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Museum gegen Wikipedia: Wegweisender Prozess für die Internet-Enzyklopädie

Museum gegen Wikipedia: Wegweisender Prozess für die Internet-Enzyklopädie. 
Museum gegen Wikipedia: Wegweisender Prozess für die Internet-Enzyklopädie. 
Bild: Getty Images Europe

Justiz-Krimi zwischen Wikipedia und Museum: Darf die Online-Enzyklopädie abfotografierte Gemälde publizieren?

26.11.2015, 08:3426.11.2015, 09:17
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Der Urheberrechtsschutz an einem Bild endet 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers. Aber wie ist die Rechtslage, wenn das alte Gemälde später abfotografiert wird? Darüber streitet ein Mannheimer Museum mit Wikipedia – und zieht in einem «Musterprozess» vor Gericht.

Richard Wagner macht einen ernsten Eindruck. Auf dem um 1862 entstandenen Ölgemälde ringt sich der berühmte Komponist kaum ein Lächeln ab. Und ernst geht es auch beim juristischen Streit zu, der sich gut 150 Jahre später zwischen einem Mannheimer Kunstmuseum und der Online-Enzyklopädie Wikipedia um das Bild entfacht – oder vielmehr um eine Fotografie davon.

Das Gemälde von Cäsar Willich (1825-1868) gehört zum Bestand der Reiss-Engelhorn-Museen. Ein Foto davon, aufgenommen vom Hausfotografen des Ausstellungshauses, ist auf mehreren Wikipedia-Seiten zu sehen.

Um dieses Gemälde geht es: Richard Wagner, porträtiert von Cäsar Willich.
Um dieses Gemälde geht es: Richard Wagner, porträtiert von Cäsar Willich.
bild: wikipedia.org

Nach Auffassung der Wikimedia, der Organisation hinter Wikipedia, handelt es sich um ein gemeinfreies Bild. Die Stadt Mannheim, als Museumsbetreiber sieht dagegen ihr Urheberrecht und ihr Recht am Eigentum verletzt – und klagt jetzt vor dem Berliner Landgericht gegen die Macher des Online-Lexikons.

Gegen kommerzielle Nutzung

«Uns geht es nicht darum, dass die Millionen Menschen, die ganz normal Wikipedia nutzen, nicht in den Genuss dieses Bilds kommen können», erklärt der Generaldirektor des Museums, Alfried Wieczorek. «Aber wir möchten kontrollieren, dass etwas, was uns gehört, nicht in falsche Hände gerät.» Das Museum hat dafür klare Regeln. In den Ausstellungsräumen herrscht ein Fotografierverbot. Hauseigenes Bildmaterial kann nach Absprache und bei Zahlung von maximal 250 Euro verwendet werden.

«Ich verstehe nicht, warum eine öffentliche Institution, die einen Bildungs- und Forschungsauftrag hat, mit aller Macht gegen die Verbreitung von Wissen vorgeht», kontert Christian Rickerts, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland.

Wissenschaftliche und kulturelle Projekte würden gerne unterstützt, sagt Museumsdirektor Wieczorek. «Insbesondere die kommerzielle Nutzung von Bildern muss aber abgestimmt werden.» So habe ein US-Unternehmen das Foto aus der Wikipedia verwendet und Merchandising-Produkte mit dem Wagner-Porträt produziert - ohne Rücksprache mit dem Museum.

Dafür und Dawider

«Für beide Seiten geht es um eine Menge», sagt der Hamburger Jurist Oliver Stegmann, der auf Medien- und Urheberrecht spezialisiert ist. «Wäre es zulässig, was Wikimedia macht, dann würde vielen Museen eine Erlösquelle wegbrechen. Umgekehrt wäre es für Wikimedia eine Einschränkung, wenn sie ihre Bilddatenbank nicht mehr so frei wie bisher bestücken könnte.»

Der Verein Wikimedia kann nur Medien zeigen, die entweder gemeinfrei sind oder unter einer freien Lizenz stehen. In einem Blogeintrag erklärte der Verein, dass dies auch für die umstrittenen Bilder gelte: Alle 17 Werke seien von Künstlern erschaffen worden, die länger als 70 Jahre tot sind. «Sie gehören der Allgemeinheit.»

«Nur weil frühere Generationen in ihren Schutzüberlegungen nicht vorausahnen konnten, dass es einmal Scanner und das Internet geben würden, kann nicht einfach eine Hintertür für die Verlängerung über den ursprünglich gewollten Schutz hinaus konstruiert werden», sagt Rickerts. Dennoch: Sollte sich die Stadt Mannheim durchsetzen, würde Wikipedia «erheblich weniger bunt.» (sda/dpa)

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