Eine Fahne, geflogen von einer Drohne, führte gestern zu tumultartigen Szenen beim EM-Quali-Spiel zwischen Serbien und Albanien in Belgrad. Beim Piloten soll es sich um Olsi Rama, den Bruder des albanischen Regierungschefs Edi Rama, handeln. Er hatte im VIP-Bereich gesessen und wurde offenbar kurzzeitig von der Polizei festgesetzt. Um zwei Uhr morgens wurde er wieder freigelassen und flog laut Medienberichten mit der Mannschaft nach Tirana zurück.
Ganz abgesehen von der Drohnenaktion: Allein die Fahne war schon eine Provokation, denn es handelte sich nicht um die offizielle Fahne Albaniens. Vielmehr zeigte sie die Umrisse eines «Grossalbaniens», das sämtliche albanisch-sprechenden Gebiete des Balkans miteinschliesst: Neben Albanien Teile Griechenlands, Mazedoniens, Kosovos, Montenegros und Serbiens. Darunter steht das Wort englische Wort «autochthonous», zu Deutsch «einheimisch».
Ergänzt wird die Fahne durch zwei prominente Vertreter der albanischen Unabhängigkeitsbewegung: Ismail Qemali (links) und Isa Boletini (rechts). Diese kämpften zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur gegen das Osmanische Reich, zu dem Albanien damals gehörte, sondern auch gegen Serbien. Qemail rief am 28. November 1912 nach dem Ersten Balkankrieg die Unabhängigkeit Albaniens aus. Das Datum «28/11/1912» steht ebenfalls auf der Fahne.
Auch in der jüngeren Vergangenheit gibt es Belastendes in den serbisch-albanischen Beziehungen: Im Kosovokrieg 1998/1999 kämpften ethnische Albaner für die Loslösung von Serbien. Die Nato unterstützte sie mit massiven Luftschlägen gegen serbische Ziele. Aus dem Konflikt ging schliesslich das unabhängige Kosovo hervor, das allerdings von Serbien nicht anerkannt wird.
Die Provokation im Partizan-Stadion von Belgrad dürfte umso schwerer wiegen, dass sie von einem nahen Verwandten des albanischen Regierungschefs ausging. Dieser erklärte über Twitter, er sei «stolz» auf die Mannschaft und äusserte gleichzeitig Bedauern für das peinliche Verhalten der «Nachbarn».
Krenar per Kuqezinjte qe per sa pati futboll fituan me loje e me raste / Keqardhje per fqinjet qe lane nam boterisht me shfaqjen e shemtuar
— Edi Rama (@ediramaal) 14. Oktober 2014
Albanien und Serbien sind seit der Unabhängigkeit des Kosovos nicht mehr Nachbarn. Ramas Wortwahl könnte dahingehend interpretiert werden, dass er Kosovo als Teil Albaniens ansieht. In diesem Sinn hätte er der Aktion seines Bruders verklausuliert seinen Segen erteilt.
Pikant: In einer Woche wird Edi Rama zum Saatsbesuch in Belgrad erwartet – dem ersten eines albanischen Regierungschefs in Serbien seit 69 Jahren.