Ich mache Rühreier nur noch auf die kantonesische Art und du solltest auch
Wir müssen hier gleich mit einem Disclaimer beginnen: Wer von vornherein der Meinung ist, «zwei Eier verquirlen und ab in die Pfanne und gut ist», muss hier gar nicht weiterlesen. Bye bye und danke fürs Draufklicken! Denn nein, dies ist bestimmt nicht die simpelste aller Rührei-Versionen. Mega-aufwendig ist es aber auch wieder nicht. Aber erst mal von vorn.
Rührei ist nicht einfach Rührei. Für ein Gericht, dessen Konzept derart simpel ist, gibt es erstaunlich viele Varianten und Zubereitungsmethoden. Da wäre etwa Gordon Ramsays viraler Hit mit löffelweise Butter und am Schluss noch etwas Crème fraîche. Oder die klassische französische Version mit der Bain-Marie, deren Zubereitung ewig dauert und am Schluss eine ungemein feine, gar saucenähnliche Eiercreme ergibt. Oder die typische amerikanische Variante, bei der die Eier weniger «gerührt» als quasi «geschoben» werden («in einer 8er-Bewegung» – Anthony Bourdain).
Letztere war mein bisheriger Favorit, denn, wenn richtig ausgeführt, ergibt sie das Resultat mit der für meinen Geschmack optimalen Textur: leicht gestockt, aber dennoch cremig.
Und diese kantonesische Variante, nun, ist quasi die gepimpte Version davon.
Chinese Cooking Demystified ist einer dieser leicht nerdigen Koch-Blogs und YouTube-Channels, die sich nicht nur Rezepten widmen, sondern auch deren Ursprung und Etymologie. Der Name ist Programm: Es geht hier darum, die riesige, mannigfaltige Welt der chinesischen Küche etwas zu entmystifizieren und der Welt zugänglicher zu machen. Ja, alle jene Gerichte, die du von deinem Lieblings-China-Restaurant her kennst – die kannst auch du kochen.
Unter anderem auch: Rühreier. Hey, seit ich deren Cantonese Style Scrambled Eggs entdeckt habe, bereite ich Rühreier nur noch auf die Art zu. Ja, es braucht 1-2 Ingredienzien mehr als für die Frühstückseier deines WG-Kumpels, aber nichts, was nicht ziemlich Standard wäre – und letztendlich ist es sehr einfach zuzubereiten.
黄埔炒蛋 – Huángbù chǎo dàn: Hier das Rezept
Zutaten:
- 4-5 Eier
- 1/2 TL Salz
- 1/2 TL Zucker
- 1/4 TL weisser Pfeffer
- 1/4 TL MSG (oder Bouillon-Pulver)
- 1/2 TL Shaoxing Kochwein
- 1 TL Sesamöl (oder, traditionell, 1 TL Schmalz)
- 1 TL Maisstärke, in 1 EL Wasser verrührt
- 1 EL Schweinefett (oder Ghee oder Rapsöl oder Butter)
Zubereitung:
- Eier trennen und die Eiweisse etwas schlagen.
Nö, dieser Schritt ist nicht *unbedingt* erforderlich. Aber er trägt doch zur allgemeinen Fluffigkeit des Endergebnisses bei. Und so aufwendig ist es auch nicht: Einfach mit der Gabel oder den Chopsticks kurz schlagen (wir machen hier keine Meringues), und sobald sich grössere Luftbläschen bilden, ist gut.
- Eiweiss zum Eigelb geben. Salz, Zucker, weisser Pfeffer, MSG, Shaoxing und Sesamöl beigeben und verrühren. Maisstärke kurz mit 1 EL Wasser verrühren und ebenfalls zu den Eiern geben und untermischen.
(Wenn du kein MSG oder Shaoxing hast – macht nichts. Die Maizena aber, die solltest du nicht weglassen.)
- Und nun: Long yau. Will heissen: Wok auf höchste Hitze bringen und, sobald diese erreicht ist, Flamme auf mitteltief runterstellen.
- 1 EL Schmalz schmelzen lassen.
Ja, Öl, Butter oder geklärte Butter ginge auch. Schweinefett sei aber authentisch (und übrigens: geschmacksneutraler als etwa Butter). - Eier beigeben.
- Das Ei wird an den Rändern kurz aufquellen, also nimmst du die Pfanne kurz vom Feuer, schöpfst die gestockten Teile vom Pfannenboden ab und legst sie obendrauf. Dann kommt der Wok wieder aufs Feuer – wieder warten, bis das Ei etwas gestockt ist, und wieder schöpfst du vom Pfannenboden obendrauf. Es geht darum, das ungekochte Ei immer auf die Pfannenoberfläche abtropfen zu lassen, während die gekochten Teile übereinander gelegt werden, damit sie nicht zu stark garen. Den Vorgang wiederholen, bis alles gar ist, aber dennoch eine Cremigkeit aufweist.
- Hier würde man bei Bedarf weitere Zutaten oder Toppings hinzufügen (mehr dazu unten).
- Übrigens braucht es nicht zwingend einen Wok. Ein ähnliches Ergebnis erzielst du mit einer beschichteten Pfanne, die du nur zur Hälfte über die Flamme hältst und die gestockten Teile des Ei jeweils auf die Seite der Pfanne schiebst, die nicht über der Flamme ist.
- Dauert kaum zwei Minuten und – ta-daa!
Kantonesischen Rühreier liegen, sagen wir mal, etwas vertikaler (?) im Teller als gewöhnliche Rühreier, sind reichhaltiger im Geschmack, aber ohne jede Gschlüddrigkeit. Sie sind demnach – anders als viele andere Zubereitungsarten – auch als alleinstehendes Gericht geniessbar, und verlangen nicht zwingend nach einer Beilage wie Toast o.Ä.
Das Rezept lässt sich natürlich nichtsdestotrotz wunderbar mit Extra-Zutaten oder Toppings erweitern. In meinem hier gezeigten Beispiel habe ich lediglich einige geröstete Frühlingszwiebelstreifen und schwarze Sesamkörner hinzugefügt, aber in Guangdong sind Rühreier mit Rindfleisch und Frühlingszwiebeln klassisch – ebenso wie mit Krevetten.
Char Siu Barbecue Pork eignet sich ebenfalls wunderbar – und/oder auch chinesisches Grüngemüse wie Morning Glory oder Artverwandte.
Aber hey, grundsätzlich sind deiner Fantasie und Gluscht keine Grenzen gesetzt: Käse, Pilze, Tomaten – wie und was du willst. Das Vorgehen ist immer analog: Die Extra-Zutat(en) zuerst im heissen Wok ein paar Sekunden braten, rausnehmen, dann die Eier wie oben beschrieben zubereiten und am Schluss die Extras beifügen.
Kantonesische Rühreier FTW, sage ich da nur!
