oder den Kontakt auf andere Arten und Weisen missbrauchen.
Auch hinter der «Original-Momo» könnten Personen mit so einer unlauteren Motivation stecken. Wer mit den Accounts in Kontakt tritt, gibt zumindest seine Handynummer preis.
In Spanien warnte deshalb jetzt auch die Polizei davor, mit «Momo» in Kontakt zu treten. Auf Twitter postete die «Guardia Civil» diesen Hinweis und stellte eine wichtige Frage, die sich alle User bei viralen Internet-Phänomenen wie «Momo» stellen sollten:
🔴¡NO agregues a "Momo"!🚫
— Guardia Civil 🇪🇸 (@guardiacivil) 19. Juli 2018
Si grabas en tu agenda 📲 el núm. +8143510*** te aparecerá un extraño rostro de una mujer. Es el último viral de WhatsApp de moda entre los adolescentes. #NoPiques, 🤣 broma o 👿 ataque de ciberdelincuente ❓ Mejor pasa de agregar.#VeranoSeguro 🖥 pic.twitter.com/qVofD2JZpM