Es gibt Geschichten, die klingen so unglaublich, dass es weh tut.
Und dann stellt sich heraus, dass sie wahr sind. Zumindest zum grössten Teil.
Wie in diesem Fall, der eine Schweizer Mac-Nutzerin betrifft.
Wobei die Journalistin, die für das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» arbeitet und den Fall am Donnerstag publik gemacht hat, in ihrem Fazit übers Ziel hinausschoss. Aber dazu später mehr...
Der Fall trug sich laut Schilderung auf der SRF-Website wie folgt zu:
Die Frau, die häufig zuhause arbeitet, musste ihren iMac in die Reparatur geben, weil er plötzlich den Geist aufgab.
Zum Glück hatte sie eine kostenpflichtige Garantieverlängerung bei Apple abgeschlossen.
Umso erstaunter war sie, als man ihr im Apple Store nach kurzem Augenschein die Diagnose eröffnete: Die Festplatte sei wegen Nikotinablagerungen (durch Zigarettenrauch) kaputt gegangen.
Und es kam noch schlimmer: Am Telefon wurde der Frau wenig später vom Apple-Support eröffnet, dass Apple das defekte Gerät nicht reparieren werde. Begründung: Dies sei zu gefährlich. Das abgelagerte Nikotin könnte die Gesundheit der Mitarbeiter beeinträchtigen ...
Apple Schweiz wollte laut «Espresso» auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben. Das ist bei dem Fall nicht weiter verwunderlich.
Dafür gab es dann vom Hauptsitz des US-Konzerns im kalifornischen Cupertino eine schriftliche Stellungnahme. Und die hat es in sich: «Unsere offizielle Politik beinhaltet, dass Nikotin eine gefährliche Substanz ist und dass Produkte, die damit belastet sind, nicht sicher behandelt werden können, weil sie das Reparaturteam einem möglichen Gesundheitsrisiko aussetzen.»
Der Fall ist bizarr, aber kein Novum, was das Verhalten des US-Computerherstellers betrifft. Wer im Internet sucht, findet einige alte Fälle, in denen Apple rauchenden Kunden die Reparatur eines defekten Geräts verweigerte.
Das US-Konsumentenschutz-Magazin Consumerist berichtete 2009, dass das Rauchen in der Nähe von Apple-Computern nicht nur die Gesundheit gefährde, sondern auch die Garantie für das Gerät zunichte mache.
Die Antwort lautet Nein. Zumindest sagt dies die Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner, die von «Espresso» wie folgt zitiert wird: «Erstens hätte Apple die Kundin beim Kauf auf einen solchen Garantieausschluss aufmerksam machen müssen. Und zweitens wäre ein solcher Ausschluss auch nur zulässig, wenn die Gesundheit der Mitarbeiter wirklich in Gefahr wäre.»
Apple Schweiz wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen, wo es in den Garantiebestimmungen eine Raucher-Klausel gibt. Die Suche nach dem Wort «Nikotin» ergab auf der Apple-Website keinen Treffer...
Entwarnung geben kann man auch, was die gesundheitliche Gefährdung durch Nikotinablagerungen auf Computern betrifft. «Espresso» hat mit dem Toxikologen Michael Arand von der Universität Zürich gesprochen. Dessen Einschätzung: «Die Mengen an Nikotin, mit denen man in diesem Fall rechnen muss, sind so niedrig, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das eine akute Gefährdung für die Mitarbeiter von Apple darstellen kann.»
Als wäre die Geschichte nicht schlimm genug, ging es noch skurriler weiter. Nachdem Apple der Mac-Besitzerin nicht helfen wollte, empfahl man ihr, sich für die Reparatur an die Schweizer Partnerfirma Data Quest AG zu wenden. Der Computerfachhändler betreibt Filialen in mehreren grossen Städten und darf als autorisierter Apple-Partner unter anderem auch Service-Leistungen anbieten.
Und bei Data Quest löste sich das angebliche Problem mit dem gefährlichen Nikotin in Rauch Luft auf. Der Techniker sagte der Frau, dass die Ablagerungen im normalen Rahmen liegen würden. Weder sei eine Reparatur gefährlich, noch habe das Nikotin etwas mit dem Defekt zu tun. Schuld sei vielmehr ein Fabrikationsfehler bei der Festplatte. Apple habe für genau diese Ausführung einen Rückruf gestartet.
In ihrem Fazit verschweigt die SRF-Journalistin, dass sich die betroffene Kundin einige Tage vor Bekanntwerden der Rückrufaktion an den Apple Store gewendet hatte. Die Mitarbeiter konnten zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht von der Rückrufaktion wissen. Der Vorwurf, dass Apple den Fehler «sofort» hätte bemerken müssen, ist demnach falsch.
Störend ist aber allemal, dass rauchende Kundinnen und Kunden damit rechnen müssen, von Apple keinen Support zu erhalten, sondern mit fragwürdiger «Begründung» an eine Drittfirma verwiesen werden.
Wie nett von Apple - erzählt das den Kindern wenn sie die iPhone etc. zusammenbauen!