Hohe Temperaturen und viel Sonne: Was uns freut, freut auch die Schweizer Imker. Sie konnten ihre Arbeit viel früher als gewöhnlich aufnehmen. Letztes Jahr war es im Mai zu kalt, als dass die Bienen ausgeflogen wären. Als die Temperaturen dann im Juni endlich anstiegen, regnete es. Dieses Jahr hingegen herrscht schon seit dem März reger Betrieb in den Bienenhäusern.
Grund zur Freude beim Imker-Verband: «Kurzfristig gesehen geht es den Bienen in der Schweiz gerade gut», sagt Richard Wyss, Präsident des Vereins Deutschschweizer und Rätoromanischer Bienenfreunde (VDRB). Die positive Bilanz lässt sich nicht nur wegen der frühen Sonnenstrahlen ziehen. Die Bienenvölker haben dieses Jahr auch ausserordentlich gut überwintert.
«Die Umfrage ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber es zeichnet sich ab, dass wir sehr wenig Verluste zu beklagen haben», sagt Wyss. Üblich ist ein Winterverlust von etwa zehn Prozent der Völker. In den letzten Jahren war dieser Wert besorgniserregend hoch (besonders weltweit, aber auch in der Schweiz). Dieses Jahr hingegen dürften die Verluste gegen null Prozent gehen.
Doch die aktuellen Berichte ändern nichts an der prekären Situation, in der sich die Bienenpopulationen weltweit, aber auch in der Schweiz, befinden. «Den Schweizer Bienen geht es zwar kurzfristig gesehen gut. Generell aber nicht», sagt Wyss.
Noch immer leiden die Bestäuber unter der massiven Umweltbelastung durch Pestizide, Insektizide und Fungizide, unter Bakterien und Parasiten. Besonders letztere – die Varroamilbe – dürfte sich bei diesen milden Temperaturen rasch vermehren und die Bienenvölker gefährden.
In der Schweiz gibt es rund 160'000 Bienenvölker (Stand 2010), welche von rund 16'000 Imkern gehalten werden. Honig ist das wichtigste Produkt der Bienen. Aber nicht das einzige: Als wichtigster Bestäuber stellen die Tiere den Schlüssel für die Nahrungsmittelproduktion dar. Die Folgen des Bienensterbens sind daher verheerend.
Gemäss Greenpeace bestäuben Bienen und andere Insekten 90 Prozent der Pflanzenarten. Damit ist ein Drittel der globalen Nahrungsmittelproduktion von diesen Bestäubern abhängig. Allein in Europa können mehr als 4000 Gemüsesorten nur durch den entscheidenden Beitrag von Bienen angebaut werden.
Deshalb kämpfen Umweltorganisationen und Imker seit Jahren dafür, dass die Bienenpopulation nicht weiter abnimmt. Und der Kampf scheint sich zumindest ein bisschen zu lohnen: Gemäss Wyss hat in den letzten Jahren eine Sensibilisierung der Bevölkerung stattgefunden – auch dank dem Dokumentarfilm «More Than Honey».
«Das Interesse an den Bienen ist rasant gestiegen», sagt Wyss. Allein dieses Jahr verzeichnete der Bienenzüchter-Verein 1000 Neu-Imker. Die Nachfrage nach Kursen ist so gross, dass es vielerorts Wartelisten gibt.
Doch Wyss sieht dem Boom skeptisch entgegen: «Neu-Imker, die nur aus Betroffenheit in die Imkerei einsteigen wollen und nach einer Saison ihr Bienenvolk sterben lassen, tragen nicht dazu bei, dass sich die Population erholt», so Wyss. Ausserdem müsse dringend verhindert werden, dass der Nachfrage wegen Bienenvölker aus dem Ausland importiert werden. «Diese Bienen sind nicht angepasst und daher krankheitsanfälliger.» Wenn der Boom aber nachhaltig sei, sei diese Entwicklung «erfreulich».
Auch Marianne Künzle, Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin, sieht die wachsende Sensibilisierung der Bevölkerung. Damit sei aber noch nichts getan. «Besonders auf politischer Ebene ist noch zu wenig passiert», so Künzle.
In der Schweiz sind die drei schlimmsten Bienengifte erst teilweise verboten. Künzle warnt ausserdem vor dem «Cocktail-Effekt»: «Wenn Bienen verschiedenen Pestiziden ausgesetzt sind, kann das verheerende Folgen haben. Unzählige Kombinationen können zu unzähligen nicht abschätzbaren Risiken führen.» Es fehle an einem griffigen Reduktionsplan für alle Pestizide, so Künzle.