Digital
Wirtschaft

FTX vor dem Ende? Binance lehnt Übernahmeangebot ab.

Bild

Krypto-Börse FTX hat Liquiditätsprobleme – Binance hilft nicht

09.11.2022, 16:3411.11.2022, 07:37
Mehr «Digital»

Die zweitgrösste Kryptobörse FTX hat Liquiditätsprobleme. Das meldete FTX-CEO Sam Bankman-Fried gestern per Twitter.

Dank der Unterstützung der grössten Kryptobörse Binance seien die Anlagen der User aber nicht in Gefahr. Binance hat eine (nicht bindende) Absichtserklärung unterzeichnet, FTX.com komplett zu übernehmen.

Update vom 9.11.2022, 23:03: Binance hat sich von einer möglichen Übernahme von FTX zurückgezogen. Der Grund seien Ermittlungen von US-Behörden gegen FTX sowie Berichte über möglichen Missbrauch von Kundengeldern.

Der Markt reagierte panisch. Bitcoin fiel in den letzten Tagen von über 21'000 Dollar auf unter 16'000 (Stand: 9.11.2022, 22.57 Uhr). Viele andere Coins wie Ether, Ripple, vor allem aber der FTX-Liebling Solana stürzten noch schlimmer ab.

Das Drama hatte sich in den letzten Tagen angekündigt. Die Hauptrollen besetzen der Kanadier Changpeng «CZ» Zhao, Gründer und CEO der aktuell grössten Kryptobörse Binance, und – in der Rolle des geprügelten Hundes – Sam «SBF» Bankman-Fried, Gründer und CEO der aufstrebenden und je nach Messgrösse zweit- oder drittgrössten Kryptobörse FTX.

Sam Bankman-Fried erklärt seine Spenden für die Demokratische Partei für die Midterms.Video: YouTube/NBC News

Der schrullige SBF genoss bis vor ein paar Wochen in der Kryptoszene einen hervorragenden Ruf. Seine nerdigen TV-Auftritte in Shorts, T-Shirts und mit Wuschelhaaren verhalfen ihm zu Kultstatus. Trotz Milliardenvermögen fährt er einen Toyota Corolla, lebt vegan und vertritt die Philosophie des Effektiven Altruismus. Sprich: Er will möglichst vielen Menschen schnell helfen. Er ist die personifizierte Antithese der Kryptopersönlichkeiten, die ihren finanziellen Erfolg gerne mit Statussymbolen herausposaunen.

SBF gründete 2017 den Kryptofonds Alameda Research und 2019 den Kryptoderivate-Handelsplatz FTX. Letzterer wuchs aufgrund interessanter Handelsmöglichkeiten in kürzester Zeit explosionsartig. Bereits zwei Jahre nach der Gründung verzeichnete FTX eine Million Nutzer und ein Handelsvolumen von 10 Milliarden Dollar – pro Tag. Für über 100 Millionen erstand sich FTX die Namensrechte des Stadions der Miami Heat. Partnerschaften mit Über-Basketballer Steph Curry und Footballstar Tom Brady wurden eingegangen.

epa10279767 The founder and CEO of cryptocurrency exchange company Binance, Chinese-Canadian Changpeng Zhao attends to opening night of the 2022 Web Summit in Lisbon, Portugal, 01 November 2022. The W ...
Changpeng «CZ» Zhao: So bescheiden wie schlau.Bild: keystone

Auftritt CZ. Auch CZ frönt nicht dem schnöden Mammon und präsentiert sich gerne bodenständig mit Kapuzenpullover und mönchartigem Kurzhaarschnitt. Doch CZ ist ein gewiefter Taktiker. In der schnelllebigen Kryptoszene, wo die Lichtgestalten reihenweise vom Sockel gestossen werden, überlebt CZ sämtliche Stürme anscheinend unbeschadet. Auch als FTX zum Angriff auf den Thron von Binance bläst. Denn CZ hat das Potenzial seiner Gegenspieler früh erkannt – und in FTX investiert.

Derweil prosperiert FTX. Im Sog des Hypes um die aufstrebende Kryptobörse steigt auch der Preis des hauseigenen Tokens (FTT) von einem auf 80 Dollar. Nur ein Bruchteil davon befindet sich auf dem Markt – der Rest bleibt im Besitz von FTX und Alameda. Und diese hinterlegen den jetzt wertvollen Token bei Geschäften als Sicherheit.

Als CZ seine FTX-Anteile 2021 verkauft, kriegt er dafür 2 Milliarden – ausbezahlt in FTT und BUSD. Ob CZ auf dieser Form der Bezahlung bestand oder FTX ihn nicht anders auszahlen konnte, ist unklar. Auf jeden Fall erhielt CZ damit nicht nur einen schönen Gewinn, sondern auch ein Mittel, FTX in den Ruin zu treiben. Denn: Die Nachfrage nach FTT ist so gering, dass Binance die Macht hat, den Markt zu fluten und den Preis ins Bodenlose krachen zu lassen. Der Marktleader würde damit zwar selbst seinen Gewinn verkleinern, dafür aber brächte er den aufstrebenden Konkurrenten in grösste Schwierigkeiten. Von dem wird nämlich gemunkelt, er habe zu grosse Risiken genommen und diese mit FTT gedeckt.

Doch CZ hat ein Problem: Sam Bankman-Fried ist der Darling der Szene. Eine derart offensichtliche Konfrontation könnte sich als Schuss ins eigene Knie erweisen. Die heilige Kuh darf (noch) nicht geschlachtet werden.

In der Kryptoszene drehen sich die Uhren schnell – und der Wind kann abrupt drehen. Das musste auch Sam Bankman-Fried erfahren. Das enorme Wachstum von FTX blieb den Behörden nicht verborgen. FTX steckt in Texas plötzlich in juristischen Schwierigkeiten. Ausserdem wird bekannt, dass SBF einen Gesetzesentwurf unterstützt, der in der Szene äusserst unbeliebt ist.

In einem vielbeachteten Podcast wird SBF vorgeführt. Er verheddert sich in Widersprüche, dem einstigen Überflieger werden vom brillanten Redner Erik Voorhees live die Flügel gestutzt. Die Stimmung kippt.

Nun ist die Zeit reif. Auf Twitter schwärzt CZ SBF an. Dieser habe bei den Regulierungsbehörden gegen ihn intrigiert. Unter dem Vorbehalt, nur Transparenz schaffen zu wollen, kündigt er an, Binance werde sämtliche seiner FTT-Tokens abstossen.

Die Botschaft löst aus, was sie sollte: In Erwartung fallender Preise versuchen FTT-Besitzer, zu retten, was noch zu retten ist, und verkaufen in Panik. Der Preis fällt rapide. Von knapp 20 Dollar auf 3,15 in einem Tag. Verängstigte Kunden, gebrannte Kinder der letzten Insolvenzen, ziehen ihr Erspartes von FTX ab – die Handelsplattform kommt in Liquiditätsschwierigkeiten. Es kommt, wie es kommen muss: Als goldener Retter präsentiert sich CZ und Binance.

Update vom 9.11.2022, 22.58 Uhr: Aufgrund der am Anfang genannten Gründen zieht sich Binance vom Übernahmeangebot zurück. Von Geldüberweisungen an die Kryptobörse FTX ist aktuell tunlichst abzusehen.

16-jährige Eiskunstläuferin zeigt Nico die Pirouette – er schmilzt dahin

Video: watson/Aya Baalbaki, Nico Franzoni
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von «7 vs. Wild Panama»
1 / 9
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von «7 vs. Wild Panama»
Am 5. November 2022 ist die 2. Staffel gestartet. Mit dieser Outdoor-Influencerin hier ...
quelle: screenshot: youtube
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Only In America
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
37 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Kommissar Rizzo
09.11.2022 17:28registriert Mai 2021
Tja, schlussendlich sind all diese Krypto-Robin Hoods (als was sie sich ja gerne sehen) auch nur scharf auf Reichtum und vor allem Macht.
Fröhliches HODLen allerseits....
8312
Melden
Zum Kommentar
avatar
Petersilly
09.11.2022 17:12registriert August 2020
Toller Artikel der das was passierte gut zudammenfasst. Danke !
523
Melden
Zum Kommentar
avatar
Frinkcoin
10.11.2022 02:27registriert Februar 2021
In crypto nothing is to big to fail. Not your keys not your coins.
260
Melden
Zum Kommentar
37
Phishing-E-Mails im Namen von Migros, Ikea und TCS: Nein, du gewinnst kein Dankesgeschenk
Obacht, Betrüger verschicken verschiedene Varianten von Phishing-E-Mails im Namen der Migros, von Ikea oder des TCS. Die Masche ist bekannt – und trotzdem funktioniert sie offenbar noch immer.

Ein Notfallset des TCS oder eine elektrische Zahnbürste von der Migros als Dankesgeschenk: Solche Preise kann man angeblich gewinnen, wenn man an einer kurzen Online-Umfrage teilnimmt.

Die Kriminellen versuchen die Empfänger mittels imitierter E-Mails im Namen bekannter Schweizer Unternehmen und Organisationen wie der Migros oder des Verkehrsclubs TCS zu täuschen. Sie wählen für ihre Betrugsmasche mit Vorliebe Unternehmen, die eine hohe Glaubwürdigkeit ausstrahlen.

Das Ziel ist natürlich nicht, den E-Mail-Empfängern vor Weihnachten etwas Gutes zu tun, «sondern an ihre persönlichen Informationen sowie Kreditkartendaten zu gelangen», wie die Kantonspolizei Zürich bereits Anfang Oktober warnte. Die Phishing-Welle läuft allerdings nach wie vor und dürfte erfahrungsgemäss vor den Weihnachtstagen ihren Höhepunkt erreichen.

Zur Story