Die Polizei spricht von einem «schrecklichen Verbrechen.» So nannte ein Beamter der österreichischen Polizei gleich zu Beginn der Pressekonferenz um 18 Uhr die Entdeckung vom Nachmittag. Dutzende tote Flüchtlinge wurden auf der Autobahn A4 im Burgenland in einem auf dem Pannenstreifen abgestellten Kleinlaster gefunden. Bereits sei Verwesungsflüssigkeit aus dem Laster geflossen, sagte ein Beamter. Wie viele Menschen in dem LkW waren, konnte die Polizei allerdings auch am Abend noch nicht sagen. Der LkW musste zunächst an einen geeigneten Ort gebracht und gekühlt werden. Der Laster hätte noch nicht geöffnet werden können. Gerichtsmediziner und Beamte sind aber daran, die Spuren auszuwerten. Die Polizei hofft, dass sie morgen nähere Details über die Todesursache und die Anzahl Opfer bekannt geben kann.
Der Sattelschlepper wurde am Donnerstagnachmittag gefunden. Bis zu 50 Flüchtlinge sollen tot darin gelegen haben. Andere Quellen sprechen von 30
Toten . Gemäss Informationen der österreichischen Krone-Zeitung sollen die Flüchtlinge erstickt sein. Vom Fahrer fehlt jede Spur.Unter Führung eines Krisenstabs fahnden österreichische Beamte nach den Schleppern. Die Staatsanwaltschaft nahm nach eigenen Angaben Kontakt zu den ungarischen Strafverfolgungsbehörden auf. «Wir werden nichts unversucht lassen, den Fahrer und seine Hintermänner auszuforschen und das Verbrechen aufzuklären», versicherte der leitende Staatsanwalt Johann Fuchs.
Eine Bergung der toten Flüchtlinge noch an der Autobahn sei nicht möglich, sagte Helmut Marban, der Sprecher der Landespolizeidirektion Burgenland.
Das Fahrzeug mit einem Überführungskennzeichen des ungarischen Zolls sollte daher für die erforderlichen gerichtsmedizinischen Untersuchungen an einen anderen Ort gebracht werden. Dies ist unter anderem der Grund, weshalb derzeit noch nicht klar ist, wie viele Menschen sich in dem Transporter befunden haben.
Asyl-Tragödie auf der A4 im Burgenland: Bis zu 50 Flüchtlinge in Schlepper-Lkw erstickt.
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— Kronen Zeitung (@krone_at) 27. August 2015
Der Landespolizeidirektor Mikl-Leitner sprach von einem dunklen Tag für Österreich. Es sei nun die Aufgabe der Behörden, gegen die verbrecherischen Schlepperbanden effizient vorzugehen. «Die Schlepper dürfen sich nicht in Sicherheit wiegen.» Die Innenministerin forderte an der Pressekonferenz weiter, dass die Flüchtlinge fairer auf die EU-Länder verteilt werden und dass EU-Aussenstellen geschaffen werden, um den Flüchtlingen Schutz zu gewähren.
Beim Fahrzeug mit ungarischem Kennzeichen handelte es sich um einen Kühltransporter einer slowakischen Hühnerfleischfirma. Gegenüber der Kronenzeitung sagte ein Sprecher der Firma, dass 2014 mehrere LKWs weiterverkauft wurden. Offenbar habe einer der Käufer das Fahrzeug nach Ungarn weiterveräussert.
Bereits am Dienstag griff die Polizei drei Schlepper auf. Diese hatten 34 Flüchtlinge in einem Kastenwagen über die Grenze gebracht. Die Insassen, darunter zehn Kleinkinder, wurden offenbar von den Schleppern auf einer Autobahn ausgesetzt. Bei ihrer Befragung erzählten die Flüchtlinge von unmenschlichen Zuständen in den Fahrzeugen. Sie hätten kaum Luft zum Atmen gehabt.
Die Aussetzung von Flüchtlingen ist in Österreich keine Seltenheit. Alleine in Niederösterreich wurden seit Jahresbeginn über 3000 Flüchtlinge von Schleppern auf Autobahnen und Schnellstrassen ausgesetzt, wie ORF berichtet.
Zehntausende Flüchtlinge kommen derzeit auf der Balkanroute nach Europa. Ziele sind meistens Deutschland und die skandinavischen Länder. Auf der Route durchqueren die Flüchtlinge auch Österreich.
«Ich bin erschüttert, tief betroffen und zornig», reagierte der österreichische Justizminister Wolfgang Brandstetter auf das Flüchtlingsdrama. Die Justiz werde gemeinsam mit dem Innenministerium «mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln» gegen diese Form der Kriminalität ankämpfen, kündigte er in einer der APA übermittelten Stellungnahme an.
Die Teilnehmer der Westbalkan-Konferenz gedachten in Wien bei einer Schweigeminute der toten Flüchtlinge. Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer sprach von einem «schockierenden Ereignis». Es zeige einmal mehr die «dringende Notwendigkeit, dass EU-Mitgliedsstaaten solidarisch und in Kooperation mit unseren Partnern am Westbalkan auf diese Krise antworten».
«Wer immer hier von Tragödie spricht, ist ein Heuchler», reagierte der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt. «Das ist ein vorhersehbarer und bei all jenen, die krampfhaft an einem nicht mehr funktionierenden Dublin-System festhalten, auch fahrlässig in Kauf genommener, grauenhafter Kollateralschaden.» (wst/meg/sda)
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