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Googles Pakt mit den Medien: Die 150-Millionen-Franken-Spritze

Googles Pakt mit den Medien: Die 150-Millionen-Franken-Spritze

Die Beziehung zwischen Google und den europäischen Verlagen ist angespannt. Die Medienhäuser gehen unterschiedlich damit um: Die einen fordern Geld von Google – die anderen nehmen es.
29.04.2015, 10:4529.04.2015, 11:07
Judith Horchert / spiegel online
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Google hat gemeinsam mit acht Verlagen die «Digital News Initiative» gestartet, begleitet von höchst wolkigen Pressemitteilungen. Es gehe dabei um «Förderung von Innovation im Bereich Publishing», heisst es, oder: «Die Initiative ist das Zwischenergebnis eines Dialogs mit Verlagen und Organisationen über Herausforderungen und Lösungen für Verlage und Journalismus im Transformationsprozess der Digitalisierung.» Das sogenannte Zwischenergebnis lautet: 150 Millionen Euro.

Dieses Geld stellt Google für Medienhäuser bereit, damit sie gemeinsam mit dem Konzern neue journalistische Produkte und Projekte auf den Weg bringen. Acht europäische Verlage gehören zu den Gründungsmitgliedern der Initiative, in Deutschland sind die «Zeit» und die FAZ mit dabei.

«150 Millionen für innovative journalistische Produkte sind ein interessantes Versprechen. Aber es ist für uns nicht der entscheidende Kern der Initiative», sagt Mathias Müller von Blumencron, Digital-Chefredaktor bei der FAZ. «Die Produktentwicklung ist für uns das Entscheidende. Wir sind daran interessiert, gemeinsam mit Google Mechanismen zu entwickeln, um langfristig mehr Geld im digitalen Bereich zu erwirtschaften.»

VG Media freut sich über Googles Zahlungsbereitschaft

Ähnlich hoffnungsvoll äussert sich Rainer Esser, Geschäftsführer der «Zeit»: «Die ‹Digital News Initiative› kann eine gute Plattform sein, um auf europäischer Ebene in einen Dialog zu treten und Google die Anliegen europäischer Medienhäuser zu vermitteln.»

Andere Verlage wählen dafür andere Wege: Die in der VG Media organisierten Verlage pochen weiter darauf, im Zuge des Leistungsschutzrechts an Googles Umsätzen beteiligt zu werden. Sie fordern sechs Prozent des Umsatzes. Von dieser Zahl berichtet die Leipziger Volkszeitung – etwa zeitgleich zur Bekanntgabe von Googles Finanzspritze für europäische Verlage.

Der VG Media (Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte) passt die Nachricht von den 150 Millionen offenbar ganz gut in den Kram. «Google hat erkannt, dass in Presseerzeugnisse investiert werden muss. Auch auf digitalen Medienmärkten. Diese Erkenntnis begrüssen wir sehr», teilt die Verwertungsgesellschaft mit. Allerdings gingen die von der VG Media vertretenen Verlage «einen anderen Weg und wollen gerichtlich und dauerhaft eine garantierte Vergütung für die Nutzung ihrer Inhalte durchsetzen».

Es sei interessant, dass Google «den genannten acht Verlagen Vergütungen und vermögenswerte Vorteile für ihre Inhalte anbietet», schreibt die VG Media. «Eine private Initiative für einige wenige» könne jedoch ein «Recht für alle» nicht ersetzen.

Über die 60 Millionen für Frankreich wurde noch gelästert

Dabei sind die Google-Millionen nicht nur für die Gründungsmitglieder gedacht. Ausdrücklich heisst es, alle Medien könnten mitmachen. Darauf weist auch noch einmal «Zeit»-Geschäftsführer Rainer Esser hin: «Die Fördermittel aus dem Innovationsfonds kommen dabei nicht den acht beteiligten Verlagen zugute, sondern ausschliesslich den Unternehmen, die sich mit einem förderungsfähigen Vorhaben bewerben.»

Ein ähnliches Programm hat Google bereits im Jahr 2013 in Frankreich gestartet, der dortige Fonds heisst Finp. Dort stellte Google Medienmachern 60 Millionen Euro in Aussicht.

Das Geld für die französischen Kollegen nannte die «Zeit» damals abfällig Krumen für Frankreich und kommentierte, die Verlage «liefern sich dem Netzkonzern aus»:

Die FAZ sah die finanzielle Unterstützung in Frankreich damals ebenfalls kritisch: Das neue Abkommen sei ein Pyrrhussieg der Presse und beinhalte «mehr Gefahren als Lösungen». Jetzt sagt Mathias Müller von Blumencron, der seit Oktober 2013 für die digitalen FAZ-Produkte zuständig ist: «Die französischen Verleger sind nicht unzufrieden damit, wie es bisher gelaufen ist.»

«Sonst sind die Gründungsmitglieder schnell wieder weg»

Wofür die französischen Millionen bisher ausgegeben wurden, geht aus einem Ende März veröffentlichten Bericht hervor. Demnach bekam die Wirtschaftszeitung «Les Echos» zwei Millionen Euro aus dem Fonds zum Aufbau einer Plattform für offizielle Mitteilungen von Behörden oder Unternehmen. Bei der Tageszeitung «Le Figaro» wurde die Entwicklung eines Systems zum Auswerten von Kundendaten mit 1,74 Millionen Euro unterstützt. Und «Le Parisien» entwarf mit Hilfe von rund einer Million Euro ein Bezahlangebot für Lokalnachrichten aus Paris und der Region. Beim Rundfunksender Europe 1 wurde der Aufbau eines neuen Videoangebots finanziert.

Vergangenes Jahr wurden in Frankreich gut 16 Millionen Euro ausgeschüttet, insgesamt waren es schon knapp 32 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte des Google-Gelds ist also aufgebraucht.

Die neue Unterstützung für den europäischen Journalismus hat laut Google drei Ziele: Das Entwickeln neuer Produkte, die Förderung von Innovationen sowie die Aus- und Weiterbildung für Journalisten. Wie das konkret aussehen soll und wie dabei die journalistische Unabhängigkeit gewahrt werden kann, bleibt abzuwarten.

Jetzt auf

«Natürlich wollen wir uns nicht für Geschäftsinteressen eines Datenkonzerns missbrauchen lassen; wir wollen die Situation für uns verbessern», sagt Müller von Blumencron. Es gehe um «klare Umsatzversprechen, nicht um Kosmetik». Nicht zuletzt deshalb beginnt man das Projekt bei der FAZ auch mit Skepsis: «Wir werden uns das ein halbes Jahr ansehen. In dieser Zeit wird sich herausstellen, ob Google die Initiative mit der nötigen Ernsthaftigkeit betreibt. Sonst sind die Gründungsmitglieder schnell wieder weg.»

Mit Material von dpa

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