Für die drei Berner Klubs gehts nur um die Keller-Meisterschaft
Die Tage sind im Bernbiet kürzer, kühl und regnerisch geworden. Die Rangliste der National League mag die Stimmung nicht aufheitern. Da hilft ein wenig Nostalgie. Erinnerungen an die Zeiten, als Langnau, Bern und Biel vier Jahre hintereinander die Meisterschaft komplett dominierten. Hochmütig vereint im Geiste des Strebens nach dem höchsten Ruhm.
Playoffs gab es noch nicht. Gespielt wurden 28 Runden in einer höchsten Liga mit acht Teams. Die Dramatik war trotzdem maximal: 1976 und 1978 wurde der Titel erst im letzten Spiel vergeben. Die Schlussranglisten des ewigen bernischen Ruhmes:
1975/76
1. Langnau 28 Spiele, 39 Punkte
2. Biel 28 Spiele, 36 Punkte
3. Bern 28 Spiele, 35 Punkte
1976/77
1. Bern 28 Spiele, 41 Punkte
2. Langnau 28 Spiele, 39 Punkte
3. Biel 28 Spiele, 33 Punkte
1977/78
1. Biel 28 Spiele, 41 Punkte
2. Langnau 28 Spiele, 40 Punkte
3. Bern 28 Spiele, 38 Punkte
1978/79
1. Bern 28 Spiele, 40 Punkte
2. Biel 28 Spiele, 35 Punkte
3. Langnau 28 Spiele, 34 Punkte
Die Hoffart dieser «Belle Epoque» mag eine Episode zeigen: Langnau feuert im Frühjahr 1978 den kanadischen Spielertrainer Normand Beaudin nach zwei Vize-Meistertiteln. Begründung: Die Erwartungen nicht erfüllt.
Später kommt das Lichterlöschen. Bern steigt 1982 ab, Langnau 1985, 1988 sowie 2013 und Biel 1995. Erst seit 2015 spielen alle drei Berner Klubs wieder in der höchsten Liga. Aber vereint im gleichen Geiste waren sie seit den 1970er-Jahren nie mehr.
Zu unterschiedlich waren über die Jahre die Zielsetzungen: Meistertitel, Wiederaufstieg, Playoff-Qualifikation oder wenigstens ein Ligaerhalt. Am 16. April 2013 feiert der SCB den Meistertitel am gleichen Tag, an dem Langnau in der Liga-Qualifikation absteigt.
Erst jetzt, im November 2025 sind alle drei Berner Klubs erstmals seit den ruhmreichen 1970er-Jahren alle gleich, mit dem gleichen Ziel und den gleichen Sorgen. Statt um den Meistertitel in der NLA tragen sie nun gemeinsam die «Keller-Meisterschaft» der National League aus und alle drei haben in Demut das gleiche Ziel: Wenigstens das Play-In.
Der Berner Kellermeister wird sich für dieses Play-In qualifizieren und mit etwas Glück auch der Berner Vize-Kellermeister. Nie war in Bernbiet im Hockey so viel Bescheidenheit und Demut, nie waren sich die drei Berner Klub im Geiste so ähnlich und nahe wie in diesem hockeyhistorischen November 2025.
Die aktuelle Tabelle:
9. Langnau 24 Spiele, 31 Punkte
12. Bern 23 Spiele, 27 Punkte
13 Biel 23 Spiele, 27 Punkte
Das samstägliche Derby Langnau gegen Bern war also der Spitzenkampf dieser bernischen Kellermeisterschaft – und durchaus ein Spitzenspiel. Geprägt von Heinz Ehlers, dem wahrscheinlich grössten taktischen Hexenmeister des 21. Jahrhunderts in unserer Liga und von seinem Zauberlehrling Thierry Paterlini, der womöglich vor einer ähnlichen Karriere steht wie Ehlers. Als hoch angesehener, fachlich exzellenter und taktisch brillanter Bandengeneral, dem trotzdem kein Kommando bei einem der Grossklubs anvertraut wird.
Ehlers arbeitet seit 2007 als Trainer in der Schweiz. Doch erst diese Saison ist er Trainer bei einem der Titanen. Aber nur, weil der SCB zum Krisenklub geworden ist.
Ein intensives, hochstehendes Derby, das mit einem logischen Resultat endet. Der SCB siegt in der Verlängerung 4:3. Es gibt eine goldene Regel: Drei Tore kassiert auch ein umsichtig gecoachtes Team. Eines ist der Qualität des Gegners geschuldet, eines, weil im Eishockey immer mal ein Fehler passieren kann und eines darf den Faktoren Glück und Pech zugeschrieben werden.
Eine Episode nach dem Spiel erklärt, wie Heinz Ehlers als Psychologe tickt. Zwei Gegentore gehen direkt aufs Konto des schwedischen Verteidigers Hardy Häman Aktell. Einmal verursacht er hinter dem eigenen Tor einen Scheibenverlust und einmal wird er von Dario Rohrbach wie ein Junior auf der Fläche eines Badetuches ausgespielt. Und was sagt Ehlers nach dem Spiel auf eine entsprechende Frage? «Das war heute unglücklich. Aber er ist übers Ganze gesehen der beste Verteidiger, seit ich in Bern bin.»
Ordnung und schlaues Coaching sind die Tugenden von Bern und Langnau. Der Unterschied zu Biel könnte nicht grösser sein. Die Bieler zelebrieren unter dem Schweden Martin Filander ein wildes, spektakuläres totales, nahezu «körperloses» Tempo-Hockey ohne defensive Ordnung. Gewürzt mit hochriskanten Diagonalpässen und sonstigen Frivolitäten bei der Angriffsauslösung.
Und ausgerechnet diese Saison haben die Bieler mit Linus Hultström den schwächsten ausländischen Verteidiger der Klubgeschichte unter Vertrag. «Minus» Hultström hat die zweitschlechteste Plus/Minus-Bilanz aller Bieler Verteidiger (-5) und verursachte mit einem Scheibenverlust im Powerplay das 0:1 und damit die Niederlage gegen die ZSC Lions.
Noch nie hat Biel ein so stürmisches, wildes Offensivspiel zelebriert, nicht einmal unter Antti Törmänen. Beste Unterhaltung selbst in der Niederlage. Niemand verliert so schön wie Biel und niemand vermag mit Niederlagen sein Publikum so zu begeistern. Romantiker hoffen auf ein Playout gegen Ajoie. Es wäre eine Sternstunde der jurassischen Hockeykultur – mit einer grossen Medienkonferenz vor der ersten Partie in Moutier.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
-
Erwarte
Das ist die Differenz zu den ruhmreichen 1970er-Jahren. Damals begeisterten Langnau und der SCB mit wuchtigem, dynamischem und zeitweise wildem und archaischen Offensivhockey. Bei beiden Teams waren kanadische Spielertrainer die Leitwölfe (Jean Cusson, Normand Beaudin, Paul-André Cadieux). Erlaubt war nur ein Ausländer.
Die Bieler aber holten unter dem taktischen Intellektuellen Frantisek Vanek aus Brünn – dem Heinz Ehlers der 1970er-Jahre – im Frühjahr 1978 dank taktischer Intelligenz, einer Frühform der Schablone – den ersten Titel.
Das ganze Programm von TV24, 3+ und oneplus findest du hier.
Aber der ewige Traum der Berner Hockey-Kultur wird wohl nie in Erfüllung gehen: Ein Playoff-Final zwischen zwei Berner Klubs.
PS: Heinz Ehlers könnte die SCB-Bürogeneräle noch in die Bredouille bringen. Was ist, wenn die Trainerfrage für nächste Saison noch in diesem Jahr geklärt wird (beispielsweise durch eine Vertragsunterschrift von Lars Leuenberger) und dann Ehlers aus dem Tabellenkeller heraus bis in den Final kommt? Ähnlich wie er Visp im letzten Frühjahr zum Titel gecoacht hat. Wir wollen nicht grübeln.
