Vor zehn Jahren, am 29. März 2004, fuhr der 43-jährige Landwirt am frühen Abend zur Wohnung der von ihm getrennt lebenden Ehefrau im Ortsteil Wiggen und erschoss die 37-Jährige mit einer Pistole.
Die Frau hatte wegen familiärer Probleme vorübergehend in einer Wohnung im Haus des Sozialvorstehers der Gemeinde gewohnt. Der Schütze streckte im Haus auch den 60-jährigen Sozialvorsteher nieder, der drei Tage später im Spital starb.
Dann fuhr der Täter mit dem Auto und der Waffe, für die er keinen Tragschein hatte, zum Hof seines Bruders und dessen Ehefrau. Er tötete das Bauernpaar vor einer Scheune.
Anschliessend flüchtete der Täter in Richtung Wolhusen. Im Gebiet Schwanderholzstutz steuerte er den Wagen in eine abfallende Wiese und schoss sich eine Kugel in den Kopf. Tags darauf erlag er den Verletzungen im Spital.
Die Untersuchungsbehörden fanden im Haus des Täters einen Abschiedsbrief. Er fühle sich von den Behörden unverstanden und zu Unrecht von seinen Kindern getrennt. Zudem mache er sich Sorgen um die Existenz seines Betriebs und die Zukunft der Kinder. Er werde «allem ein Ende setzen», heisse es in dem Brief abschliessend. Drei der vier Opfer, der Sozialvorsteher sowie der Bruder und die Schwägerin des Täters, sind in dem Brief laut Behörden nicht erwähnt.
Das eigentliche Motiv konnten die Behörden nicht aufklären. Sie kamen zum Schluss, dass sich nur Mutmassungen darüber anstellen liessen. So könnten ein Verfahren gegen den Täter wegen Kindsmissbrauchs, Beziehungsprobleme oder ein Erbschaftsstreit mit dem Bruder dafür in Frage kommen.
Der Bauer lebte von seiner Frau getrennt. Sie hatte ihm vorgeworfen, sie bedroht und zwei ihrer fünf Kinder sexuell missbraucht zu haben. Er sass deswegen im Herbst 2003 in Untersuchungshaft, wurde aber wieder entlassen, weil er als ungefährlich angesehen wurde.
Von der Bluttat von Escholzmatt waren acht minderjährige Kinder betroffen. Ein paar von ihnen erlebten die Erschiessungen aus nächster Nähe mit.
Als der Landwirt seine Gattin tötete, hielten sich eine 15-jährige Tochter und ein 12 Jahre alter Sohn in der Tatwohnung auf. Das Mädchen wurde unmittelbar Zeugin. Die drei jüngeren Geschwister waren bereits an einem neuen Wohnort.
Der Bruder und die Schwägerin des Täters hinterlassen ein fünfjähriges Mädchen. Nachdem das Paar vor ihrer Scheune erschossen worden war, fand die Polizei das Mädchen im Haus vor.
Auch der getötete Sozialvorsteher hat zwei Kinder mit Jahrgang 1989 und 1991. Eines der beiden Kinder öffnete dem Täter die Tür.
Bei der Bluttat wurden sechs Kinder zu Vollwaisen. Sie kamen in die Obhut von Pflegefamilien.
Die fünf Kinder des Todesschützen und seiner getöteten Frau wurden rund eine Woche nach der Tat für drei Monate bei der ehemaligen Luzerner CVP-Bildungsdirektorin Brigitte Mürner und ihrem Mann untergebracht. Die dreifache Mutter und erste Regierungsrätin in der Innerschweiz bot nach der Bluttat der Gemeinde Escholzmatt spontan ihre Hilfe an.
Den Kindern gehe es heute gut, sie seien lebensfroh und robust, sagte die heute 70-jährige Brigitte Mürner auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Schwierigkeiten aufgrund der dramatischen Ereignisse habe es selten gegeben, soweit sie sich erinnern könne. Sie stehe auch heute noch in Kontakt mit ihren einstigen Pflegekindern.
Die zwei Buben und drei Mädchen sind mittlerweile zwischen 10 und 25 Jahre alt. Sie würden regulär die Schule besuchen, eine Ausbildung absolvieren oder arbeiten, sagte Mürner. Einzelne von ihnen seien bereits aus dem Haus ihrer Pflegeeltern ausgezogen.
Die Geschichte würde zeigen, dass auch ein noch so schlimmes Ereignis Kinder, die viel Zuwendung erhielten, ein Dach über dem Kopf und Zugang zu guter Bildung hätten, nicht aus der Bahn werfen könne, sagte Mürner.
Über die Bluttat von damals würden die zwei Kinder und drei jungen Erwachsenen nur noch ganz selten sprechen. Sie seien schon als Kinder im Nachhinein über die Tat informiert worden. Auch psychologische Betreuung sei ihnen zur Verfügung gestellt und teilweise auch in Anspruch genommen worden, sagte Mürner. (sda)